Stillen

Stillen - Tipps, Erfahrungen und Austausch für stillende Mütter

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Geschrieben von dana2228 am 16.02.2015, 9:14 Uhr

Was ist normal? Wie war das früher?

Also ich finde das stillen heute wieder "in" ist. Zumindest für die ersten 6-12 Monate!
Meine Generation 80 er wurde glaub ich weniger gestillt. Oder irre ich?
Und von meiner Oma weiß ich, daß sie sooooo stolz war sich Es leisten zu können ihren letzes Kind die Flasche zu geben. Es war ein Zeichen von "Reichtum " nicht zu stillen.

Aber was hat die Natur eigendlich so vorgesehen?
Wie war das in der Steinzeit? Ich meine meine Generation hat auch schon sehr früh Beikost bekommen. Zumindest viele, wenn ich so frage. Ist man heute ja auch von ab.

 
21 Antworten:

Re: Was ist normal? Wie war das früher?

Antwort von Jomol am 16.02.2015, 9:35 Uhr

Früher ist schwierig. Vor 100 Jahren sind die Kinder sehr oft gestorben, wenn sie keinen Zugang zu Frauenmilch hatten. In der DDR wurde in den 70er, 80er Jahren deutlich mehr gestillt als in der damaligen BRD. Allerdings auch da mit kruden Vorschriften (angelehnt an Erfahrungen mit schlechter verdaulicher Kunstmilch) wie nur alle 4 h stillen und nachts einmal Pause. Das hat die Stilldauer oft sehr begrenzt... In Afrika hieß es in den 80ern Nestle tötet Babies, weil es auch da plötzlich als Zeichen von Wohlstand galt, Kunstmilch zu verfüttern, aber das Wasser oft nicht sauber war und der Infektionsschutz durch die Muttermilch wegfiel. In weniger "entwickelten" Gesellschaften stillen viele Mütter bis weit ins Kleinkindalter, Beikost gibt es bei Interesse. Also je nach Kind wahrscheinlich so ähnlich wie hier meist zwischen 5 und 8 Mon., die Evolution ist ja nicht so fix...
Eine interessante neuere Erkenntnis ist, daß man zu Beikostbeginn noch schön viel stillen soll, weil damit die Allergierate gesenkt wird. Und Sachen durcheinanderfüttern- nicht 4 Monate lang nur Möhren. Paßt auch zur Steinzeit, wo Pre-Nahrung schwer zu bekommen war und gerade in Zeiten des Mangels gegessen werden mußte, was da war.
Grüße,
Jomol

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Re: Was ist normal? Wie war das früher?

Antwort von cs80 am 16.02.2015, 10:04 Uhr

Von meiner Mama weiß ich, dass sie uns offiziell alle 4h und heimlich nach Bedarf gestillt hat und recht zeitig mit Obst-Reis-Gläschen begonnen hat. Abgestillt hat sie uns mit zwischen 6 und 10 Monate zur Flasche hin. Viele Babys haben auch Breifläschchen bekommen, wenn sie noch nicht vom Löffel essen konnten.
Meine Oma hat gestillt und dann babytaugliches vom Familientisch mit der Gabel zerdrückt und gefüttert. Ab einem Jahr gab's dann Rohmilch aus der Flasche. Keiner wäre damals darauf gekommen, die Milch von der meist eigenen Kuh vorher abzukochen.
Auch ich bin noch mit Rohmilch frisch vom Bauern im Ort aufgewachsen.
Meine Uroma hat ihren Pflegekindern Ziegenmilch gegeben, auch roh. Die waren aber auch schon eher Kleinkinder als Babys.

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Re: Was ist normal? Wie war das früher?

Antwort von maeusezahn am 16.02.2015, 11:20 Uhr

Hallo,
ich denke auch Stillen ist wieder "in". Hab noch ein Buch aus den 70ern, da gab es dann schon mit 8 Wochen Karottensaft. Meist wurden damals die Kinder schon mit 6 Wochen in die Krippe gegeben oder sogar eine ganze Woche lang fremdbetreut und am WE von den Eltern (DDR). Nach der Entbindung gab es die Kinder alle 4 h zum Stillen und dann wieder ab ins Säuglingszimmer :'(. Weiß ich von meiner Mutter und Schwiegermutter. Und zu Hause sollte es auch im 4 h Rhythmus bleiben, ist ja mit Stillen nicht mgl. dann gab es Beikost oder Flasche relativ früh. Meine persönliche Meinung warum viele heute die Flasche geben ist (außer natürlich wo kein Stillen mgl. ist) zu frühes aufgeben wenn es am Anfang beim Anlegen wehtut, dann denken viele Flasche ist weniger Aufwand (???? hab es auch durch mit Mumi-Flaschenkind, immer vaporisieren...), Brust könnte ausleiern, mehr Freiheit und Freizeit weil Papa kann auch aufpassen ( ich bin die Mutter und muss auch für das Kind da sein, nicht umsonst hab ich Milchdrüsen, frau weiß vorher wenn ein Baby kommt was das i.A. heißt, auch mal einen kurzen Zeitraum des Lebens zurückstecken - mach mir hiermit bestimmt keine Freunde, ist aber mein Standpunkt, manche mögen denken wie altmodisch ), für manche ist Stillen zu anstrengend (??? Hä ???), usw.
Wenn früher keine Milch da war gab es die Ziege als "Saeugamme", oder andere Mütter. Heute gibt es auch private Anbieter für Mumi übers i-net, ist teuer und die Milch meist nicht geprüft. Vieles ist in den and. Beiträgen schon genannt. Bin teilweise abgeschweift... Naja ;)
Lg

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Re: Was ist normal? Wie war das früher?

