Hallo Biggi,
wie so viele war ich bisher stille Leserin, was mir schon sehr geholfen hat. vielen Dank dafür.
Nun habe ich selbst folgende Frage:
Unsere Tochter ist 15 Monate und wird abends noch in den Schlaf gestillt.
Nachts wacht sie zwischen ein und drei Mal auf (je nachdem ob gerade Zähne bekommen oder nicht).
Tagsüber schläft sie mit ein bisschen Tragen oder im Kinderwagen ein (momentan schläft sie noch zwei Mal, manchmal auch nur ein mal).
Allerdings versucht mein Mann, der im Moment zu Hause ist, sie auch im Bettchen einschlafen zu lassen. (ich arbeite wieder 30 Stunden, seit sie 13 Monate ist) Dabei weint sie, schläft dann im besten Fall nach aber ca 10 Minuten ein. Wenn das nicht klappt, nimmt er sie hoch. Wir sind dabei aber noch nicht ganz konsequent, dass wir es immer mit dem Bettchen versuchen, einen Schlaf macht sie auch meist im Kinderwagen.
Nun waren wir heute bei unserer Hebamme, weil wir wissen wollten, ob man das Einschlafstillen sanft abgewöhnen kann. Sie sagte dass man das nur ganz konsequent, quasi radikal, machen kann. Also nicht so, dass man sie nur kurz trinken lässt und dann abdockt, sondern komplett ohne Stillen ins Bett bringen. Ist das wirklich so?
Und als zweite Frage:
Etwas erschrocken hat mich ihre Aussage, dass man, wenn man das mit dem Einschlafstillen weiter macht, man eine Schlafstörung anerziehen würde. Ist es wirklich so? Wie ist denn der natürliche Weg, wenn die Kinder sich mit ungefähr zwei Jahren selbst abstillen? Geht das nicht auch irgendwann in der Nacht von selbst?
Als sie ca ein Jahr war, hat sie nur einmal in der Nacht getrunken und sich auch so selbst abgedockt und ist selbst in ihr Bettchen (an unserem dran) gerollt. Da hatte ich schon den Eindruck, dass sie sozusagen selbstständiger wird.
In zwei Wochen fängt die Kita Eingewöhnung an und die Hebamme sagte uns, dass sie dann wahrscheinlich wieder öfter trinken wird.
Nun frage ich mich, ob man die Entwöhnung vorher noch machen soll? Angeblich wird es immer schwerer, je länger man wartet…?
Sie merken, ich bin hin und her gerissen und die Hebamme sagte, ich soll aufpassen, dass ich mein „Nicht loslassen wollen“ nicht meine Tochter ausbaden lasse.
Was ich auf alle Fälle gern beibehalten möchte, ist ein Stillen nach dem Abendbrot, so ca. eine halbe Stunde vor dem ins Bett gehen und ggf. morgens früh. Ich will ihr gerade in der ersten Kitazeit noch Entspannung und Immunstärke mitgeben. (Nuckel hat sie nie genommen)
Vielen lieben Dank,
Else
von
else82
am 17.07.2017, 12:22
Antwort auf:
Kann zu langes Einschlafstillen zu Schlafstörungen führen?
Liebe Else,
es gibt keinen Grund, dass Du etwas daran ändern musst, dass Du dein Baby nach Bedarf stillst und auch in den Schlaf stillst, es sei denn DICH persönlich stört
etwas daran. Auch die immer wieder geäußerten Argumente, das Baby würde auf diese Weise
verwöhnt oder es würde so nie lernen alleine einzuschlafen bzw. nie wieder aus dem Elternbett
ausziehen, sind nicht stichhaltig. Babys in diesem Alter können noch nicht verwöhnt werden
und Kinder, die sich den Platz im Elternbett nicht erkämpfen oder ertrotzen mussten, ziehen
von selbst aus dem Elternbett aus, sobald sie reif genug dafür sind. Im Gegensatz dazu wollen
viele Kinder, die als Babys alleine schlafen mussten noch lange ins Elternbett, weil ihr Bedürfnis
(noch) nicht gestillt wurde. Sobald ein Baby die nötige Reife hat, lernt es alleine (ein)zuschlafen
und wird auch längere Schlafphasen haben.
