Woran erkenne ich ob es nur Gewohnheit ist?

 Biggi Welter Frage an Biggi Welter Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

Frage: Woran erkenne ich ob es nur Gewohnheit ist?

Hallo! Mein Sohn ist 10 Monate alt und stillt noch ca 6x in 24h - vor jedem Schläfchen, abends vor dem Schlafen gehen und nachts. Nachts eigentlich so oft er will, aber ich versuche immer in hinzuhalten und anders zu beruhigen solange es geht. Meine Frage ist nun, woran erkenne ich denn, ob er nur aus Gewohnheit aufwacht und trinken möchte oder ob er tatsächlich noch Nahrung braucht nachts? Manchmal schaffe ich es (mit viel alternativen Beruhigungsmethoden) die Abstände auf 4h zu dehnen, oft sind es nur 2h. Er ist kein großer Esser (Beikost) aber es scheint ihm zu genügen. Er stillt und isst schon immer eher kurz /wenig und oft. Er schläft bei uns im Familienbett. Gesundheit und Entwicklung passen, er ist ein bisschen kleiner und zarter als Durchschnitt, aber das ist einfach er. Danke schon mal für die Antwort LG Bauersfrau

Mitglied inaktiv - 10.07.2017, 06:45



Antwort auf: Woran erkenne ich ob es nur Gewohnheit ist?

Liebe Bauersfrau, der immer wieder verbreitete Gedanke, dass ein Baby ab sechs Monaten (oder einer anderen Altersgrenze) nachts nicht mehr aufwachen darf und nachts keine Nahrung mehr braucht entspringt in keinster Weise dem natürlichen Verhalten und den Bedürfnissen eines Babys oder Kleinkindes, sondern er entstammt dem (verständlichen) Wunsch der Erwachsenen, die gerne ihre Nachtruhe hätten. Eine Studie von Jelliffe und Jelliffe ergab, dass Babys im Alter von 10 Monaten mindestens 25 % ihrer Muttermilchaufnahme nachts zu sich nehmen. Das spricht eindeutig dafür, dass Babys auch nach den ersten sechs Monaten nachts noch hungrig sind. Es kann also gut sein, dass dein Bay tatsächlich schlicht und ergreifend Hunger hat und noch Nahrung braucht. Seit Jahrtausenden und in unzähligen Kulturen ist es so, dass Mütter ihre Babys in den Schlaf stillen. Das Saugen wirkt beruhigend und nicht umsonst wurden im Laufe der Zeit die verschiedensten Brustattrappen (z.B. Schnuller s.o.) erfunden. Von der Natur ist es nicht vorgesehen, dass ein Baby oder Kleinkind allein ist und alleine einschläft. Nur passt dieses „natürliche" Verhalten des Babys nicht in unsere derzeitige Zeitströmung und damit haben wir ein (von uns selbst produziertes) Problem: Babys wissen nicht, was zur Zeit „Mode" ist und benehmen sich so, wie sie es seit Anbeginn der Menschheit getan haben. Es hat seinen Grund, warum stillende Mütter die besten Einschlafhilfen SIND. Beim Saugen an der Brust findet ein Baby das, was es braucht: Trost, Nahrung, Sicherheit. Es liegt vermutlich an einer gewissen neurologischen Unreife, wenn einige Babys das mehr brauchen als andere, und es "verwächst" sich wirklich von alleine!! Ein Baby muss eine gewisse Reife erreichen, um längere Zeit schlafen zu können. Wann dieser Zeitpunkt erreicht wird, ist von Kind zu Kind unterschiedlich. Eine Flasche mit künstlicher Säuglingsnahrung (oder ein Abendbrei) verbessern das Schlafverhalten nicht (das wurde in Studien nachgewiesen). Es gibt nicht wenige Kinder, die dann sogar noch weniger schlafen. Auch wenn das Kind am Tag viel isst, schläft es nicht besser, denn es wacht ja nicht nur wegen dem Hunger auf, sondern sucht Nähe und Geborgenheit! Abgesehen von den umstrittenen Schlaftrainingsprogrammen, die von Stillexperten nahezu einhellig abgelehnt werden, bleibt dir in dieser Zeit nicht viel, als geduldig zu bleiben und sich die Tage und Nächte so einfach wie möglich zu gestalten. Dein Baby braucht also vor allem eines: Zeit zum Reifen. Vielleicht "schenkst" Du ihm einfach noch ein bisschen von dieser Zeit, in der du ihm gestattest, so zu sein, wie es ist. Sehr empfehlenswert ist von Sibylle Lüpold das Buch: "Ich will bei euch schlafen - Ruhige Nächte für Eltern und Kinder." Von ihr ist auch die Broschüre "Kinder brauchen uns auch nachts", in der 20 namhafte Experten wie Dr. William Sears, Prof. Dr. Gerald Hüther und Prof. Dr. Remo Largo gute Argumente liefern , weshalb von der Anwendung eines Schlaftrainings, wie zum Beispiel der Ferber-Methode, abzuraten ist. http://www.fuerkinder.org/files/broschre_kinder_brauchen_uns_auch_nachts_de.pdf Probiere es einfach aus, wie IHR am besten klar kommt, denn DU kennst DEIN Baby am besten und wirst spüren und wissen, wie lange es ohne Milch aushält. Stehe deinem Baby bei und gib ihm Halt und Sicherheit und die Zeit, die es braucht sich an die Umstellung zu gewöhnen. Und wenn Du merkst, dass dein Kind das Stillen noch braucht, dann warte einfach noch ein paar Wochen ab. LLLiebe Grüße Biggi

von Biggi Welter am 10.07.2017