PNZ level 1 - bis wann ratsam?

Prof. Dr. med. Gerhard Jorch Frage an Prof. Dr. med. Gerhard Jorch Kinderarzt und Neonatologe

Frage: PNZ level 1 - bis wann ratsam?

Guten Morgen, ich bin, nach einer absoluten Horror-Woche im örtlichen PNZ level 1 ("Sie haben ja jetzt die Lungenreife, jetzt machen wir nichts mehr um die Wehen aufzuhalten" - in Woche 26!) gerade dabei Tage zu zählen, bis ich theoretisch im benachbarten level 2 Zentrum entbinden dürfte. Laut Wikipedia sind die Anforderungen an beide levels bis auf die Anzahl Intensiv-Bettchen ähnlich. Mich verunsichert jetzt nur, dass mein FA und alle Bekannten meinen, sie würden sicherheitshalber lieber wieder in das level 1 Zentrum gehen. Ist es wirklich sicherer, in einer riesen-Klinik zu entbinden, in der irgendwer irgendwann beschlossen hat, nach der Lungenreife keinen Wehenhemmer mehr zu geben, in der sich 4 von 5 Oberärzte auch ohne nachzudenken daran halten und erst der Chef Tage später auf die Idee kommt, man müsse die Würmchen möglichst lange drinnen lassen und könne, da sonst nichts hilft, weiter Wehenhemmer geben? Hätte ich ein Recht, im Ernstfall einen Kaiserschnitt abzulehnen und stattdessen lieber einen Tokolyse-Tropf zu probieren? Das letzte Mal meinte der OA ich hätte keinen Anspruch auf eine bestimmte Behandlung und wenn er einen KS empfiehlt, sei das endgültig. Nachts ist halt auch nur einer auf Station, und wenn der mir nochmal begegnet bin ich aufgeschmissen. Vom Nachbar-Krankenhaus weiß ich, dass sie erst den Tropf geben, aber falls die Würmer dort schlechter versorgt wären...??? Wäre sehr dankbar für einen Rat, bin ziemlich am Ende.

Mitglied inaktiv - 21.06.2017, 10:19



Antwort auf: PNZ level 1 - bis wann ratsam?

Guten Morgen Judi 17, die Regelung, sehr unreife Frühchen unter 29 SSW/1250 g nur in Perinatalzentren Level 1 zu entbinden, ist gut begründet, weil die Senkung der Komplikationsrate bei derart unreifen Frühchen von einer Infrastruktur abhängt, die aufwändig ist und nur von diesen Zentren erbracht werden kann. Natürlich wissen wir alle, dass im wirklichen Leben "weiche Parameter" wie gutes Betriebsklima, menschliches Engagement etc. vieles auffangen und sogar einen Mehrwert schaffen können, umgekehrt einen schlechte Organisation Strukturvorteile vernichten kann. Grundsätzlich können Sie als zukünftige Mutter entscheiden wie Sie wollen, Sie sind nicht an die quasi gesetzlichen Auflagen (GBA-Empfehlungen) gebunden. Der Pferdefuss ist aber, dass das Perinatalzentrum Level 2 die Behandlung Ihres Kindes von Ihrer Krankenkasse möglicherweise nicht bezahlt bekommt, wenn dieses gegen die GBA-Aufnahmekriterien verstösst. Wenn Sie sich über die (eigentlich viel wichtigere) Ergebnisqualität informieren möchten, können Sie unter www.perinatalzentren.org nachschauen. Alle Perinatalzentren sind nämlich verpflichtet, ihre Ergebnisqualität öffentlich zu machen. Sie geben dort Ihren Wohnort ein, die Entfernung zum nächsten Perinatalzentrum, die Sie maximal akzeptieren wollen (z.B. 50 oder 100 km) und lassen sich die Ergebnisqualität hinsichtlich Sterblichkeit und Komplikationsrate der Perinatalzentren Level 1 und 2 in Ihrer Region zeigen. Hinsichtlich Sterblichkeit und Komplikationsrate ist alles oberhalb 0.95 o.k. Die Grünen sind besonders gut, die Roten besonders schlecht. Allerdings entsteht eine Verfälschung zugunsten kleiner Zentren dadurch, dass kleine Zahlen eine hohe statistische Streuung haben und diese Zentren sich durch "strategische Verlegung" vermutlich risikoreicher Patienten in größere Zentren eine bessere Ergebnisstatistik verschaffen können. Ich wünsche Ihnen viel Glück und die Chance, vielleicht doch noch Vertrauen zu Ihren Ärzten zu gewinnen. Beste Grüße Ihr Gerhard Jorch

von Prof. Dr. med. Gerhard Jorch am 24.06.2017