Dein Kind wird von ganz alleine lernen, alleine einzuschlafen, ohne Druck und ohne Brüllen.
Genauso wie Du es beschreibst, machen es Mütter seit Urzeiten mit ihren Babys und es hat
noch nie einem Baby geschadet.
Seit Jahrtausenden und in unzähligen Kulturen ist es so, dass Mütter ihre Babys in den Schlaf stillen. Das Saugen wirkt beruhigend und nicht umsonst wurden im Laufe der Zeit die verschiedensten Brustattrappen (z.B. Schnuller s.o.) erfunden. Von der Natur ist es nicht vorgesehen, dass ein Baby oder Kleinkind allein ist und alleine einschläft. Nur passt dieses „natürliche" Verhalten des Babys nicht in unsere derzeitige Zeitströmung und damit haben wir ein (von uns selbst produziertes) Problem: Babys wissen nicht, was zur Zeit „Mode" ist und benehmen sich so, wie sie es seit Anbeginn der Menschheit getan haben.
Es hat seinen Grund, warum stillende Mütter die besten Einschlafhilfen SIND. Beim Saugen an der Brust findet ein Baby das, was es braucht: Trost, Nahrung, Sicherheit. Es liegt vermutlich an einer gewissen neurologischen Unreife, wenn einige Babys das mehr brauchen als andere, und es "verwächst" sich wirklich von alleine!!
Gerade jetzt ist es wichtig, dass zu Hause nicht auch noch Veränderungen kommen, dein Kind braucht Sicherheit!
Es ist immer gut, sich auch seine eigenen Gedanken zu machen und aufs Mutterherz zu hören... tatsächlich macht es keinen Sinn, dein Baby abzustillen, denn es tut ihm wirklich gut, in der Zeit, die ihr zusammen seid, "Normalität" tanken zu können.
Leider lässt uns unser Alltag wirklich wenig Alternativen, und für viele kleine Kinder ist die intensive Fremdbetreuung und das Leben in der Gruppe einfach eine riesige Herausforderung.
Ich bedauere es sehr, dass manche Experten Mütter so verunsichern und irgendwelche Empfehlungen aussprechen, die nur ihre eigene Meinung spiegeln :-(.
Weißt du, was ich auch erschreckend finde: Dass wir Mütter uns immer so schnell verunsichern lassen. Und das meist noch von Leuten, die manchmal sogar überhaupt keine eigene Erfahrung vorweisen können, sondern nur aus dem Vorurteil heraus!
Es ist ja nicht so, dass dein Kind auf einmal keine Nähe mehr braucht, wenn es abgestillt ist, im Gegenteil, es wird das Kuscheln noch viel mehr einfordern.
Dein Kind muss sich jetzt daran gewöhnen, dass es nur bei dir an die Brust darf und das WIRD es auch lernen, wenn die Betreuerinnen liebevoll und konsequent sind, aber das erreichen sie nicht damit, dass Du abstillst.
Der Einstellung, dass das Langzeitstillen die Loslösung beeinträchtige oder ein Problem in Hinblick auf die Theorie des Übergangsobjektes darstellt, ist keineswegs bewiesen. Dieser Vorstellung liegt eine Hypothese zugrunde, für die es keinen Beweis gibt. Diese Überlegungen beruhen auf Beobachtungen in einer bestimmten Bevölkerungsgruppe die vor langer Zeit gemacht wurden. Dem Stillen oder gar dem längeren Stillen wurde dabei überhaupt keine Aufmerksamkeit entgegengebracht (wohl auch, weil kaum bzw. nicht lange gestillt wurde).
