Hallo liebes Hebammenteam,
mein Tim wird morgen 9 Monate alt und wiegt ca. 9,3 kg. Er ist ein Sonnenschein und spielt und dreht sich wie ein Großer. Ich stille morgens und abends zum Einschlafen. Manchmal auch unterm Tag, wenn ich das Gefühl habe er verlangt danach. Vormittags bekommt Tim als Zwischenmahlzeit einen Getreideobstbrei, mittags einen Gemüse/Kartoffel- und 2 x in der Woche Fleischbrei, danach ein paar Löffel Obst, wenn er noch Hunger hat. Nachmittags isst er einen Obstbrei als Zwischenmahlzeit und abends nochmal einen Getreideobstbrei, da ich ja zum Schlafengehen stille (mische Brei mit Obst, da ich sonst abpumpen müsste und dafür lieber zum Schlafengehen stillle). Sein Papa wickelt ihn abends und zieht ihm den Schlafanzug an (Abendritual). Seit ein paar Wochen wird Tim nun um ca. 23:00, 02:00, 05:00 wach und will ein bisschen an meiner Brust nuckeln. Manchmal trinkt er recht gut und manchmal nur kurze Zeit. Er schläft meistens wieder seelenruhig ein - bis zum nächsten Wachwerden. Ich will auf keinen Fall abstillen und die Flasche füttern. Habe versucht, ihm nachts Wasser aus der Flasche zu geben, anstatt die Brust - keine Chance.
Nun meine Fragen:
* Was kann ich anders machen, damit er durchschläft?
* Ist es schlecht, dass er häufig nur die Vormilch bekommt ( will nicht das er übergewichtig wird)
* Wir spielen abends recht häufig ausgelassen, da sein Papa erst um 18:00 von der Arbeit kommt - ist das auch schlecht?
* Kann es sein, dass er einfach die Nähe zu mir in der Nacht braucht und deshalb nuckeln will?
Herzlichen Dank
Julia mit Tim :-)
von
Julia02031982
am 13.06.2016, 19:55
Antwort auf:
Stillen in der Nacht
Liebe Julia,
der immer wieder verbreitete Gedanke, dass ein Baby ab sechs Monaten (oder einer anderen Altersgrenze) nachts nicht mehr aufwachen darf und nachts keine Nahrung mehr braucht entspringt in keinster Weise dem natürlichen Verhalten und den Bedürfnissen eines Babys oder Kleinkindes, sondern er entstammt dem (verständlichen) Wunsch der Erwachsenen, die gerne ihre Nachtruhe hätten.
Eine Studie von Jelliffe und Jelliffe ergab, dass Babys im Alter von 10 Monaten mindestens 25 % ihrer Muttermilchaufnahme nachts zu sich nehmen. Das spricht eindeutig dafür, dass Babys auch nach den ersten sechs Monaten nachts noch hungrig sind.
Es gibt Kinder, die nachts keine Nahrung mehr brauchen, aber es gibt eben auch sehr viele Kinder, die auch mit 12 Monaten noch nicht so weit sind.
Leider hilft das Abstillen überhaupt nicht, dein Kind würde trotzdem aufwachen und Du musst es dann auf andere Weise beruhigen und herumtragen oder Flasche kochen.
Seit Jahrtausenden und in unzähligen Kulturen ist es so, dass Mütter ihre Babys in den Schlaf stillen. Das Saugen wirkt beruhigend und nicht umsonst wurden im Laufe der Zeit die verschiedensten Brustattrappen (z.B. Schnuller s.o.) erfunden. Von der Natur ist es nicht vorgesehen, dass ein Baby oder Kleinkind allein ist und alleine einschläft. Nur passt dieses „natürliche" Verhalten des Babys nicht in unsere derzeitige Zeitströmung und damit haben wir ein (von uns selbst produziertes) Problem: Babys wissen nicht, was zur Zeit „Mode" ist und benehmen sich so, wie sie es seit Anbeginn der Menschheit getan haben.
Es hat seinen Grund, warum stillende Mütter die besten Einschlafhilfen SIND. Beim Saugen an der Brust findet ein Baby das, was es braucht: Trost, Nahrung, Sicherheit. Es liegt vermutlich an einer gewissen neurologischen Unreife, wenn einige Babys das mehr brauchen als andere, und es "verwächst" sich wirklich von alleine!!
Die Kinder beginnen um diesen Zeitraum die Welt sehr konkret zu erleben, sie müssen das am Tag Erlebte in der Nacht verarbeiten, sie lernen neue Fähigkeiten (umdrehen, robben, krabbeln, gezieltes Greifen ...), sie beginnen den Unterschied zwischen fremd und bekannt zu erkennen. All dies ist ungeheuer aufregend und auch anstrengend. Dazu kommt, dass sich die Zähne verstärkt bemerkbar machen, dass vielleicht die erste Erkältung kommt und, und, und ...
Ein Baby muss eine gewisse Reife erreichen, um längere Zeit schlafen zu können. Wann dieser Zeitpunkt erreicht wird, ist von Kind zu Kind unterschiedlich. Eine Flasche mit künstlicher
Säuglingsnahrung (oder ein Abendbrei) verbessern das Schlafverhalten nicht (das wurde in
Studien nachgewiesen). Es gibt nicht wenige Kinder, die dann sogar noch weniger schlafen. Auch wenn das Kind am Tag viel isst, schläft es nicht besser, denn es wacht ja nicht nur wegen dem Hunger auf, sondern sucht Nähe und Geborgenheit!
Abgesehen von den umstrittenen Schlaftrainingsprogrammen, die von Stillexperten nahezu einhellig abgelehnt werden, bleibt dir in dieser Zeit nicht viel, als geduldig zu bleiben und sich die Tage und Nächte so einfach wie möglich zu gestalten.
Dein Baby braucht also vor allem eines: Zeit zum Reifen. Vielleicht "schenkst" Du ihm einfach noch ein bisschen von dieser Zeit, in der du ihm gestattest, so zu sein, wie es ist. Du machst nichts falsch!
Die unruhigen Nächte sind furchtbar anstrengend, daran kann ich mich auch noch gut erinnern. Trotzdem: Sie sind normal und werden garantiert irgendwann vorbei sein. Wann, kann ich leider nicht sagen. Aber sie gehen wirklich vorbei! Bis dahin kannst du probieren, dir den Alltag so einfach wie möglich zu machen, so dass auch du tagsüber mal ein kurzes Nickerchen machen kannst.
Sehr empfehlenswert ist von Sibylle Lüpold das Buch: "Ich will bei euch schlafen - Ruhige Nächte für Eltern und Kinder." Von ihr ist auch die Broschüre "Kinder brauchen uns auch nachts", in der 20 namhafte Experten wie Dr. William Sears, Prof. Dr. Gerald Hüther und Prof. Dr. Remo Largo gute Argumente liefern , weshalb von der Anwendung eines Schlaftrainings, wie zum Beispiel der Ferber-Methode, abzuraten ist.
http://www.fuerkinder.org/files/broschre_kinder_brauchen_uns_auch_nachts_de.pdf
LLLiebe Grüße
Biggi
von
Biggi Welter
am 13.06.2016