Antwort von Jole3 am 16.02.2015, 11:21 Uhr

Meine Mutter hat mir erzählt, dass ich ihr die Brustwarzen zerbissen hätte, so dass es blutete und sie mich deshalb nur 4 Wochen stillen konnte. Das war Ende der 70er.
Ich denke, dass sie schlecht beraten worden war und vielleicht auch die falsche Anlegetechnik das Stillen versaut hat. Bei meinen Kindern hatte ich dank Beratung Stillprobleme meist schnell wieder los und konnte meine Kinder jeweils ca. ein Jahr stillen bzw. auch darüber hinaus.

Es hängt also meiner Meinung nach eher von der Gesellschaft und deren Einstellung zum Stillen ab, ob es 'in' ist oder nicht. Wie schon erwähnt wurde, gab es Zeiten in Deutschland, in denen Flasche-geben als schick und Zeichen von Reichtum galt. Und in anderen Ländern ist es eben heute noch so. Wie lange kenne ich nun schon die Aushänge am Pulvermilchregal "Abgabe max. 3 Packungen", weil die Hersteller der Nachfrage aus anderen Ländern nicht hinterher kommen? Aus welchen Gründen auch immer dort so große Nachfrage ist.

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zum Thema aufgeben und "Freiheit "

Antwort von dana2228 am 16.02.2015, 11:40 Uhr

Ganz erlich, wie ich mit den ersten Kind schwanger war, war mit klar ich stille. Das war für mich selbstverständlich und genau so selbstverständlich das es einfach ist.

Dann kam meine Tochter mit 200 auf die Welt und das stillen ging nicht so einfach. Sie nahm zu viel ab und war etwas gelb, der Milcheinschuß blieb aus und beim Anlegen zogen sich die Zehnägel vor Schmerz zusammen. Die haben mich in KH. irre gemacht und ihr letzes Endes die Flasche gegeben.
Ich habe abgepumpt und genervt, wollte auch aufgeben.
Dank einer guten Still Beraterin ging sie mit 6 Wochen ohne Probleme an sie Brust und ich hätte Zwillinge stillen können. Auch der Schmerz wurde immer weniger
Aber kann da Leute die aufgeben schon verstehen.
In den ersten Tagen ist stillen nicht toll, und ich hatte kleine Ziele. Erst 8 Wochen, dann lief es gut und ich dachte ach mach die 4 Monate voll und es waren dann doch 12! Uns echt schön!

Das zweite Kind war ein Schreibaby und lange im KH. auch hier wollte ich eigendlich immer mal wieder aufgeben.

Das dritte Kind ging wie selbstverstandlich nach der Geburt an die Brust.

Aber finde Freiheit auch sehr wichtig. Jede Mami ist auch noch Frau. Aber die zeit vergeht ja echt schnell. Und schwup sind die Kinder groß!

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Re: Was ist normal? Wie war das früher?

Antwort von Halluzinelle von Tichy am 16.02.2015, 12:12 Uhr

Solange Menschen Jäger und Sammler waren, wurde die ersten Lebensjahre gestillt. Es gibt Skelettfunde, die belegen, dass Kinder bis 5 oder 6 Jahre gestillt wurden. Z.T. wurde für kleine Kinder vorgekaut. Sobald Kinder Zähne hatten, haben sie aber auch da schon feste Nahrung gegessen. Es gab aber gar nicht täglich ausreichend Nahrung. Das ist für kleine Kinder ja nicht zu ertragen. Daher das lange Stillen.
Nachdem Menschen sesshaft wurden und das Nahrungsangebot berrechenbarer wurde nur noch ca. 2 Jahre lang gestillt.

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Re: Was ist normal? Wie war das früher?

Antwort von Jomol am 16.02.2015, 13:56 Uhr

Freiheit ist relativ: ich fand die Freiheit mit stillen gar nicht soooo eingeschränkt, weil es überall geht. Ausnahmen: Konzert, Oper, Kino. Im Restaurant, auf Reisen (Flugzeug, Zug) und bei Parties habe ich sehr genossen, nur auspacken zu müssen. Muß sagen, daß ich Glück hatte, weil sich meine Große nie durch irgendwas hat ablenken lassen, die war ein bissel "verfressen". Gestillt habe ich sie, bis sie 2 1/2 war, Beikost ab 5. LM bei großem Interesse, das aber auch sehr schwankte.
Meine Mutter sagt, daß es zumindest ab Anfang der 70er in der DDR 6 Monate teilweise Lohnfortzahlung (sie erinnert sich nicht genau, denkt 60%) gab und daß da nur wenige Leute direkt wieder arbeiten gegangen seien. Vorher hatte sie das nicht so interessiert ;-). Mein Mann ist aus Bayern und wurde nicht gestillt- obwohl seine Mutter zu Hause war...
In der DDR gab es in den 70ern schon ein Frauenmilchspendesystem, die Milch wurde für kranke und frühgeborene Kinder zum Päppeln benutzt.
Grüße,
Jomol

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Re: Was ist normal? Wie war das früher?

Antwort von Vampirchen am 16.02.2015, 20:12 Uhr

Ich bin Baujahr 81 und meine Mom stillte mich so ca. 4-6 Wochen. Schön brav alle 4 Std. Dann "reichte die Milch nicht mehr" und ich bekam die Flasche. Als ich dann unsere Große bekam "bebeidete" meine Mama mich ein bisschen, dass es so gut und so lange klappte. Sie meinte, die Hebammenbetreuung von heute hätte sie auch gerne gehabt und das Stillwissen. Als ich ihr dann das mit den Wachstumsschüben und dem vermehrten Stillbedarf erklärte, sagte sie dann, dass jetzt ja klar sei, weshalb mit 4-6 Wochen abgestillt wurde.

Sie steht voll uns ganz hinter dem Stillen und freut sich über ihre prächtigen Kinder.

In dem Blog "Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn" haben die beiden Bloggerinen ein bisschen recherchiert in Sachen Babyernährung im Laufe der Zeit:http://www.gewuenschtestes-wunschkind.de/2013/08/erziehung-der-grosseltern-zwei.html?m=1

LG Vampirchen

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Re: Was ist normal? Wie war das früher?

