Übergang zum Familientisch/Stillhäufigkeit so "normal"?

 Biggi Welter Frage an Biggi Welter Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

Frage: Übergang zum Familientisch/Stillhäufigkeit so "normal"?

Hallo Biggi, ich lese hier immer mal wieder mit und erhoffe mir hier jetzt Antworten auf meine Situation zu finden. Vielen Dank für die viele Zeit, die Sie hier sicher einbringen. Nun zu meiner Situation. Meine Maus ist jetzt so ziemlich genau 9 Monate alt. Ich habe sie 6 Monate voll gestillt und dann langsasm mit Brei begonnen. Sie "gierte" nämlich nahezu nach Kau- und Essbaren am Tisch. Sie ließ sich von Beginn an nur schlecht bis gar nicht füttern. Von meiner Hebamme, die mich zur Beikost beraten hat, habe ich gehört, dass ich die Mahlzeiten ersetzen soll und wenn sie 150g isst, ich nicht mehr danach stillen soll. An diesem "Punkt" sind wir nie angekommen. Meine Maus isst max. 100g Brei, wenn überhaupt. Zudem finde ich es nicht besonders angenehm, wenn ich daran denke, meiner Tochter die Brust zu "verweigern"? Ich habe deshalb je nach Bedarf immer "nachgestillt". Aber auch die Brust nimmt sie tagsüber schlechter oder nur kurz. Mittlerweile - also seit ca. 2 Wochen - lässt sie sich gar nicht mehr füttern (außer den Abendbrei, da sie da oft sehr hungrig ist, weil sie den halben Tag kaum was gegessen hat). Wir haben daher entschieden, dass sie bei uns vom Tisch mitessen kann (ohne Salz, Zucker, Milchprodukte), was sie auch mit Freude mehr oder weniger tut. Sie kann gut kauen, es ist meist aber eher ein rießengroßes fröhliches Gematsche. Kalte Dinge nimmt sie eher an als das warme Mittagessen. Derzeit sieht unser Tag in etwa so aus: 7 Uhr nach dem Aufstehen - stillen ca. 9-10 Uhr - etwas weiches Obst, evtl. etwas gepufftes Getreide ca. 12-13 Uhr - max. 1/2 Gläschen Mittagsbrei stückig bzw. geeignetes Essen vom Familientisch (da landet sicher seehr wenig im Magen) ca. 13.30 Uhr stillen ca. 15-16 - wieder etwas weiches Obst und Getreide in die Hand ca. 17.30 Abendbrei bzw. Brot mit Butter, Gemüsesticks in die Hand (beste Mahlzeit des Tages :)) Zu den Mahlzeiten trinkt sie danach noch ein paar Mini-Schlucke Wasser aus dem Becher. ca. 18.30-19 Uhr - stillen beim Zubettbringen ca. 22 Uhr stillen + nachts derzeit bis zu 4x weiteres stillen, was mich langsam sehr an meine Grenzen bringt und vor der Beikosteinführung nie so war. Nun meine Fragen: Stille ich noch zu oft, wenn ich zwischendurch öfter noch "nachstille" (meist trinkt sie auch nur kurz)? Wie gesagt, isst sie tagsüber sehr wenig. Ich biete es ihr immer wieder an, aber sie spielt meist eher mit dem Essen. Aber mit großem Interesse, was ja hoffentlich normal ist. Oft ist es aber auch so, dass sie von mittags bis abends kaum was gegessen hat und aber auch nicht wirklich stillen möchte. Das macht mir dann schon Sorgen, da sie ein eher leichteres, wenn auch normales Kind ist vom Gewicht her. Ich biete ihr immer erst das Essen an und stille auch nach dem Essen nicht sofort. Wenn ich aber dann 30 Minuten später merke, sie hat Hunger, dann bekommt sie natürlich die Brust. Ich stille gerne, aber irgendwie bin ich unsicher, ob das alles so passt. Ich hoffe, sie können "rauslesen", wo meine Unsicherheit liegt und mir ein paar Tipps geben. Vielen Dank schonmal

von smarties85 am 24.07.2017, 12:42



Antwort auf: Übergang zum Familientisch/Stillhäufigkeit so "normal"?

