Wie lange kann ich Vollstillen?

 Kristina Wrede Frage an Kristina Wrede Stillberaterin

Frage: Wie lange kann ich Vollstillen?

Liebes Expertenteam, unser 9 Monate alte Sohn wird von mir noch fast voll gestillt. D.h. seit 6. Monat bekommt er Beikost, die er aber nur in kleiner Menge isst-also wird danach noch gestillt. Am Tag morgens und vormittags stillen, Mittag Brei und ggf nachstillen, Nachmittag stillen, abends Abendbrei und später in den Schlaf stillen. Nun frage ich mich, wie es weiter gehen soll?!? Ich weiß, dass es Beikost und nicht Anstattkost heißt, dennoch denke ich, dass so langsam doch mal wenigstens eine Mahlzeit ersetzt sein sollte oder nicht? Denn ich habe hier gelesen, dass in der Regel bei einem 9 Monate alten Baby 2-3 Mahlzeiten eingeführt werden sollten. Egal wie viel Zeit ich zwischen den Mahlzeiten lasse-er isst nicht mehr. Wenn ich dann z.b. nach dem Mittag einfach nicht Stille bzw. eine Stunde oder mehr dazwischen lasse stört es ihn auch nicht. Dann holt er sich die fehlende Milch in der Nacht. An machen Tagen schafft er mal 100 Gramm Brei, dann Stille ich nicht nach. Am nächsten Tag kann es dann sein wenn er genau das gleiche bekommt und ich alles gleich gestalte nimmt er nicht einen Löffel?!? Ich bin ratlos... Ich habe es auch schon mit Fingerfood, Brot, etc. probiert, um ihm möglichst viele Geschmachseindrücke zu ermöglichen,dass mag er gern. Schluckt aber auch hier nur wenig runter,dass noch nachgestillt werden muss. Vom Prinzip stört mich das ganze nicht, denn ich stille Tags wie nachts gern, dennoch bin ich mir sehr unsicher wie ich weiter vorgehen soll. Bisher habe ich immer gedacht, dass ändert sich von ganz allein.Habe mir keinen Druck gemacht, damit er es nicht merkt und das Essen nicht zum "Kampf" wird. Aber wie lange könnte man so weiter machen? Wann fehlen ihm Nährstoffe? Außerdem muss sich sein Magen und das Verdauungssystem ja ganz langsam an andere Nahrung gewöhnen. Ich kann ihn ja nicht ewig so weiter stillen und plötzlich nimmt er am Familienessen teil, oder? Ich freue mich sehr über einen Rat und hoffe ich habe mich verständlich ausgedrückt. Vielen herzlichen Dank im Voraus Franzi

von Franziska27 am 26.03.2015, 19:50



Antwort auf: Wie lange kann ich Vollstillen?