Antwort von enanita am 16.02.2015, 20:37 Uhr

Ich bin ein DDR-Kind der 80er und meine Mama hat mich mit blutigen Brustwarzen 8 Wochen lang gestillt (ungefähr im 4h-Rhythmus). Bei meinem Bruder gings auch nicht länger.
Als Maus geboren wurde, brauchten wir zu anfangs Stillhütchen und da hat mich meine Mama auch sehr beneidet. Sie meinte auch, wenn sie diese Betreuung (Hebamme, Geburtsvorbereitung etc.) gehabt hätte, hätte sie sicherlich auch länger gestillt.
Mein Mann wurde gar nicht gestillt, da schwierige Geburt und dann direkt getrennt von der Mama. Sein Papa hat dann wenigstens noch die ersten Tage immer die Milch zwischen den Krankenhäusern hin- und hergetragen. Zum Glück hat sich da einiges geändert!

Die frühe Beikost war oft auch einfach nötig, da die Ersatzmilch nicht die Qualität hatte wie heutige Pre. Ohne den berühmten Möhrensaft hätte es noch viel mehr Mangelerscheinungen gegeben. Und zumindest in der DDR sollte ein Kind schon zeitig für die Krippe "funktionieren". Meine Mama bekam Ärger, weil ich mit 6 Monaten meine Flasche nicht selber halten wollte/konnte.

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Re: Was ist normal? Wie war das früher?

Antwort von Vampirchen am 16.02.2015, 20:42 Uhr

Krass - als ob deine Mama was dafür könnte, dass du die Flasche nicht "halten konntest". Zum Glück haben sich die Zeiten echt geändert. Mein Dad hat bedingt durch die in den 50er Jahren noch nicht so hochwertige Säuglingsmilch ne Menge Allergien entwickelt, auch ne Kuhmilchallergie. Das Gleiche hatte dann mein Bruder, der dann so Sojaspezialpframpf bekam.

Auf meinen Babyfotos erkennt man, dass ich auch so ein Möhrensaftkind war :-)

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Re: Was ist normal? Wie war das früher?

Antwort von Kräuterzauber am 16.02.2015, 21:13 Uhr

Meine Mutter hat die ersten 3 Kinder nicht gestillt, weil die Hebamme bei einem Blick auf die Brustwarze meinte "mit denen können Sie nie stillen!"
Bei der jüngsten, geboren 1992 hat sie immerhin 8 Wochen gestillt.

Meine Mutter hatte ganz oft diesen sehnsuchtsvollen Blick drauf, wenn ich meinen jüngsten gestillt habe. Ich finde es ganz schön krass was uns Frauen da genommen wird. Und den Kindern natürlich auch.

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Re: Was ist normal? Wie war das früher?

Antwort von Ottilie2 am 17.02.2015, 8:33 Uhr

Was die Natur vorgesehen hat, hat mich auch immer total interessiert. Ich bin mit meinen Recherchen ebenfalls auf eine Stillzeit bis zu 7 Jahren (Jungen, Mädchen 6) gekommen.
Beispielsweise hat Dettwyler mal verschiedene Stillzeiten anhand von Primaten untersucht und verglichen. Sie kommt auf diese Zahlen durch Verhältnisse zur Lebensdauer, Geschlechtsreife, Größe der Nachkommen, Tragzeit uvm.
Ein weiterer Faktor ist der Durchbruch der bleibenden Zähne. Der erfolgt mit etwa 6. Deswegen heißen die ersten Zähne auch Milchzähne.
Andere berufen sich auf die Reife des Immunsystems. Mit etwa 6 Jahren hat ein Kind ein recht kompetentes Immunsystem und man geht davon aus, dass die Immunstoffe in der Muttermilch dann keinen Nutzen mehr bringen.
Renz-Polster schätzt das natürliche Abstillalter auf etwa 3-4 Jahre und begründet dies mit einer natürlichen Geburtenfolge: Das Tandemstillen ist in der Natur unüblich, weshalb das ältere Kind vorher abgestillt wird. Bei uns ist die Geburtenfolge jedoch oft verkürzt, viele bekommen hintereinander ihre Kinder. Vielleicht entsteht daher auch der Eindruck, die Stillzeit kurz halten zu müssen.
Der Durchschnitt durch sämtliche Kulturen beträgt wohl angeblich 4.2 Jahre. Da sind aber glaube ich jene Frauen, die gar nicht stillen, nicht mit drin. Man kann auch nicht sagen, dass Naturvölker den Durchschnitt extrem hoch treiben, auch da gibt es riesige Unterschiede. Sicher ist die Stillzeit aber in zivilisierten Völkern deutlich verkürzt. Kultur vs. Natur.
"Ganz früher" wurde lange gestillt, denn man wusste, dass es die Kindersterblichkeit senkt.
Ein großer Einschnitt war die NS-Zeit, in welcher frühes Abstillen und ein allgemein herzloser Umgang mit Babys gefordert wurde. So kam es überhaupt erst zu der Idee, die Kinder schreien zu lassen, nicht bedarfsgerecht (nach der Uhr) zu stillen usw. Ich mutmaße, dass wir hier heute noch immer die Überbleibsel davon haben, im ehem. Osten mehr als in den alten Bundesländern.
Es wäre schön, wenn sich die Mütter mehr damit beschäftigen würden und das LZS dadurch wieder anerkannt werden würde. Aber meine Stillberaterin sagte mir letztens, nachdem ich ein blödes Erlebnis mit einem ca. 45,50 Jahre alten Arzt hatte: "Die Generation ändern sie nicht mehr. In den nächsten 20 Jahren können Sie ihre Kleinkinder aufm Klo stillen."
Finde ich schade, aber irgendwie hat sie recht. So erlebe ich es. Aber wenn mein 2-jähriger einen Schnuller findet und damit rumrennt, sagt keiner was ...hä?

