Hallo Biggi,
ich habe eine Frage zum Stillen...
Meine Tochter ist jetzt fast 17 Monate alt und hat noch nie durchgeschlafen. Sie wacht nach wie vor alle 1-2 Stunden auf und ich stille sie dann in den Schlaf. So langsam schwinden aber auch bei mir die Kräfte und die Unsicherheit wächst, ob das alles so richtig ist, was ich tue.
Meine Tochter kam nach einer schweren Schwangerschaft durch einen geplanten Kaiserschnitt 4 Wochen zu früh auf die Welt. Dabei wäre ich fast gestorben. Eine Heilpraktikerin sagte mir, dass meine Tochter das gespürt hat und deshalb so auf mich fixiert ist. Daher möchte ich ihr das Stillen eigentlich auch nicht nehmen... Ich habe auch kein Problem damit, alle paar Stunden zu stillen - aber wenn der Abstand in der Nacht bei 1 Stunde liegt, dann wird das schon mit der Zeit recht anstrengend. Vor allem, weil mein Mann mich nicht unterstützen kann - wenn er kommt, dann brüllt sie wie am Spieß...
Wir haben von Anfang an im Familienbett geschlafen - eine Freundin, die ein ähnliches Problem hatte, gab mir den Rat, sie in ein Gitterbett zu legen, damit sie lernt, ohne Brust einzuschlafen...
Ich bin mir einfach nicht sicher, was der richtige Weg ist...
Ich bin für das Stillen nach Bedarf und gegen Schreien lassen... Aber es leuchtet schon ein, dass sie in der Nacht natürlich dann auch nur an der Brust einschlafen kann... Aber wie trenne ich das? Durch das Familienbett kann sie jederzeit aufstehen und läuft rum und will spielen, wenn ich sie nicht stille zum einschlafen...
Vielen Dank im Voraus
Rebekka
von
bienchen0303
am 21.09.2015, 18:15
Antwort auf:
Stillen und Durchschlafen
Liebe Rebekka,
Du kannst jetzt mit vielen Tricks versuchen, die Situation zu verändern, aber es wird nur Stress und Tränen geben, denn dein Kind IST einfach in der Phase, in der es dich so viel braucht.
Die unruhigen Tage und vor allem Nächte sind furchtbar anstrengend, daran kann ich mich auch noch gut erinnern. Trotzdem: Sie sind normal und werden garantiert irgendwann vorbei sein. Wann, kann ich leider nicht sagen. Aber sie gehen wirklich vorbei! Bis dahin kannst du probieren, dir den Alltag so einfach wie möglich zu machen, so dass auch du tagsüber mal ein kurzes Nickerchen machen kannst.
In dieser Zeit verarbeiten Kinder vieles in der Nacht, und brauchen die Bestätigung, dass Mama ganz nah ist, und die beruhigende Milch, noch ziemlich. Es ist kein Rückschritt, wie es scheint, sondern zeigt, dass sich dein Kleines weiter entwickelt!
Seit Jahrtausenden und in unzähligen Kulturen ist es so, dass Mütter ihre Babys in den Schlaf stillen. Das Saugen wirkt beruhigend und nicht umsonst wurden im Laufe der Zeit die verschiedensten Brustattrappen (z.B. Schnuller s.o.) erfunden. Von der Natur ist es nicht vorgesehen, dass ein Baby oder Kleinkind allein ist und alleine einschläft. Nur passt dieses „natürliche" Verhalten des Babys nicht in unsere derzeitige Zeitströmung und damit haben wir ein (von uns selbst produziertes) Problem: Babys wissen nicht, was zur Zeit „Mode" ist und benehmen sich so, wie sie es seit Anbeginn der Menschheit getan haben.
Leider geht der Trend zu immer früherer Anwendung sogenannter Schlaftrainingsprogramme und Eltern von Babys, die sich nicht dieser „Norm" anpassen, wird mehr oder weniger direkt vermittelt, dass sie selbst schuld sind, ja manchmal kommt unterschwellig sogar dazu, dass dies Eltern sich als Versager fühlen sollten.
Ein Baby schläft ohne Brust ein, sobald es reif genug dazu ist. Das bedeutet jetzt aber nicht, dass Du noch die nächsten Jahre damit verbringen musst, dein Baby in den Schlaf zu stillen, wahrscheinlich wird es sogar schneller vorbei sein, als Du es dir jetzt vorstellen kannst.