Liebe Franzi, die Frage ist im Grunde nicht, wie lange du das "kannst", sondern wie lange das sinnvoll ist. Wenn sich dein Kind gut entwickelt und gut gedeiht und die Beikost von sich aus weitestgehend ablehnt, dann besteht mit neun Monaten bei einem voll ausgetragenen Kind normalerweise kein Anlass, die Einführung der Beikost erzwingen zu wollen. Gerade bei allergiegefährdeten Kindern wird häufig beobachtet, dass sie die Beikost deutlich länger ablehnen, manche dieser Kinder wollen sogar erst mit etwa einem Jahr etwas anderes als Muttermilch akzeptieren. Biete deinem Kind immer wieder (vielleicht so im Abstand von einer Woche) zwanglos und ohne Druck Beikost an und mach dir nicht all zu große Sorgen. Zu deiner Beruhigung hänge ich dir noch einen Bericht über einen Vortrag des spanischen Kinderarztes Dr. Carlos Gonzales an, der sich ausführlich mit dem Problem der "nicht essenden" Kinder beschäftigt hat. Lieben Gruß, Kristina Mein Kind will nicht essen Vortrag von Dr. Carlos Gonzales auf der LLL-Europa-Konferenz 2000 in Nottingham zusammengefasst von Denise Both, IBCLC Dr. Carlos Gonzales ist Kinderarzt in Barcelona. In den letzten zwölf Jahren hat er Vorträge bei zahlreichen La Leche Liga-Konferenzen gehalten. Er gründete ACPAM (eine katalanische Stillorganisation), organisiert Stillkurse für medizinisches Fachpersonal in ganz Spanien, übersetzte Veröffentlichungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ins spanische und ist Mitglied des Medizinischen Beirates von LLLInternational. Dr. Gonzales ist Vater von drei gestillten Kindern. 1999 hat Dr. Gonzales sein Buch „Mi nino no me come" (Mein Kind will nicht essen) veröffentlicht und mit diesem Thema beschäftigte sich auch sein Vortrag in Nottingham. „Mein Kind isst nicht(s)" - das ist einer der Sätze, mit denen Kinderärzte fast täglich in ihrer Praxis konfrontiert werden. Besorgte Mütter berichten entsetzt, wie wenig ihre Kinder essen und schildern mit welchen Tricks sie versuchen, Nahrung in ihr Baby oder Kleinkind hineinzuzwingen. Der Kampf ums Essen spielt sich täglich ab und letztlich gibt es nur Verlierer. Dr. Gonzales erklärte in seinem Vortrag, dass er nun nicht ein Patentrezept liefern mag, mit dem erreicht wird, dass das Kind isst, sondern er will erklären, warum das Kind nicht isst. Zunächst einmal gibt es drei Gründe, warum ein Kind nicht isst: es gibt nichts zu essen, das Kind hat keinen Hunger oder das Kind ist krank. Der erste Grund ist in unserer Gesellschaft meist auszuschliessen. Ein gesundes Kind isst in der Regel wenn es hungrig ist, allerdings nicht immer das, was die Mutter möchte und schon gar nicht so viel wie es nach den Vorstellungen der Mutter essen müsste. Verwunderlich ist dabei, dass die Kinder noch nicht verhungert sind, obwohl sie laut Aussage der Mütter „nichts" essen. Gestillte Babys lehnen oft feste Nahrung über einen langen Zeitraum ab, nicht selten bis zum Alter von acht Monaten oder gar einem Jahr. Die Mutter verzweifelt und das Kind leidet, weil ständig versucht wird, es zum Essen zu überreden oder gar zu zwingen. Wie kommt es nun dazu, dass (anscheinend) immer mehr Kinder die Nahrungsaufnahme verweigern? Und ist es notwendig ein Kind zum Essen zu zwingen? Dr. Gonzales vergleicht, wie sich die Empfehlungen, wann das Baby feste Nahrung erhalten beziehungsweise wie lange es ausschliesslich gestillt werden sollte, im Verlaufe der letzten 100 Jahre verändert haben. Dann hat er das „Phänomen" der nicht essenden Kinder sowie die Sorge der Mütter, dass Ihre Kinder nicht essen, anhand der diesbezüglich in Kinderpflegebüchern auftretenden Ratschläge beleuchtet und einen erstaunlichen (oder vielleicht doch nicht erstaunlichen) Zusammenhang gefunden: Anfang des 20. Jahrhunderts wurde in spanischen Büchern zur Säuglingspflege eine Zeit von zwölf Monaten mit ausschliesslicher Muttermilchernährung empfohlen. Gleichzeitig findet sich nirgends ein Hinweis in diesen Büchern, wie mit einem Kind zu verfahren sei, das nicht essen will. Je weiter das Jahrhundert fortschreitet, um so jünger sollen die Kinder laut den Empfehlungen der diesbezüglichen Bücher sein und: um so mehr Ratschlage gibt es, was mit einem Kind zu tun sei, das nicht essen will. Wird zu Beginn der dreissiger Jahre noch nur ganz