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Re: Was ist normal? Wie war das früher?

Antwort von Sille74 am 17.02.2015, 11:20 Uhr

Hmmm, was ist "normal"?

Wenn man "normal" als "der (gesellschaftlichen) Norm entsprechend" definiert, dann ist es hier bei uns in der Region normal, zu stillen, und zwar 6 bis 12 Monate lang. Bei uns hier wird das Stillen sehr offensiv propagiert und gefoerdert (fuer meinen Geschmack wird da sogar manchmal zu viel getan und Druck aufgebaut ...). Viele Geburtsstationen lassen sich als "stillfreundlich" zertifizieren. In meinen Geburtsvorbereitungskursen wurde ganz selbstverstaendlich ueber das Stillen gesprochen und informiert, jedoch ueberhaupt nicht uebers Flaeschchengeben. In meinem Umfeld stillen alle bzw. haben gestillt, die meisten so ca. 1 Jahr. Dumme Kommentare oder blöde Blicke ernten hier eher Frauen, die nicht stillen.

Meine Schwester und ich (Mitte/Ende 70er-Jahre) wurden nur wenige Wochen gestillt; immerhin, in dem damals herrschenden stillfeindlichen Klima. Damals gab's null Unterstuetzung oder Informationen. Als meine Mutter im KH sagte, sie wollebstillen, wurde sie erst einmal angemacht: "Das arme Kind! Bei den großen Brustwarzen!" Als der Milcheinschuss kam, wurde ihr eine Milchpumpe gebracht, mich durfte sie nicht anlegen, da nicht die Zeit war, zu der die Babys zu ihrer Mutter durften ...

Ganz sicherlich war im Nationalsozialismus Stillen aus verschiedenen Gruenden nicht erwuenscht. Der Trend zum Nichtstillen oder nur kurz Stillen setzte aber meines Wissens zumindest in den Staedten, schon deutlich frueher, nämlich mit der Industriellen Revolution, ein.

Ich persoenlich finde es fraglich, ob zur Ermittlung einer "natuerlichen Stilldauer" des Menschen die Stilldauer bei Primaten herangezogen werden kann, Gene hin oder her. Denn zum Wesen (zur Natur) des Menschen, und das unterscheidet uns ja auch vom Affen, gehört eben die Entwicklung von Kultur, und diese hat halt möglicherweise Einfluss auf die Stillzeit (z.B. die Erschliessung neuer, weiterer Nahrungsquellen).

Wie's wohl in der Steinzsit war? Keine Ahnung. Ich habe mich allerdings (hobbymaessig)viel mit den Praerieindiandern Nordamerikas beschaeftigt, und deren Ernaehrung war klassisch steinzeitmaessig (Frischfleisch nach Jagderfolg, sonst Trockenfleisch, Beeren, Nuesse, Wildgemuese ...). Da wurden die Kinder ca. 6 Monate nach Bedarf voll gestillt. Danach wurde mit anderer verfuegbarer Nahrung begonnen (Fleischbruehe, vorgekautes Fleisch --> Brei, zerdrueckte bzw.'weiche Beeren etc.). Mit ca. drei Jahren wurden die Kinder langsam von der Brust entwoehnt.

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Re: Was ist normal? Wie war das früher?

Antwort von Tine1 am 17.02.2015, 13:58 Uhr

Die ns-zeit war sicherlich nochmal ein einschnitt, wie du schreibst, aber ich denke in der zeit davor (kaiserreich, 1. weltkrieg) wird es auch nicht so viel anders gewesen sein. für jede ideologie muss es ja einen fruchtbaren boden geben, auf dem sie gedeihen kann. und auch im vorigen krieg hätte eine enge bindung eltern daran gehindert, ihre kinder als kanonenfutter dem "vaterland" zu opfern.

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Re: Was ist normal? Wie war das früher?

Antwort von Tine1 am 17.02.2015, 14:13 Uhr

Da hab ich deinen beitrag nicht gelesen, bevor ich meinen obigen abgeschickt hab. das mit der industriellen revolution ergäbe einen sinn und ich halte das für sehr wahrscheinlich, weil das ja gleichzeitig der beginn der trennung von heim und arbeitsplatz war und viele bzw die meisten proletarierkinder nun die meiste zeit des tages sich selbst überlassen waren. die babys wird schon irgendjemand beaufsichtigt haben, aber die mutter und die etwas größeren kinder mussten ja auf jeden fall in die fabrik. was soll man da anderes tun, als die kinder (früh) abzustillen.

ich stimme dir zwar zu, dass man die "natur" des menschen in vielen bereichen schlecht mit der von tieren vergleichen kann, aufgrund der uns zugehörigen kultur und unserer extremen anpassungsfähigkeit. aber es gibt doch innerhalb der menschlichen entwicklung sehr viele unerfreuliche wendungen. die geschichte des menschen ist auch immer eine geschichte von herrschaft und unterdrückung. und die unterdrückten müssen von diesem standpunkt aus doch nach dem "natürlichen" ein stück weit forschen, um die unserer spezies eigenen bedürfnisse wieder neu zu sehen und kennenzulernen. insofern sehe ich den vergleich mit anderen primaten zwar als nicht völlig unproblematisch an, doch aber als sinnvoll.

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Re: Was ist normal? Wie war das früher?

Antwort von sileick am 18.02.2015, 13:53 Uhr

Hier wurde ja hinreichend über die Relativität des Begriffs von "Normalität" gesprochen, insofern enthalte ich mich diesbezüglich.