Ich möchte dir zu diesem Thema das Buch „Schlafen und Wachen ein Elternbuch für
Kindernächte“ von Dr. William Sears empfehlen. Dr. Sears (Professor für Kinderheilkunde) hat
zusammen mit seiner Frau Martha einige Bücher zum Thema Schlaf und Kindererziehung
geschrieben, in die nicht nur sein Wissen als Kinderarzt sondern auch die reichhaltige eigene
Erfahrung als achtfache Eltern eingeflossen sind. In „Schlafen und Wachen“ beschreibt er nicht
nur, warum Kinder so schlafen, wie sie es nun einmal tun und wo sie am besten schlafen, er gibt
auch Tipps wie Eltern und Kinder zu ruhigeren Nächten kommen können. Das Buch ist im
Buchhandel, bei der La Leche Liga und bei jeder LLL Stillberaterin erhältlich.
Sehr empfehlenswert ist auch von Sibylle Lüpold das Buch: "Ich will bei euch schlafen - Ruhige Nächte für Eltern und Kinder." Von ihr ist auch die Broschüre "Kinder brauchen uns auch nachts", in der 20 namhafte Experten wie Dr. William Sears, Prof. Dr. Gerald Hüther und Prof. Dr. Remo Largo gute Argumente liefern , weshalb von der Anwendung eines Schlaftrainings, wie zum Beispiel der Ferber-Methode, abzuraten ist.
http://www.fuerkinder.org/files/broschre_kinder_brauchen_uns_auch_nachts_de.pdf
Statt nun zu versuchen, Euer Kind zu längeren Abständen zu bringen, kannst Du es ja vielleicht mit einem anderen Ansatz versuchen:
• nimm ALLE Hilfe an, die Du bekommen kannst. Erkundige dich mal, ob Du nicht eine Haushaltshilfe bekommen kannst (wegen absoluter und chronischer Erschöpfung). Möglicherweise kann dir auch deine Mutter, Schwiegermutter, Schwester oder eine Freundin (selbstverständlich auch das männliche Pendant dazu) etwas unter die Arme greifen. Das können ganz simple Dinge sein z.B. einmal alle Fenster putzen, deinen Bügelkorb leerbügeln, einige vorgekochte Mahlzeiten für deine Tiefkühltruhe, ein Nachmittag Babysitten während Du in die Sauna gehst oder sonst etwas für dich tust ...
• Vielleicht findest einen verantwortungsbewussten Teenager, der gegen geringes Entgelt bereit ist, mit deinem Kind spazieren zu gehen. In dieser Zeit solltest Du dann aber wirklich entweder schlafen (bzw. ruhen) oder DIR etwas Gutes tun.
• Lass den Haushalt auf Sparflamme laufen. Nicht alles muss gebügelt werden. Wenn Handtücher nach dem Baden und Duschen wieder aufgehängt werden, statt auf dem Fußboden zu landen, können sie mehrmals benutzt werden, das spart Wäsche. Es ist nicht wesentlich mehr Arbeit die doppelte Menge Spaghettisoße zu kochen, aber Du hast dann eine fast fertige Mahlzeit für die Tiefkühltruhe. Es schadet nicht der Gesundheit der Familie, wenn Du die Fenster erst wieder im nächsten Jahr putzt. Du wirst sicher einiges finden, was im Haushalt nicht so perfekt gemacht werden muss.
• Achte darauf, dass Du genügend isst und trinkst. Du musst keine perfekten Menus kochen und essen, einigermaßen ausgewogen reicht und es darf auch Tiefkühlgemüse statt frischem Gemüse sein (dann sparst Du dir auch das Schälen und Putzen). Eine hungrige Mutter ist nicht so belastbar.
• Eine Möglichkeit für die Nacht ist es, dass statt dir dein Partner die Nachtschicht bzw. das zu Bett bringen zum Teil übernimmt. Also nicht Du wendest dich jedes Mal dem Kind zu, sondern ihr wechselt euch ab und da ein Mann keine Brust zum Stillen hat, wird er euer Kind auf andere Weise beruhigen müssen. Das Verändern von Ritualen kann helfen.
• Schau nach vorne. Die anstrengende Zeit wird vorübergehen. Auch dein Kind wird älter und reifer werden und nicht mehr soooo viel Aufmerksamkeit brauchen.
Kurz: beschränke viel Dinge auf das absolut Notwendige, so dass Du auf diese Weise mehr Zeit für dich bekommst. Diese „gewonnene" Zeit kannst Du dann dazu nutzen, dich wieder zu erholen, neue Energie zu tanken und auch zu einem ruhigen Gespräch und Nähe mit deinem Mann.
Vergiss dich selbst nicht: Gönne dir etwas Gutes, dann lassen sich so anstrengende Phasen leichter überstehen.
LLLiebe Grüße
Biggi
von
Biggi Welter
am 21.09.2015