Die Praxis zeigt jedenfalls, dass langzeitgestillte Kinder nicht unselbständiger sind als kurz oder gar nicht gestillte Kinder und auch keine vermehrten Probleme mit der Loslösung haben, im Gegenteil: Oft haben sie ein so starkes Vertrauen in sich und die Welt, dass sie recht forsch die Welt entdecken wollen. Außerdem spricht gegen diese Theorie, dass es dann weltweit gesehen sehr viele Kinder Probleme mit der Selbstregulation haben müssten, denn es gibt ja nun mal viele Kulturen, in denen das lange Stillen deutlich über das Babyalter hinaus üblich ist und es gibt Kulturen, in denen keine Übergangsobjekte bekannt sind.
Das lange Stillen führt definitiv nicht zu einer verspäteten Loslösungsphase, lass dich da bloß nicht verunsichern!
Ganz liebe Grüße
Biggi
von
Biggi Welter
am 17.07.2017
Antwort auf:
Kann zu langes Einschlafstillen zu Schlafstörungen führen?
Hallo Biggi,
vielen Dank für deine schnelle Antwort!
Eine Nachfrage habe ich noch:
Hast du etwas von Schlafstörungen durch nächtliches Stillen bei so "alten" Kinder gehört? Meine Hebamme meinte, dass sie durch das Aufwachen gegen Eins und Vier nicht die benötigte Tiefschlafphase erreichen würde.
Durch das Stillen als Ein- und Wiedereinschlafhilfe würde eine Schlafstörung anerzogen.
Wissen vielleicht deine Kollegen, die Kinderärzte hier im Forum auch etwas darüber?
vielen Dank,
Else
von
else82
am 17.07.2017, 17:37
Antwort auf:
Kann zu langes Einschlafstillen zu Schlafstörungen führen?
Liebe Else,
es ist bei den Meinungen rund um das Thema Schlaf nicht anders als bei anderen Themen: es gibt immer unterschiedliche Meinungen.
Du kannst hier alle Experten fragen und jeder vertritt seine Meinung - Du musst dir DEINE bilden :-).
Die meisten Mütter haben durchaus noch ein Gefühl dafür, was ihre Kinder brauchen und schaffen es, trotz aller Ratschläge von außen, doch ihrem Gefühl zu folgen. Einige Frauen haben zwar noch das Gefühl, dass ihr Kind Bedürfnisse hat, die gestillt (ist es nicht interessant, dass hier von „stillen" gesprochen wird) werden müssen, sind aber so verunsichert, dass sie gegen ihre innere Stimme handeln.
Kinder haben ganz andere Schlafmuster als wir Großen, und sie verändern sich auch ständig im Zuge ihrer Entwicklung. Mal schlafen sie super, mal wachen sie beim kleinsten Geräusch auf, mal lassen sie Mama nicht mehr los, mal ist es ihnen absolut egal, wo sie liegen. Alles ist normal, und ihr könnt euch darauf verlassen, dass euer Kind WEISS, was es braucht. Säuglinge sind keine dummen, leeren Wesen, sie sind intelligent und haben Instinkte, die ihnen beim Überleben helfen. Aber diese Instinkte wissen nicht, dass wir in modernen Zeiten leben, darum reagieren sie noch wie in Zeiten, wo die Trennung von der Mutter bedeutete, dass sie von wilden Tieren gefressen werden könnten. Und solange die Brust im Mund ist hat das Kleine die Gewissheit, dass Mama da ist. Darum ist es wirklich absolut normal und die Tiefschafphasen kommen von ganz alleine.
Sehr empfehlenswert ist von Sibylle Lüpold das Buch: "Ich will bei euch schlafen - Ruhige Nächte für Eltern und Kinder." Von ihr ist auch die Broschüre "Kinder brauchen uns auch nachts", in der 20 namhafte Experten wie Dr. William Sears, Prof. Dr. Gerald Hüther und Prof. Dr. Remo Largo gute Argumente liefern , weshalb von der Anwendung eines Schlaftrainings, wie zum Beispiel der Ferber-Methode, abzuraten ist.
http://www.fuerkinder.org/files/broschre_kinder_brauchen_uns_auch_nachts_de.pdf
LLLiebe Grüße
Biggi
von
Biggi Welter
am 17.07.2017