Die "natürliche Stillzeit"-Berechnung finde ich sehr wichtig und nützlich, damit uns kulturell z.T. verkorksten Menschen immer mal wieder deutlich wird, was wir biologisch gesehen tun. Auch die Primaten kann man prima heranziehen, denn das sind unsere Wurzeln. Die Kultur müssen wir hier eh dazurechnen. Wer stillt schon 6-7 Jahre, in unserer Kultur passt das oft nicht, ist nicht akzeptiert und darum sicher eher unnormal und die Ausnahme. Die Erschließung neuer Nahrungsquellen ändert nicht solche archaischen Dinge wie Nähebedürfnis etc., insofern ist auch hier diese Berechnung wichtig, damit die Kulturreichen wissen, was sie tun. Unbedingt. Man sollte die Biologie nicht leichtfertig umbiegen wollen. Unsere menschliche Kultur hat hinreichend gezeigt, wohin das die Welt und die Menschheit bringt, und wir zeigen es noch heute, jeden Tag.

Unabhängig von diesen Überlegungen gibt es in der menschlichen neueren und älteren Geschichte je nach Herkunft und Lage der Menschen so viele Versionen vom Stillen, dass man wohl nichts als "normal" bezeichnen kann.

Hilfreich ist die WHO-Empfehlung mit 2 Jahren oder mehr. Aber was macht eine Frau, in deren Lebenskonzept das ewig vielstillende Kind dann irgendwann kulturell einfach nicht passt? Bevor sie angenervt ohne Ende ist, wird sie abstillen und selbst damit zufriedener sein. Das wiederum ist das Beste fürs Kind: die zufriedene Mutter.

Wie immer finde ich, richtig ist, was sich richtig anfühlt. Und das kann nur die betroffene Familie für sich entscheiden, vornehmlich Mutter und Kind. Diese innere Stimmigkeit zu finden, ist schwer, wenn von außen so viele verunsichernde Kommentare kommen, so oder so. Aktuell gibt es sicherliche, regional unterschiedlich, eher Kommentare gegen das Stillen über 6 Monate hinaus. Bei uns war das zeitweise auch sehr extrem. Das Fell muss dick werden, und ein Mantra verfügbar sein, um da bei sich zu bleiben. Ich habe immer gesagt, und ich tue es auch jetzt noch: "Bei uns ist das so./Wir machen das so." Diskutieren hat nur Sinn, wenn die Leute es auch wissen wollen. Kommentare werden meist ungebildet, uneingeladen, unqualifiziert und aus ganz persönlichen Gründen gemacht.

Gründe können sein:
- Therapeut (m/w) hat einen gewissen Machtanspruch und will trotz null Ahnung die Oberhand behalten.
- Therapeut (m/w) hat veraltetes Wissen und wendet dieses selbstverständlich an.
- Frau aus der Großelterngeneration oder eine andere mit größeren Kindern hat selbst nicht stillen können/wollen/dürfen und unbewusst missgönnt sie das dann der jungen Frau. Das ist nicht böse gemeint, sondern rein unbewusst, und es kann sehr militiant werden.
- Frau ist selbst einen anderen Weg gegangen, bereut es und ist jetzt neidisch.
- Mann/Frau wurde selbst nicht oder nur zu kurz gestillt und hat hierin ein ungestilltes Bedürfnis, weshalb auch hier unbewusste Ablehnungsreaktionen auftreten können. Die sind dann oft besonders aggressiv, und dann geht es um "widerlich" oder "abstoßend" etc..
- Mann/Frau hat einfach keine Ahnung und reagiert ablehnend aus dem gesellschaftlich-kulturellen Gefühl heraus, dass man sowas (das Kind länger als 6 Monate/1 Jahr zu stillen) nicht macht.
- Großmutter/Tante etc. hat Machtanspruch und versucht unbewusst die Mutter zu verunsichern, um sich selbst als besserer Experte darzustellen, vorgeblich natürlich, um dem Kind und der Mutter zu helfen. Auch dies sind oft unbewusste Mechanismen.
- Oft sind es mehrere Gründe zugleich.

So, und was ist jetzt "normal"? Das ist nicht wichtig. Wichtig ist, was für Dich gut ist und für Dein Kind. Das weiß niemand so gut wie Du selbst. :-)

LG Sileick

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Re: Was ist normal? Wie war das früher?

Antwort von Mila-2012 am 18.02.2015, 20:55 Uhr

Hallo

Meine Mutter (1961) und ihre älteren Geschwister wurden jeweils nur drei Wochen gestillt. Meine Oma durfte nicht länger stillen, weil sie anfangs Zwanzig an Tuberkulose erkrankt war. Ich versteh den Zusammenhang zwar nicht ganz, aber so hat sie es mir erklärt. Damals gab es im Dorf beim Bauern eine Kuh, die wurde immer nur mit Gras gefüttert. Die Milch von dieser Kuh konnte man dann im Laden als Säuglingsmilch kaufen.

Liebe Grüsse

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Re: Was ist normal? Wie war das früher?

Antwort von Sille74 am 18.02.2015, 22:06 Uhr

Es ist sicherlich nie ein Fehler, zu schauen, wie es die Verwandtschaft macht (also die anderen Primaten). Allerdings stammen wir ja eben nicht vom Affen ab, sondern sind ein eigenstaendiger Zweig und m.E. haben wir uns genau entsprechend der Natur unseres Zweigs entwickelt mit nur uns eigenen Merkmalen. Ich bleibe daher skeptisch, ob man die Stilldauer der anderen Primaten so einfach auf uns übertragen kann als das eigentlich auch fuer uns Natuerliche und ob eine Stilldauer von 7 Jahren gut fuer ein Menschenjunges ist/waere. Klar ist aber auch, dass eine Stilldauer von deutlich unter 1 Jahr tatsaechlich auch beim Menschen nicht natürlich ist und das nur gut funktioniert durch die Entwicklung von Ersatznahrung. Vorher war die Sterblichkeit von nicht gestillten Kindern gegenüber gestillten unter den gleichen Bedingungen um 43% (meine ich mal gelesen zu haben) erhoeht.