kurz auf dieses Thema eingegangen, so sind 30 Jahre später schon seitenweise Abhandlungen zu finden, was mit einem die Beikost (im Alter von drei bis sechs Monaten) verweigernden Kind zu tun sei und die Seitenzahlen zu diesem Thema werden von Jahr zu Jahr mehr. Wie viel Nahrung braucht ein Kind? Der Nahrungsbedarf eines Kindes hängt ab von seiner Körpergrösse, seiner Aktivität und vom Wachstum des Kindes. Allerdings ist es nicht so, dass das Kind wächst, wenn es isst, sondern umgekehrt, das Kind isst, wenn es wächst. Der Nahrungsbedarf des Kindes lässt sich daher nicht pauschal bestimmen. Am ehesten gelingt dies, wenn das Kind sich in einer Wachstumsphase befindet, dann lässt sich eine Relation zwischen Gewicht des Kindes und erforderlicher Nahrungsmenge herstellen. Ein Kind im Alter zwischen einem und vier Jahren benötigt etwa 1000 bis 1100 kcal pro Tag (das entspricht etwa 102 kcal pro Tag und kg Körpergewicht). Nun gibt Dr. Gonzales an, was ein „nicht essendes Kind" täglich nebenbei zu sich nimmt: 1/2 l Milch (335 kcal), einen Becher Joghurt mit Früchten (141 kcal), einen Schokoriegel (275 kcal) und 150 ml Apfelsaft (85 kcal). Zusammen ergibt das bereits eine Kalorienaufnahme von 836 kcal. Wie soll das Kind dann noch zwei komplette weitere Mahlzeiten essen können, wenn es seinen Kalorienbedarf bereits zu gut 80 Prozent quasi „nebenbei" gedeckt hat? Wie lange kann ein Baby ausschliesslich mit Muttermilch ernährt werden? Die derzeit verbreiteste Empfehlung lautet, dass ein Baby mit sechs Monaten zusätzliche Beikost ergänzend zur Muttermilch benötigt. Nun gibt es aber bekanntermassen viele gestillte Kinder, die zu diesem Zeitpunkt noch keine Beikost akzeptieren. Dr. Gonzales hat deshalb eine Aufstellung gemacht, wie viel Muttermilch (MM) ein Baby im Alter zwischen neun und zwölf Monaten benötigt, um den empfohlenen Bedarf an verschiedenen Nährstoffen zu decken: Energie: 830 kcal = 1185 ml MM Eiweiss: 9,6 g = 910 ml MM Vitamin A: 350 µg = 700 ml MM Vitamin B: 0,4 µg = 412 ml MM Vitamin C: 25 mg = 625 ml MM Diese Angaben zeigen, dass Muttermilch den Bedarf des Kindes an vielen Nährstoffen lange zu decken vermag und nicht unbedingt Eile geboten ist, das Kind zum Essen zu zwingen. Ohnehin sind die Empfehlungen dazu, wie viel ein Baby benötigt meist zu hoch. Die Empfehlungen beruhen beispielsweise darauf, dass untersucht wird, welche Mengen gesunde, reif geborene Babys im Durchschnitt essen. Daraus werden Richtwerte berechnet, die sich immer an den Höchstmengen orientieren und zusätzlich noch Sicherheitszuschläge enthalten. Babys benötigen auch weniger Eisen, als meist angegeben wird. Dabei lässt sich beobachten, dass die meisten Kinder instinktiv das essen, was bei einem Mehrbedarf an Eisen sinnvoll ist. Babys sind Skeptiker, wenn sie neue Lebensmittel essen sollen. Dieses Misstrauen ist ein Schutzmechanismus, der das Kind davor bewahren soll, etwas zu essen, was ihm nicht bekommt. Bevorzugt isst ein Baby das, was auch seine Mutter isst, denn dieser Geschmack ist ihm durch die Muttermilch vertraut. Es ist deshalb nicht erstaunlich, dass ein Baby gekochte Karotten ablehnt, wenn die Mutter nie gekochte Karotten isst. Die meisten Babys mögen kein Gemüse, aber sie essen gerne Bananen, Nudeln und Süssigkeiten. Ein Vergleich der Kaloriendichte ergibt, dass Babys Nahrungsmittel mit einer grösseren Kaloriendichte bevorzugen und Muttermilch liefert mehr Kalorien als Gemüse und die meisten Nahrungsmittel, aus denen Mahlzeiten für Babys hergestellt werden. Um die gleiche Menge an Kalorien, wie sie in 100 ml Muttermilch enthalten sind, durch den Verzehr von Karotten aufzunehmen, müsste das Kind fast 400 g gekochte Karotten essen! Daraus lässt sich ein Zusammenhang zwischen Unterernährung und Nicht-Stillen erklären: da der Magen des Babys klein ist, benötigt es hochkalorische Kost. Gemüse kann nicht in so grossen Mengen gegessen werden, wie es notwendig wäre, um das Kind mit genügend Kalorien zu versorgen. Laut Dr. Gonzales weiss das Kind ganz genau, was und wann es essen muss. Deshalb lautete sein Schlusssatz, den er den Zuhörern mit nach Hause gab: Zwingen Sie ein Kind niemals zum Essen. NIEMALS!

von Kristina Wrede am 27.03.2015



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