Liebe smarties85, das passt wunderbar so! Ich weiß, dass fast überall steht: „zunächst wird die Mittagsmahlzeit ersetzt und im Abstand von etwa vier Wochen ersetzen Sie die nächste Mahlzeit usw". Gleichzeitig wird „eine Mahlzeit" als die Menge definiert, die in ein Gläschen passt und zwar für alle Kinder gleich. Doch dieses Schema, das leider immer noch oftmals propagiert wird verursacht in vielen Fällen nichts weiter als Stress und Tränen. Es ist einfach zu sehr in den Köpfen vieler Menschen verwurzelt, dass eine Stillmahlzeit „ersetzt" werden müsse, dabei stimmt das gar nicht. Schon der Begriff BEI Kost drückt doch aus, dass es sich bei dieser Nahrung um eine ergänzende Nahrung und nicht um einen Ersatz für die Muttermilch handelt. Wäre es ein Ersatz, dass würde es ANSTATT Kost heißen. Die Empfehlung lautet also nicht strikt erst eine komplette Mahlzeit vollständig zu ersetzen, ehe die nächste Mahlzeit ersetzt wird, sondern erst etwa eine Woche abwarten, ehe ein neues Nahrungsmittel eingeführt wird und die Beikost als Ergänzung und nicht als Ersatz für die Muttermilch betrachten. Daher gibt es auch keine festgelegte Zahl für die Stillmahlzeiten, sondern das Kind kann weiterhin nach Bedarf gestillt werden. Im gesamten ersten Lebensjahr sollte Muttermilch das Hauptnahrungsmittel des Kindes sein. Bei der Vorgehensweise, dass langsam als ergänzende Nahrung Beikost angeboten wird, hat die Brust Zeit, sich an die Veränderung zu gewöhnen, das Kind hat ebenfalls mehr Zeit für die Umstellung und die Nährstoffe aus der Beikost können in Zusammenhang mit bei der gleichen Mahlzeit angebotener Muttermilch besser verwertet werden. Man kann eine Faustregel aufstellen, dass ein Baby mit sieben Monaten eine bis zwei zusätzliche Beikostmahlzeiten ergänzend zur Muttermilch bekommt, mit acht Monaten zwei bis drei, mit neun Monaten zwei bis vier, mit zehn Monaten vier und mit zehn bis zwölf Monaten drei bis fünf. Daneben kann und darf es so oft gestillt werden, wie es möchte. Mit sieben bis neun Monaten braucht das Kind noch mindestens drei Milchmahlzeiten, mit zehn bis zwölf Monaten noch mindestens zwei. Wird das Kind ausreichen häufig gestillt, braucht es keine andere Milchnahrung und auch keinen Milchbrei oder Flaschennahrung. Auch das nächtliche Stillen ist nicht außergewöhnlich. Als Eltern glauben und hoffen wir immer auf eine lineare Weiterentwicklung der Fähigkeiten unserer Kinder. Beim Schlafverhalten können wir jedoch nicht davon ausgehen, dass die Entwicklung kontinuierlich verläuft, im Gegenteil, relativ viele Babys schlafen mit zwei Monaten deutlich länger und anhaltender als mit vier oder sechs Monaten. Das Schlafverhalten hängt nicht unbedingt oder nur in extrem geringem Maße von der Ernährung ab. Gerade in der Zeit ab etwa vier bis sechs Monate wachen viele Babys (wieder) vermehrt auf. Dies liegt nicht an der Ernährung des Kindes, sondern ist entwicklungsbedingt. Deshalb ist die Einführung von fester Nahrung oder künstlicher Säuglingsnahrung auch keine Garantie für angenehmere Nächte. Die Kinder beginnen um diesen Zeitraum die Welt sehr konkret zu erleben, sie müssen das am Tag Erlebte in der Nacht verarbeiten, sie lernen neue Fähigkeiten (umdrehen, robben, krabbeln, gezieltes Greifen ...), sie beginnen den Unterschied zwischen fremd und bekannt zu erkennen. All dies ist ungeheuer aufregend und auch anstrengend. Dazu kommt, dass sich die Zähne verstärkt bemerkbar machen, dass vielleicht die erste Erkältung kommt und, und, und ... Der scheinbare Rückschritt im Schlafverhalten ist eigentlich ein Fortschritt, denn er zeigt, dass die Entwicklung des Kindes voranschreitet. Abgesehen von den umstrittenen Schlaftrainingsprogrammen, die von Stillexperten nahezu einhellig abgelehnt werden, bleibt Ihnen in dieser Zeit nicht viel, als geduldig