(Ungebetene) Kommentare sollte es m.E. weder in die eine noch in die andere Richtung geben; wie gesagt, hier bei uns trifft es eher diejenigen, die nicht stillen, da hier Stillen die Norm, also "normal" ist. So wurde z. B. eine Bekannte meines Mannes, die sich fuers Abstillen nach drei Monaten entschieden hat, da sie eine chronische, fortschreitende Erkrankung hat und wieder ihre nicht stillfreundlichen, starken Medikamente nehmen musste, von einer fremden Frau angegangen, dass sie so ihrem Kind schade und wohl nicht das Beste fuer ihr Kind wolle (was wohl deren persoenliche Grün de sind ...).

Ich finde, dass es nicht ganz unwichtig ist, was als "normal" erachtet wird. Nicht deswegen, weil ich denke, man muss immer der Norm entsprechen. Nein, da sehe ich es genau so, dass man das tun soll, was man fuer sich als richtig und gut empfindet. Nur finde ich, dass man sich, wenn man nicht der Norm entsprechend handelt, sich dar über im Klaren sein sollte und sich auch über legen muss, ob man damit zurdcht kommt, Aussenseiter, Exot oder wie man es auch bezeichnen will zu sein, inkl. unangebrachter Kommentare etc.

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Re: Was ist normal? Wie war das früher?

Antwort von Ottilie2 am 19.02.2015, 12:27 Uhr

Ich finde den Vergleich zu anderen Primaten durchaus gelungen. Sie sind körperlich und hormonell ähnlich ausgestattet... große Abweichungen in der Stillzeit wird es da nicht geben.
Hinzu kommt noch, was ich oben schon geschrieben habe: Durchbruch der bleibenden Zähne, Kompetenz des Immunsystems, 6 Jahre.
Schließlich wurde anhand von Knochenfunden (menschliche!) ermittelt, wie lange jener Mensch gestillt wurde, das waren je ca. 3,4 Jahre. Ich räume hier aber ein: Nur weil jemand bei einer Hand voll Knochen eine Stilldauer bestimmt, heißt das nicht, dass unsere Vorfahren im Schnitt genau diese Stillzeit hatten.
Eigentlich wäre es eine sichere Variante herauszufinden, wie lange zB in der Steinzeit gestillt wurde. Aber wenn es irgendwo Ausgrabungen gibt, ist sicher das Letzte, woran die Paläontologen denken "Ah, ein Stückchen männliches Knie... mal sehen, wie lange der an Mamas Brust trinken durfte".

Die 7 Jahre, die Dettwyler angibt, sind der obere "Grenzwert". Den unteren gibt sie mit 2.5 Jahren an. Wenn man alles mit einander vermischt, die Überlegungen von Renz-Polster dazu nimmt, Knochenfunde, Geburtenfolge, Saugbedürfnis usw
... kann man davon ausgehen, dass 'früher' um die 3,4,5 Jahre gestillt wurde.

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Re: Was ist normal? Wie war das früher?

Antwort von sileick am 19.02.2015, 14:58 Uhr

Vielleicht ist es hilfreich, die gesamten Überlegungen von Frau Dettwyler mal zu lesen, damit deutlich wird, dass sie nicht 1:1 die Primaten als Vorbild nimmt, sondern die Eckdaten von deren Stillzeit und andere Aspekte ein Gesamtbild in ihren Überlegungen ergeben haben. Anbei also der Text. Ich hoffe, ich begehe jetzt keine Copyright-Sünde, das hier reinzukopieren, ansonsten bitte einfach bei www.uebersstillen.de nachlesen.

Ich bin sicher, dass das hier dann auch zu vielen weiteren interessanten Diskussionen führt. Ich stimme Dir grundsätzlich zu, Sille, frau muss ein dickes Fell haben und den Status "komisch" ggf. ertragen oder noch besser mit Humor nehmen können, um das Kind offiziell deutlich länger zu stillen als hierzulande üblich. Insofern ist Kultur und Gesellschaft immer ein einflussnehmender Faktor, und das kann man nicht einfach ignorieren, man muss dafür ein Bewusstsein haben. Wie immer sehe ich es so, dass jede Frau über die Fakten zum Stillen gut aufgeklärt sein sollte und dann mündig entscheiden muss, meist geschieht das ja doch mit dem Kind zusammen, wie sie vorgeht. Was innerlich stimmig ist, ist auch deswegen innerlich stimmig, weil man damit mit der Außenwelt auch gut klarkommt. :-)

LG Sileick

Anhang:

Das natürliche Alter zum Abstillen

Von Katherine Dettwyler PhD
Sektion Anthropologie der A und M Universität, Texas, USA

Originaltitel des Textes: "A Time to Wean"

