Asperger-Kinder - schlau auf andere Weise

Asperger-Kinder - schlau auf andere Weise

© Adobe Stock, contrastwerkstatt

Jonas sieht die Welt mit anderen Augen. Für ihn besteht sie aus Formen und Strukturen. Wo andere Chaos sehen, herrscht für ihn Ordnung.

Eine Ordnung, die weder seine Eltern noch seine Mitschüler wirklich nachvollziehen können. Jonas ist gern für sich allein, macht 1000-Teile-Puzzles mit Links und ist Klassenbester in Mathematik. Nur im Kontakt mit anderen tut er sich richtig schwer, weil er sie oft einfach nicht versteht. Der 8-jährige ist ein Asperger-Kind.

Was ist das Asperger-Syndrom?

Das Asperger-Syndrom ist eine Form von Autismus. Manchmal wird es auch als schwächere Ausprägung des klassischen Autismus bezeichnet, doch genaugenommen hat es ein ganz eigenes Erscheinungsbild. Es gibt leichte Formen, die oft unerkannt bleiben, ebenso wie schwere Formen, die die Betroffenen stark in ihrem Leben beeinträchtigen. Allen Asperger-Kindern gemein ist ihre Schwierigkeit mit anderen Menschen in Kontakt zu treten und zu kommunizieren. Die Symptome wurden zum ersten Mal 1944 von dem österreichischen Kinderarzt Hans Asperger beschrieben, nachdem die Störung auch benannt ist. Schätzungen zufolge ist möglicherweise jedes 200. Kind betroffen, Jungs deutlich häufiger als Mädchen. Doch die Angaben schwanken hier sehr, da leichte Ausprägungen oft unentdeckt bleiben. Die Ursache liegt vermutlich in den Genen, da das Asperger-Syndrom in manchen Familien gehäuft auftritt. Allerdings ist hier wohl nicht ein einzelnes Gen, sondern vermutlich eine unglückliche Kombination verschiedener Gene die Ursache. Endgültig wissenschaftlich geklärt ist das bisher aber nicht.

Gibt es frühe Anzeichen für Asperger?

Wirklich erkennen und diagnostizieren kann man das Asperger-Syndrom erst im Alter von etwa 4 bis 6 Jahren. Dennoch gibt es frühe Hinweise, die schon im Kleinkindalter darauf hindeuten können. Z. B. wenn ein Kind kein Interesse an anderen Menschen zeigt, seine Eltern nicht anlächelt oder keinen Blickkontakt mit ihnen aufnimmt. Fehlen diese zwischenmenschlichen Interaktionen, kann das ein Warnzeichen sein. Asperger-Kinder fallen meist das erste Mal auf, wenn sie in den Kindergarten kommen und soziale Kontakte knüpfen sollen. Sie sind oft auffallend schüchtern, ziehen sich zurück oder reagieren heftig auf Veränderungen im gewohnten Ablauf. Gleichzeitig haben sie aber häufig eine ganz besondere Persönlichkeit, sind fast pedantisch ordentlich und zeigen auffallende Begabungen. Allerdings können solche Anzeichen auch bei ganz normalen Kindern im Laufe ihrer Entwicklung zeitweise auftreten oder auf andere Störungen wie z.B. ADS oder ADHS hinweisen. Die Diagnose kann deshalb nur durch einen erfahrenen Kinder- und Jugendpsychiater gestellt werden.

Woran erkennt man ein Asperger-Syndrom?

Im Gegensatz zu autistischen Kindern lernen Asperger-Kinder oft früh das Sprechen. Sie verfügen über einen ausgezeichneten Wortschatz, haben aber trotzdem Kommunikationsschwierigkeiten, da sie unausgesprochene zwischenmenschliche Signale nicht erkennen und richtig deuten können. Typisch ist zum Beispiel ein ausgeprägtes Wissen in Fachgebieten wie Geographie oder in Mathematik. In Deutsch fallen sie z.B. durch gute Leistungen im Diktat aber schlechte Noten im Aufsatz schreiben auf. Das liegt daran, dass sie Sprache zwar erlernen, aber die Zwischentöne, die die eigentliche Kommunikation ausmachen, nicht verstehen können. Asperger-Kinder nehmen alles wörtlich. Sie verstehen keine Ironie oder Andeutungen. Emotionen können sie zwar begreifen, aber nur wenn sie ihnen deutlich erklärt werden. Sie können einen Gemütszustand nicht vom Gesichtsausdruck ablesen oder aus dem Tonfall heraushören. So erkennen sie z.B. nicht, wenn die Eltern oder der Lehrer ärgerlich sind. Oft gelten sie deshalb als Störenfriede, Eigenbrödler oder schwer erziehbar. Doch wenn die Störung erkannt ist und Eltern und Erzieher wissen, wie sie mit dem Kind richtig umgehen müssen, können Asperger-Kinder oft ein ganz normales, glückliches Leben führen. Häufig sind sie nämlich ausgesprochen intelligent und können ihre Defizite, wenn sie denn erkannt werden, damit gut ausgleichen.

Eigenbrötler oder Autist?

Die Grenzen bei autistischen Störungen sind fließend. Ob ein Kind einfach nur schüchtern und etwas eigenbrötlerisch ist oder tatsächlich eine leichte Form des Asperger-Syndroms hat, lässt sich oft selbst von Experten nicht endgültig klären. Solange es im Alltag gut klarkommt und keine große Beeinträchtigung im Familienleben, in der Schule oder im Freundeskreis hat, spielt das aber auch gar keine Rolle. Wenn es allerdings Probleme hat, sollten Eltern sich nicht scheuen, ihren Kinderarzt darauf anzusprechen, der sie an geeignete Stellen weiterüberweisen wird. Für Asperger-Kinder gibt es inzwischen zahlreiche gute Therapieansätze, z.B. Kompetenztraining mit Rollenspielen oder Ergotherapie. Allerdings ist die Ausprägung der Störung individuell so unterschiedlich, dass man für jedes Kind ein maßgeschneidertes Therapiekonzept ausarbeiten muss.

Tipps für Eltern von Asperger-Kindern

Kinder mit Asperger ecken vor allem im Umgang mit anderen an. Eltern stehen deshalb in erster Linie vor der Herausforderung, ihrem Kind normalen sozialen Umgang beizubringen, z.B. jemanden begrüßen, anlächeln und andere soziale Gesten. Nachdem sich die Kinder kaum in jemanden hineinfühlen können, muss man ihnen genau erklären, warum sie Regeln einhalten müssen und welche Folgen ein bestimmtes Verhalten für andere hat. Haben die Eltern erst mal die Krankheit "verstanden", fällt es ihnen auch leichter, mit dem oft eigenwilligen Verhalten ihres Kindes umzugehen. Dazu gibt es inzwischen auch spezielle Elternschulungen. Darüber hinaus ist es auch wichtig, Erzieher, Lehrer und alle anderen, die eng mit dem Kind zu tun haben, über den richtigen Umgang aufzuklären.

Asperger-Kinder sind besondere Persönlichkeiten

Das Wichtigste ist, dass die Eltern ihr Kind in seiner Eigenheit akzeptieren, schätzen und innerhalb seiner individuellen Begabungen fördern und unterstützen. Leider tendiert unsere Gesellschaft immer mehr dazu, Einzelgänger wie Jonas, die nicht mit dem Strom schwimmen, auszuschließen. Dabei ist es doch erst die Vielfältigkeit, die ein komplettes Bild ausmacht. Und Kinder mit Asperger-Syndrom sind oft ganz wunderbare, facettenreiche kleine Persönlichkeiten.

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