Verliert mein Baby das Sättigungsgefühl?

 Biggi Welter Frage an Biggi Welter Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

Frage: Verliert mein Baby das Sättigungsgefühl?

Hallo, Mein Sohn Jack ist knapp 5 Monate alt und wird voll gestillt (juhu :) ). Aktuell ist er ca. 70cm groß und knapp 9kg schwer. Meinen ersten Sohn musste ich nach knapp 4 Monaten Abstillen, daher bin ich so froh, dass es bei Jack noch so gut klappt. Heute waren wir beim Kinderarzt und sie sagte, dass, wenn ich so weiter stille, Jack kein Sättigungsgefühl entwickeln kann. Auch hat er sich schon zu sehr an das Stillen nachts gewöhnt und sollte längere Schlafphasen haben. Mich hat es extrem verunsichert, da mir immer gesagt wurde, dass gestillte Kinder nicht überfüttert werden könnten. Jack kommt Tagsüber alle 2-4 Stunden, nachts allerdings alle 1-2 Stunden (wobei die erste Phase oft 2-3 Stunden lang ist). Ich habe mich mittlerweile dran gewöhnt und er trinkt die Brust richtig leer und spielt nicht nur oder nuckelt und schläft dann auch gleich weiter, daher gehe ich davon aus, dass er Hunger hat und es braucht. Ich habe das Gefühl, das es tagsüber weniger ist, weil er durch Bewegung wie Beine anziehen ect immer Mal spucken muss und die Umwelt viel interessanter ist. Er schläft dann auch locker mal 2-4 Stunden zum Mittag. Ich solle laut Kinderärztin nachts hinhalten (was für mich schon nach Stress für beide klingt!) Oder Wasser geben oder Brei einführen, wobei das kein Garant dafür ist, Das das Kind länger schläft. Ich bin davon nicht wirklich überzeugt und möchte bitte eine zweite Meinung oder Bestärkung in dem was ich mache. Feste Nahrung kommt, solange er kein Interesse daran hat, noch lange nicht in Frage. Liebe Grüße Anja und Jack :)

von JacksMum am 12.07.2017, 10:13



Antwort auf: Verliert mein Baby das Sättigungsgefühl?