Ich begann meine Forschungsarbeit mit den tierischen Primaten. Sie sind unsere engsten Verwandten im Tierreich, was insbesondere auf Schimpansen und Gorillas zutrifft, die 98% ihrer Gene mit dem Menschen teilen. Ich betrachtete zunächst die verschiedenen Variablen der "Lebens-Geschichte" (wie z.B. Tragzeit, Geburtsgewicht, Wachstumsrate, Alter für die Geschlechtsreife, Alter beim Zahnen und Lebenserwartung) und untersuchte dann, wie sich das Verhältnis dieser Variablen zum Alter des Abstillens bei diesen Tieren darstellt. So gelangte ich zu Vermutungen, bei welchem Alter Menschen "natürlicherweise" abstillen würden, wenn es keine kulturbedingten Regelungen dafür gäbe. Mein Interesse an dieser Frage wurde geweckt, als ich zum Thema des Abstillens Beiträge aus verschiedenen Kulturkreisen las. Die Beiträge zeigten, daß es in den verschiedenen Kulturen ganz unterschiedliche Ansichten darüber gibt, bei welchem Alter mit dem Abstillen begonnen werden sollte. Sie reichen von einem sehr frühen Zeitpunkt in den USA bis zu einem sehr späten Zeitpunkt in anderen Gegenden. Oft ist zu hören, daß das Durchschnittsalter zum Abstillen weltweit bei 4,2 Jahren liegt, aber diese Zahl ist weder genau noch aussagekräftig. Eine Untersuchung von 64 "traditionellen" Studien, die vor 1940 durchgeführt wurden, ergab eine durchschnittliche Stilldauer von 2,8 Jahren, wobei in einigen Kulturkreisen deutlich kürzer, in anderen deutlich länger gestillt wurde. Statistisch gesehen läßt sich aus einem weltweiten Durchschnitt für das Alter des Abstillens überhaupt keine Aussage ableiten, da sehr viele Kinder überhaupt nicht gestillt werden bzw. weil die Mütter bereits nach wenigen Tagen oder nach 6 Wochen, wenn sie wieder in ihren Beruf zurückkehren, das Stillen aufgeben. In vielen Ländern der Welt werden Kinder noch heute regelmäßig bis zum Alter von vier oder fünf Jahren oder länger gestillt. Selbst in den USA werden manche Kinder derart lange oder sogar noch länger gestillt. In Kulturkreisen, in denen Kinder solange gestillt werden, "wie sie es selbst wünschen", setzt das Abstillen in der Regel im Alter von 3 bis 4 Jahren von allein ein - ohne Anzeichen von Unzufriedenheit und ohne emotionale Traumata. Mein Interesse an diesen Untersuchungen resultiert auch aus der Feststellung, daß andere Tiere ebenfalls ein "natürliches" Alter zum Abstillen haben, bei Hunden etwa nach 8 Wochen, bei Pferden nach 8 bis 12 Monaten usw. Diese Tiere haben vermutlich keine kulturbedingten Ansichten darüber, zu welchem Zeitpunkt das Abstillen angemessen ist.

U.a. fand ich Folgendes heraus:

Bei der von Holly Smith durchgeführten Untersuchung von 21 Arten tierischer Primaten (Affen und Halbaffen) wurde festgestellt, daß die Nachkommen zur der Zeit abgestillt wurden, als sie die ersten bleibenden Backenzähne bekamen. Dies entspräche beim Menschen einem Alter von 5,5 bis 6,0 Jahren.
Kinderärzte verweisen häufig darauf, daß bei vielen Tierarten die Stilldauer in etwa der Tragzeit entspricht und leiten daraus für den Menschen die Empfehlung ab, daß Mütter nach 9 Monaten abstillen sollten. Es zeigt sich aber, daß dieser Zusammenhang von der Größe der erwachsenen Tiere beeinflußt wird - je größer die erwachsenen Tiere sind, desto länger ist die Stilldauer im Verhältnis zur Tragzeit. Für Schimpansen und Gorillas, also diejenigen Primaten, die der Größe des Menschen am nächsten kommen und ihm auch genetisch am engsten verwandt sind, beträgt das Verhältnis 6:1. Diese Verhältniszahl bedeutet, daß die Nachkommen über eine Dauer gestillt werden, die dem SECHSfachen der Tragzeit entspricht (genauer gesagt, beträgt das Verhältnis für Schimpansen 6,1 und für Gorillas 6,4; der Mensch ordnet sich größenmäßig genau in der Mitte zwischen beiden ein). Für den Menschen würde dies eine Stillzeit von 4,5 Jahren bedeuten (9 Monate Schwangerschaft x 6).
Viele Kinderärzte verweisen darauf, daß die meisten Säugetiere das Stillen einstellen, wenn die Nachkommen ihr Geburtsgewicht verdreifacht haben und leiten daraus für den Menschen die Empfehlung ab, daß Mütter nach 1 Jahr abstillen sollten. Aber auch hier zeigt es sich, daß dieser Zusammenhang vom Körpergewicht abhängig ist; große Tiere stillen solange, bis ihre Jungen das Geburtsgewicht vervierfacht haben. Beim Menschen wird das Vierfache des Geburtsgewichts üblicherweise im Alter zwischen 2,5 und 3,5 Jahren erreicht.
Bei einer der Studien zu Primaten war es so, daß die Jungen entwöhnt wurden, als sie 1/3 des Gewichts der Eltern erreicht hatten. Dies ist beim Menschen im Alter von etwa 5-7 Jahren der Fall.
Ein Vergleich von Entwöhnung und Geschlechtsreife legt für den Menschen nahe, daß die Stillperiode im Alter von 6-7 Jahren endet (etwa die Hälfte der Zeit bis zur vollen Geschlechtsreife).
Untersuchungen haben gezeigt, daß das Immunsystem eines Kindes erst im Alter von etwa 6 Jahren voll ausgereift ist. Es ist allgemein bekannt, daß Muttermilch die Entwicklung des Immunsystems fördert und das Kind, solange die Muttermilch produziert wird, Antikörper der Mutter erhält (bis zu zwei Jahren nach der Geburt; über die Zusammensetzung der Muttermilch zu einem darüber hinausgehenden Zeitpunkt gibt es bisher noch keine Untersuchungen).

usw. usw. Das natürliche Alter zum Abstillen scheint bei einem Mindestalter von 2,5 Jahren und bei einem Höchstalter von 7,0 Jahren zu liegen.

