Stillen eines 1-jährigen Kindes und Loslösung

 Biggi Welter Frage an Biggi Welter Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

Frage: Stillen eines 1-jährigen Kindes und Loslösung

Liebe Biggi, ich habe einen 15Monate alten Sohn, den ich immer noch stille: derzeit mehrmals nachts und zum Einschlafen mittags und abends. Benni ist leider über einen Notkaiserschnitt unter Vollnarkose auf die Welt gekommen und war m.E. entsprechend "traumatisiert". Er hat viel geweint und kam kaum zur Ruhe. Mein Mann und ich haben ihn viel getragen, so schlief er tagsüber grds im Tragetuch, später in meinem Arm, nachts die erste Zeit auf dem Bauch meines Mannes. AUch jetzt schläft Benni noch im Familienbett und mittags lege ich mich bei ihm hin, wenn er danach verlangt. Benni wurde von mir die ersten 6 Monate voll gestillt, danach Beikosteinführung. Leider ging es mir nach der Geburt auch nicht gut, ich musste die Geburt auch erst noch verarbeiten, und war schnell ausgelaugt und überfordert. Zum Glück war dann immer mein Mann zur Stelle, um sich dann um unseren Sohn zu kümmern. Benni hat sich zu einem fröhlichen neugieren Sohn entwickelt. Er ist welt- und menschenoffen und tagsüber :-) total pflegeleicht, kann sich schon seit längerer Zeit auch gut allein beschäftigen. Nun zu meiner Frage: ich habe schon mehrfach gelesen, dass das STillen über das erste Lebensjahr hinaus das Loslösungsbetreben des Kindes von der Mutter weg behindern könne, da das Kind nur über die Brust beruhigt wird und nichts anderes kennenlernt. Nach wie vor möchte ich Benni nicht schreien lassen und auf seine Bedürfnisse eingehen. Vor ein paar Wochen waren Benni und ich schon so weit, dass ich ihn nachts zwischenzeitlich ohne Brust beruhigen konnte, indem ich seinen Rücken gekrault hatte. AKtuell klappt das nicht mehr, er verlangt vehement nach der Brust und ich gewähre ihm diese dann auch. Mein Mann kümmert sich trotz Vollzeitjob immer noch sehr um Benni. Tagsüber lässt sich Benni auch von ihm beruhigen und verlangt zwischenzeitlich auch nach Trotz durch meinen Mann. Dennoch bin ich unsicher, ob ich durch das weitere Stillen etwas falsch machen könnte. Meine größte Sorge ist, dass er seelische Blockaden bekommen könnte (die Angst rührt aus meiner eigenen Kindheitserfahrung heraus) und so möchte ich so gut es geht alles richtig machen. Gibt es aus deiner Sicht Erfahrungen, die du mir mit auf dem Weg geben könntest? Beobachtungen an anderen Kindern, die länger gestillt wurden? Leider scheint es in unserer Gesellschaft auch immer noch etwas verpönt zu sein, wenn man über das erste Lebensjahr hinaus stillt. So schlafen z.B. andere Kinder in seinem ALter bereits mal bei den Großeltern, das ist für uns noch gar kein Thema. Vielen Dank im voraus!!

von sweetyjessi am 15.07.2015, 21:51



Antwort auf: Stillen eines 1-jährigen Kindes und Loslösung

Liebe sweetyjessi, Stillen ist viel, viel mehr als reine Nahrungsaufnahme. Es ist Trost, Geborgenheit, sicherer Hafen und ein Weg zur Ruhe zu kommen, wenn die Wellen des Alltags so hoch geschlagen sind, dass das Kind keinen Weg mehr weiß, um mit sich selbst und der Umgebung ins Reine zu kommen. Leider verstehen manche Menschen (vor allem diejenigen, die selbst nicht oder nur sehr kurz gestillt haben) nicht, dass Stillen all das, was ich oben beschrieben habe und noch viel mehr bedeutet. Sie erkennen nicht, dass ein entsetztes, wütendes oder verletztes Kind an der Brust wieder den Weg zu sich selbst zurück findet und dabei auch noch sein Gesicht wahren kann. Es wird von der Mutter nicht bloßgestellt, sondern angenommen und kann sich in der sicheren Geborgenheit des Stillens wieder erholen und beruhigen. Sicherlich kommt es manchmal zu Konflikten, wenn die Mutter nicht stillen mag, aber das passiert in diesem Alter ständig und nicht nur beim Stillen ;-). Der Einstellung, dass das Langzeitstillen die Loslösung beeinträchtige oder ein Problem in Hinblick auf die Theorie des Übergangsobjektes darstellt, ist keineswegs bewiesen. Dieser Vorstellung liegt eine Hypothese zugrunde, für die es keinen Beweis gibt. Diese Überlegungen beruhen auf Beobachtungen in einer bestimmten Bevölkerungsgruppe die vor langer Zeit gemacht wurden. Dem Stillen oder gar dem längeren Stillen wurde dabei überhaupt keine Aufmerksamkeit entgegengebracht (wohl auch, weil kaum bzw. nicht lange gestillt wurde). Die Praxis zeigt jedenfalls, dass langzeitgestillte Kinder nicht unselbständiger sind als kurz oder gar nicht gestillte Kinder und auch keine vermehrten Probleme mit der Loslösung haben, im Gegenteil: Oft haben sie ein so starkes Vertrauen in sich und die Welt, dass sie recht forsch die Welt entdecken wollen. Außerdem spricht gegen diese Theorie, dass es dann weltweit gesehen sehr viele Kinder Probleme mit der Selbstregulation haben müssten, denn es gibt ja nun mal viele Kulturen, in denen das lange Stillen deutlich über das Babyalter hinaus üblich ist und es gibt Kulturen, in denen keine Übergangsobjekte bekannt sind. Das lange Stillen führt definitiv nicht zu einer verspäteten Loslösungsphase. LLLiebe Grüße, Biggi

von Biggi Welter am 15.07.2015



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