zu bleiben und sich die Tage und Nächte so einfach wie möglich zu gestalten. Sie sollten auch tagsüber versuchen, sich selbst Nischen zu schaffen, die Sie ganz gezielt für Ihre Erholung nutzen. Gönnen Sie sich selbst in dieser anstrengenden Zeit so viel Ruhe wie möglich. Jetzt ist nicht die Zeit für blitzende Fußböden und spiegelnde Fenster. Lassen Sie den Haushalt auf Sparflamme laufen. Wenn die Fenster erst in einem halben Jahr wieder geputzt werden, dann schadet das niemandem und Tiefkühlgemüse ist nicht so schlecht und muss nicht geputzt werden. Nicht alles muss gebügelt werden. Machen Sie den Tragetest. Bügeln Sie etwas und tragen Sie es für zehn Minuten. Das nächste Mal bügeln Sie es nicht und tragen es für zehn Minuten. Dann vergleichen Sie ist der Unterschied nach der kurzen Tragezeit wirklich so deutlich, dass das Bügeln sich gelohnt hat? Viel Bügelarbeit lässt sich sparen, wenn die Wäsche sorgfältig aufgehängt wurde bzw. nicht lange im Trockner liegen bleibt, wenn der Trockner fertig ist. Es ist nicht viel mehr Arbeit, die doppelte Menge von zum Beispiel Nudelsauce zu kochen. Sie können dann eine Hälfte einfrieren und haben damit schnelle eine Mahlzeit, wenn ein Tag mal wieder sehr hektisch war. Nehmen Sie ALLE Hilfe an, die Sie bekommen können. Möglicherweise kann Ihnen auch Ihre Mutter, Schwiegermutter, Schwester oder eine Freundin (selbstverständlich auch das männliche Pendant dazu) etwas unter die Arme greifen. Das können ganz simple Dinge sein z.B. einmal alle Fenster putzen, den Bügelkorb leerbügeln, einige vorgekochte Mahlzeiten für die Tiefkühltruhe, ein Nachmittag Babysitten während Sie in die sich hinlegen, spazierengehen oder sonst etwas für sich tun ... Vielleicht finden Sie einen verantwortungsbewussten Teenager, der gegen geringes Entgelt bereit ist, mit dem Baby zu spielen oder spazieren zu gehen. In dieser Zeit sollten Sie dann aber wirklich entweder schlafen (bzw. ruhen) oder SICH etwas Gutes tun. Außerdem möchte ich Ihnen empfehlen (sofern Sie nicht privat versichert sind), sich von Ihrem Hausarzt krank schreiben und sich eine Haushaltshilfe verschreiben zu lassen (dazu müssen Sie erklären, dass Ihr Mann nicht zuhause bleiben kann und auch sonst niemand in der Familie da ist, der sich um die Versorgung Ihres Kindes [das ist der erforderliche Wortlaut!] kümmern kann. Wenn Sie erst einmal Entlastung im Alltag haben, haben Sie etwas mehr Luft um durchzuschnaufen. Und um sich jedes Mal, wenn auch Ihr Kind ruht, selbst (mit) ins Bett zu legen! Ehrlich gesagt ist DIESER Schritt meist auch recht schnell in Angriff genommen, ein Termin beim Hausarzt reicht, dann ein Anruf bei der Nachbarschaftshilfe, Sozialstation oder Kinderbüro (je nachdem, wer sich bei euch um das Thema "Haushaltshilfe im Krankheitsfall" kümmert). Das "Problem Kind" braucht meist mehr Zeit... Achten Sie auch darauf, dass Sie genügend essen und trinken. Sie müssen keine perfekten Menus kochen und essen, einigermaßen ausgewogen reicht und es darf auch Tiefkühlgemüse statt frischem Gemüse sein (dann sparen Sie sich auch das Schälen und Putzen). Eine hungrige Mutter ist nicht so belastbar. Schauen Sie nach vorne. Die anstrengende Zeit wird vorübergehen. Auch Ihre beiden werden älter und reifer werden und nicht mehr soooo viel Aufmerksamkeit brauchen. Kurz: beschränken Sie viel Dinge auf das absolut Notwendige, so dass Sie auf diese Weise mehr Zeit für sich bekommen. Diese "gewonnene" Zeit können Sie dann dazu nutzen, sich wieder zu erholen, neue Energie zu tanken. Vergessen Sie sich selbst nicht: Gönnen SIE SICH etwas Gutes, dann lassen sich so anstrengende Phasen leichter überstehen. Ich wünsche Ihnen bald wieder ruhigere Zeiten. LLLiebe Grüße Biggi Welter

von Biggi Welter am 24.07.2017



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