Was die Vorteile einer möglichst langen Stilldauer betrifft, so gibt es vielfältige Untersuchungen, bei denen gestillte Babies mit solchen verglichen werden, die mit der Flasche gefüttert wurden. Dabei untersuchte man die Häufigkeit des Auftretens bestimmter Krankheiten und den erreichten IQ. In jeder der Untersuchungen war bei gestillten Babies das Krankheitsrisiko geringer und der IQ höher als bei Babies, die mit der Flasche ernährt wurden. Bei Untersuchungen, in denen man die gestillten Babies noch danach unterteilte, wie lange sie gestillt wurden, ergaben sich für länger gestillte Babies sowohl in Bezug auf ein niedriges Krankheitsrisiko als auch den IQ bessere Werte als für kürzer gestillte Babies. Mit anderen Worten: Wurden die gestillten Babies entsprechend der Stilldauer in die Kategorien 0-6 Monate, 6-12 Monate, 12-18 Monate und 18-24 Monate und länger aufgeteilt, waren die Ergebnisse der Kategorie 18-24 Monate und länger am besten, gefolgt von den Werten für die Kategorie 12-18 Monate, wiederum gefolgt von der Kategorie 6-12 Monate. Die Kategorie 0-6 Monate schnitt unter den gestillten Babies am schlechtesten ab, erreichte aber immer noch wesentlich bessere Ergebnisse als die Gruppe der mit der Flasche gefütterten Babies. Diese Untersuchungsergebnisse ergaben sich u.a. in Bezug auf Erkrankungen der Verdauungswege und der oberen Luftwege, Multiple Sklerose, Diabetes, und Herzerkrankungen. Ebenso erreichten die am längsten gestillten Babies in IQ-Tests die höchsten Werte. Bemerkenswert ist, daß bei keiner der Untersuchungen Babies betrachtet wurden, die länger als 2 Jahre gestillt worden sind. Diejenigen, die 18-24 Monate und länger gestillt worden waren, bildeten eine große gemeinsame Kategorie. Man kann deshalb nur vermuten, daß die positiven Auswirkungen des Stillens weiter anhalten, denn Ihr Körper "weiß" schließlich nicht, daß Ihr Baby Geburtstag hatte und wird deshalb nicht plötzlich beginnen, nährstofflose und immunologisch wertlose Milch zu produzieren.

Beweise für oder gegen das Fortbestehen der positiven Auswirkungen des Stillens nach dem zweiten Lebensjahr gibt es allerdings nicht, da bisher keine entsprechenden Untersuchungen durchgeführt wurden. Der Entwicklungstrend der ersten 2 Jahre legt aber nahe, daß die Auswirkungen um so positiver ausfallen, je länger man stillt. Natürlich sind die Auswirkungen weniger drastisch - für die Ernährung und die immunologische Entwicklung eines Babies ist das Stillen in den ersten sechs Monaten weitaus wichtiger als im Alter von 3,5 bis 4,0 Jahren. Das heißt aber nicht, daß Sie Ihrem Kind, obwohl es mag und es Sie nicht stört, die Milch nun verweigern sollten. Das wäre, als würde man sagen: "Nun, Mabel, diese Ölquelle wirft nicht mehr viel ab. Früher haben wir 56 Dollar im Monat bekommen, jetzt können wir uns schon glücklich schätzen, wenn wir 25 Dollar im Jahr erhalten. Wir sollten der Ölgesellschaft sagen, sie soll das bißchen Geld auch noch behalten." Mabel würde darauf antworten: "Sei doch nicht albern, Clyde. Mit diesem Scheck können wir immerhin noch für 25 Dollar Lebensmittel kaufen. Wo hast du nur deinen Verstand gelassen?"

Natürlich sind die Babies in den USA nicht den vielen Krankheiten, Parasiten und Wasserverunreinigungen ausgesetzt, wie die Babies der Dritten Welt. Wir haben eine größere Auswahl an Ergänzungsnahrung und können im Allgemeinen auch darauf vertrauen, daß sie unbedenklich ist. Wir können unsere Kinder immunisieren lassen und ihnen wenn nötig bei Infektionen Antibiotika holen. Die Tatsache, daß wir dies alles "können" bedeutet aber nicht, daß das Stillen nicht mehr wichtig wäre. Gestillte Babies sind mit der Flasche gefütterten Babies immer "einen Tick" voraus, auch in einer blitzblank sauberen Umgebung mit einer wundervollen medizinischen Betreuung. Sie erkranken weniger häufig, sind intelligenter und glücklicher. Ein anderer wichtiger Aspekt für das Kleinkind besteht darin, daß es auf diese Art seinen emotionalen Bezug zu einer Person erhalten kann und nicht gezwungen ist, sich einem leblosen Objekt wie etwa einem Teddybären oder einer Decke zuzuwenden. Ich glaube, daß hier die Grundlagen dafür gelegt werden, daß im späteren Leben der Bezug zu einem Menschen wichtiger ist als materielle Dinge. Und das halte ich für eine gute Sache. Auch kann ich es mir gar nicht vorstellen, die Babyjahre zu erleben, ohne diese enge liebevolle Bindung zu dem Kind zu haben, das enorme Veränderungen durchmacht, von denen einige für das Kind sehr frustrierend sind. Ich könnte hier noch endlos fortfahren, möchte es aber an dieser Stelle damit bewenden lassen.

Ich hoffe, daß dieser Beitrag ein wenig hilfreich ist. Eine ausführlichere Darstellung meiner Gedanken zu diesem Thema finden sich im Kapitel "A Time to Wean" ("Zeit der Entwöhnung") in "Breastfeeding: Biocultural Perspectives" (Das Stillen: Biokulturelle Perspektiven"), veröffentlicht von Aldine de Gruyter.

Bearbeitet am 03. August 1995, Erschienen am 10. Februar 1997

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Re: Was ist normal? Wie war das früher?

Antwort von Nachtwölfin am 19.02.2015, 16:51 Uhr

Meine Mutter hat mir erzählt, dass sie mich gerne länger als 4 Wochen gestillt hätte, aber sie war so gestresst, weil ihre Mutter kurz nach meiner Geburt um Krankenhaus lag und sie sich zusätzlich zu den Sorgen und dem ewigen hin- und hergefahre auch noch um den Haushalt meiner Oma kümmern musste. Wer weiß wie lange sie mich sonst gestillt hätte.

Über meine Großmütter weiß ich nichts. Es lebt niemand mehr den man fragen könnte. Gut ich könnte mal meine Eltern und meine Onkel und Tanten fragen. Vielleicht erinnern sich die Älteren noch.

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