Liebe Anja und Jack :), alle Stillexperten sind sich einige, dass Stillen nach Bedarf für Mutter und Kind am besten ist. So wird sichergestellt, dass das Baby die Nahrung, die es braucht, genau dann bekommt, wenn es sie braucht und sich das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage einstellen kann. Während eines Wachstumsschubs kann es durchaus sein, dass ein Baby alle Stunde an die Brust möchte. Es gibt keinen Grund einen Mindestabstand zwischen zwei Stillmahlzeiten einzuhalten. Im Extremfall kann das „Hinhalten" des Babys zu Gedeihstörungen führen. All die Erzählungen von einem bestimmten Rhythmus eines Babys sind schlicht und ergreifend falsch. Muttermilch ist innerhalb von 60 bis 90 Minuten verdaut und der Organismus eines Babys ist auf häufige Mahlzeiten eingestellt. Die Statur der Kinder ist genetisch festgelegt und bei einem Kind das nach Bedarf gestillt wird, ist nicht zu befürchten, dass dadurch der Grundstein für ein späteres Problem mit Übergewicht gelegt wird. Im Gegenteil, Stillen schützt vor Übergewicht. Das heißt jedoch nicht, dass nicht auch ein gestilltes Baby zwischendurch wie ein kleiner Buddha aussehen kann. Im Gegensatz zur (industriell) stark weiterverarbeiteten Nahrung enthält Muttermilch keine leeren Kalorien. Es gibt keinen Beweis dafür, dass ein gestilltes Kind, das rasch zunimmt, als Erwachsener Gewichtsprobleme haben wird. Im Gegenteil es gibt mehrere Untersuchungen, die zeigen, dass Stillen eindeutig vor Übergewicht schützt und dass dieser Schutz nicht nur im Kindesalter sondern auch beim Erwachsenen anhält. Das Fett, das sich in der relativ passiven Phase vor dem Krabbelalter möglicherweise ansammelt, stellt einen Vorrat für die sehr aktive Phase dar, in der das quirlige Krabbelkind keine Zeit zum Essen haben will. Im Alter von ein bis zwei Jahren werden die Kinder, die schnell zugenommen haben, gewöhnlich von alleine schlanker. Gerade Kinder, die nach Bedarf gestillt werden, behalten ein gutes Gefühl dafür, wann sie satt sind, denn sie entscheiden ja selbst, wann und wie viel sie trinken. Also keine Sorge, durch das Stillen nach Bedarf wird sicher nicht den Grundstein für spätere Gewichtsprobleme gelegt. Bitte lass dich nicht verunsichern, Du machst nichts falsch! Auch der immer wieder verbreitete Gedanke, dass ein Baby ab sechs Monaten (oder einer anderen Altersgrenze) nachts nicht mehr aufwachen darf und nachts keine Nahrung mehr braucht entspringt in keinster Weise dem natürlichen Verhalten und den Bedürfnissen eines Babys oder Kleinkindes, sondern er entstammt dem (verständlichen) Wunsch der Erwachsenen, die gerne ihre Nachtruhe hätten. Eine Studie von Jelliffe und Jelliffe ergab, dass Babys im Alter von 10 Monaten mindestens 25 % ihrer Muttermilchaufnahme nachts zu sich nehmen. Das spricht eindeutig dafür, dass Babys auch nach den ersten sechs Monaten nachts noch hungrig sind. Es kann also gut sein, dass dein Bay tatsächlich schlicht und ergreifend Hunger hat und noch Nahrung braucht. Seit Jahrtausenden und in unzähligen Kulturen ist es so, dass Mütter ihre Babys in den Schlaf stillen. Das Saugen wirkt beruhigend und nicht umsonst wurden im Laufe der Zeit die verschiedensten Brustattrappen (z.B. Schnuller s.o.) erfunden. Von der Natur ist es nicht vorgesehen, dass ein Baby oder Kleinkind allein ist und alleine einschläft. Nur passt dieses „natürliche" Verhalten des Babys nicht in unsere derzeitige Zeitströmung und damit haben wir ein (von uns selbst produziertes) Problem: Babys wissen nicht, was zur Zeit „Mode" ist und benehmen sich so, wie sie es seit Anbeginn der Menschheit getan haben. Es hat seinen Grund, warum stillende Mütter die besten Einschlafhilfen SIND. Beim Saugen an der Brust findet ein Baby das, was es braucht: Trost, Nahrung, Sicherheit. Es liegt vermutlich an einer gewissen neurologischen Unreife, wenn einige Babys das mehr brauchen als andere, und es "verwächst" sich wirklich von alleine!! Ein Baby muss eine gewisse Reife erreichen, um längere Zeit schlafen zu können. Wann dieser Zeitpunkt erreicht wird, ist von Kind zu Kind unterschiedlich. Eine Flasche mit künstlicher Säuglingsnahrung (oder ein Abendbrei) verbessern das Schlafverhalten nicht (das wurde in Studien nachgewiesen). Es gibt nicht wenige Kinder, die dann sogar noch weniger schlafen. Auch wenn das Kind am Tag viel isst, schläft es nicht besser, denn es wacht ja nicht nur wegen dem Hunger auf, sondern sucht Nähe und Geborgenheit! Abgesehen von den umstrittenen Schlaftrainingsprogrammen, die von Stillexperten nahezu einhellig abgelehnt werden, bleibt dir in dieser Zeit nicht viel, als geduldig zu bleiben und sich die Tage und Nächte so einfach wie möglich zu gestalten. Dein Baby braucht also vor allem eines: Zeit zum Reifen. Vielleicht "schenkst" Du ihm einfach noch ein bisschen von dieser Zeit, in der du ihm gestattest, so zu sein, wie es ist. Sehr empfehlenswert ist von Sibylle Lüpold das Buch: "Ich will bei euch schlafen - Ruhige Nächte für Eltern und Kinder." Von ihr ist auch die Broschüre "Kinder brauchen uns auch nachts", in der 20 namhafte Experten wie Dr. William Sears, Prof. Dr. Gerald Hüther und Prof. Dr. Remo Largo gute Argumente liefern , weshalb von der Anwendung eines Schlaftrainings, wie zum Beispiel der Ferber-Methode, abzuraten ist. http://www.fuerkinder.org/files/broschre_kinder_brauchen_uns_auch_nachts_de.pdf LLLiebe Grüße Biggi

von Biggi Welter am 12.07.2017



Antwort auf: Verliert mein Baby das Sättigungsgefühl?

Vielen Dank für deine rasche Antwort :) und Danke für deine Bestärkung. Es ist nicht schön, wenn einem so ein schlechtes Gewissen gemacht wird, gerade wenn das Baby in seiner Art und Weise aus dem Rahmen fällt. Also machen wir alles so weiter und warten, bis er dem entwächst. Er schläft bei mir, daher werde ich beim Stillen nie komplett wach und nach unserem Umzug gibt es ein riesiges Familienbett, Das auch dem Großen immer offen steht. Danke und liebe Grüße Anja und Jack :)

von JacksMum am 12.07.2017, 11:50



Antwort auf: Verliert mein Baby das Sättigungsgefühl?

Schön, dass du dich so gut an die anstrengenden Nächte gewöhnen konntest und trotzdem ausgeruht bist! Mach weiter so, du tust deinem Kind Gutes! Stillen ist soviel mehr als "nur" Nahrung. Er wird grösser, reifer und braucht dich eines Tages nachts nicht mehr aber du wirst froh sein, ihm die Zeit gegeben zu haben! Schade, dass es immer noch so viele Fachpersonen gibt, die verunsichern statt bestärken. Vertrau deinem Herz!

von Flowermama am 12.07.2017, 21:31



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