Wieviel stillen ist noch normal....

 Biggi Welter Frage an Biggi Welter Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

Frage: Wieviel stillen ist noch normal....

Hallo liebes Team, es geht mal wieder um mein Töchterlein (2,5 Jahre). Aus den spärlichen Erzählungen anderer LZS habe ich immer raus gehört, dass sich das Stillen irgendwann "ausgeschlichen" hat. Nun, das Gefühl habe ich hier nicht. Sie stillt wirklich, wenn sie kann, extrem viel. Wir haben schon die Regel, dass nur noch zu Hause gestillt wird. Dies funktioniert eigentlich ganz gut, aber zu Hause will sie dann zum Teil alle 15 min, wenn ihr langweilig ist... Sie spielt dann auch mehr, als das sie stillt. Begrüßt z.B. die Brust mit "Hallo" etc. Habt ihr in Eurer Funktion als Stillberater und auch persönlich schon häufig die Erfahrung ermacht, dass Kleinkinder wieder vermehrt stillen wollen, bevor sich der natürliche Abstillprozess fortsetzt? Ich habe in den Ferien mal den Versuch unternommen wirklich nur morgens nach dem Aufstehen und abends zum einschlafen zu stillen. Habe ihr das erklärt mit xyz (unsere Codewort, welches ich hier nicht öffentlich machen möchte) muss jetzt schlafen. Das kleine Fräulein hat das zwar akzeptiert, war daraufhin aber sehr anhänglich und weinerlich, weshalb ich das nun wieder aufgegeben habe. Dazu muss man sagen, dass meine Tochter schon immer das war, was W. Sear ein "high need" Kind nennt. Sie wurde sehr sehr viel getragen und stets nach Bedarf (und damit meine ich auch den emotionalen) gestillt. Die einzige "Intervention" die wir durchgeführt haben, war gemäß Cordon das nächtliche stillen einzuschränken, da sie stündlich wach wurde, tagsüber nur im Tuch mit Bewegung geschlafen hat und ich (wortwörtlich so gemeint) irgendwann zusammen gebrochen bin (inkl. Nasenbeinbruch). Ich genieße es ja prinzipiell schon noch zu stillen, nur das "spielen" ist mir dann doch zu viel und alle 15 min muss sie wirklich nicht mehr "ran". Vielen herzlichen Dank für Eure Einschätzung, T. PS: Entschuldigt bitte diese trivialen Fragen, aber ich bin hier wirklich ein "Alien" mit dem LZS. Kenn nur 1 weitere Person, die bis 2,5 J gestillt hat und da lief es völlig wie im Lehrbuch :-( Niemand hier hat auch nur annähernd ein Kind mit dem "Temperament" meiner Tochter...

von trinity am 08.09.2014, 11:36



Antwort auf: Wieviel stillen ist noch normal....

Liebe trinity, ja, dein Mädel ist wirklich ein High Need Kind und ich kann es gut verstehen, dass Du manchmal am Stock gehst. Stillen ist viel, viel mehr als reine Nahrungsaufnahme. Es ist Trost, Geborgenheit, sicherer Hafen und ein Weg zur Ruhe zu kommen, wenn die Wellen des Alltags so hoch geschlagen sind, dass das Kind keinen Weg mehr weiß, um mit sich selbst und der Umgebung ins Reine zu kommen. Das Stillen bietet in dem Alter der ersten Ablösung wichtige emotionale Hilfe. Dein Kind kann immer wieder den "Heimathafen" ansteuern, wenn etwas beängstigend ist. Wenn es für dich okay ist, dann warte einfach ab, es wird sich von ganz alleine wieder ändern. Es ist nicht so, dass Du immer und ganz fest konsequent bleiben musst beim Abstillen! Es ist nur nicht gut, wenn eine Mutter eigentlich abstillen will und dann nach vielen Tränen doch immer wieder nachgibt. Ist die Mutter innerlich nicht davon überzeugt, dass sie ihr Kind abstillen will, dann ist dieser Zweifel für das Kind sehr deutlich fühlbar und es reagiert in fast allen Fällen so, dass es eher noch häufiger gestillt werden mag. Zweifel und Unsicherheit sind für ein Kind unerträglich, Kinder brauchen Klarheit. Nicht „egal wie ich es mache, es ist falsch" sondern „wenn ich gegen mein Gefühl und gegen das, was ich als richtig empfinde handele, ist es falsch". Deine Tochter spürt jetzt deinen Zwiespalt und da sie sich nicht hinsetzen und sagen kann „Mama, ich spüre, dass Du dir nicht sicher bist, was jetzt das Richtige ist, deshalb werde ich dir jetzt bei deiner Entscheidungsfindung helfen" reagiert sie auf deine Zweifel mit Unruhe, Weinen und Verunsicherung. Sie hat keine anderen Ausdrucksmöglichkeiten als Weinen und (vermehrte) Anhänglichkeit. Babys sind für „geordnete Verhältnisse", Unsicherheit und Zweifel bringen sie aus dem Gleichgewicht. Wichtig ist nun, dass ihr zum einen wirklich miteinander redet und Du deinem Kind klar erklärst und sagst, was Du willst und was Du nicht mehr willst. Zum anderen muss für dein Kind deutlich erkennbar sein, wo deine Grenzen gesetzt sind. Liebevolle Konsequenz ist das Zaubermittel in der Erziehung. Sie wird vermutlich schreien, toben, treten oder dich schlagen wollen. Ist das schlimm? Nein, es ist völlig normal, denn es ist die einzige Art, wie sie in diesem zarten Alter ihren Frust ausdrücken kann. Wie kannst du damit umgehen? Lass es zu. Lass dich nicht verunsichern, denn es geht deinem Baby ja trotzdem gut, es bekommt kein Trauma fürs Leben, wird nicht an deiner Liebe zweifeln. Es ist sauer, und das wird auch wieder vergehen. Bleibe bei ihr und sei du ruhig und klar, so dass sie sich an dir orientieren kann. Vielleicht wirst du sie ein wenig ablenken wollen (falls sie sich ablenken lässt), vielleicht bleibst du auch einfach nur in ihrer Nähe und versicherst ihr, dass alles ok ist, und dass ihr weiter stillen könnt (oder kuscheln), sobald sie sich etwas beruhigt hat. Wenn du konsequent bleibst, wird es klappen. Nur davon hängt es ab: Schaffst DU es... Ich würde mich freuen, wenn Du mir in ein paar Tagen noch einmal schreibst, wie es Euch dann geht. LLLiebe Grüße, Biggi

von Biggi Welter am 08.09.2014