Ich mag nicht mehr, aber wie soll ich vorgehen?

 Biggi Welter Frage an Biggi Welter Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

Frage: Ich mag nicht mehr, aber wie soll ich vorgehen?

Hallo Biggi&Kristina, Ich habe eine 14 Monate alte Tochter, die immer noch viel gestillt wird. Auf Brei hatte sie nie Lust und so gab es Blw, was auch gut klappte. Sie kann jetzt alles essen. Aber ich darf sie nicht füttern, sondern sie möchte selber mit Löffel oder Gabel essen, was auch gut klappt. Sie ist sowieso ein sehr eigenwilliges kleines Mädchen. Sie hat zudem ganz extreme Schlafpobleme (wird seid ihrer 12. Lebenswoche mindestens stündlich, meist öfter wach). Aus diesem Grund möchte ich sie nachts eigentlich gar nicht unbedingt abstillen, weil ich nicht sicher bin, ob das mit dem Stillen zusammenhängt. Sie nachts zu tragen, kommt für mich nicht in Frage, ich muss es mir da so leicht wie möglich machen, bin eh schon total fertig. Also, ich möchte sie aber mindestens tagsüber abstillen. Mittlerweile will sie nämlich stündlich an die Brust, auch am Tag. Es war schon immer so, dass sie nie mehr als (bestenfalls) ein paar Löffel isst. Es ist noch keine Mahlzeit ersetzt, sie wurde immer nach Bedarf gestillt. Sie isst an sich ja gerne und will immer bei uns mitessen, aber nur minimale Mengen. So kommt das Abstillen ja leider nicht von alleine (was ich mir gewünscht hätte). Aber ich mag jetzt auch einfach nicht mehr, ich bin müde und ausgelaugt und ich möchte kein Kleinkind mehr stündlich oder öfter an der Brust haben. Was kann ich tun? Wie am besten vorgehen? Wenn ich ihr damals mal Fertigmilch abgeboten hatte (in den Zeiten, in denen ich dachte, ich komm bald um vor Schlafmangel), hat sie nicht einen Schluck getrunken. Ich glaube auch jetzt nicht, dass sie eine andere Milch trinkt. Sie wird doch bestimmt von Muttermilch auch nicht mehr wirlich satt? Kommt vielleicht deswegen so oft? Aber warum isst sie einfach nicht genug richtiges Essen? Ich will jetzt wirklich abstillen, nur wie? viele Grüße Tarja

von tarja am 13.11.2014, 14:13



Antwort auf: Ich mag nicht mehr, aber wie soll ich vorgehen?

Liebe Tarja, Stillen ist eine Zweierbeziehung und wenn es dazu kommt, dass sich ein Partner dabei nicht wohl fühlt, dann müssen Lösungswege gefunden werden. Eine Möglichkeit ist, dass Du mit deinem Kind darüber sprichst, dass Du das Stillen als unangenehm empfindest und dass Du denkst, dass es nun an der Zeit ist, eure gemeinsame Stillzeit zu beenden oder zumindest das viele Stillen einzuschränken. Überlegt gemeinsam, wie ihr nun zu einem harmonischen Ende finden könnt. Vielleicht indem ihr auf ein bestimmtes Datum hinarbeitet oder aber auch durch ganz klare Regeln, die auch lauten können „Es wird nur noch gestillt, wenn es dunkel ist“ oder „wir stillen nur noch am Morgen“. So lange DU nicht ABSOLUT sicher bist, dass Du weniger stillen möchtest, wird dein Kind das spüren. Ist die Mutter innerlich nicht davon überzeugt, dass sie ihr Kind abstillen will, dann ist dieser Zweifel für das Kind sehr deutlich fühlbar und es reagiert in fast allen Fällen so, dass es eher noch häufiger gestillt werden mag. Zweifel und Unsicherheit sind für ein Kind unerträglich, Kinder brauchen Klarheit. Dein Baby spürt jetzt deinen Zwiespalt und da es sich nicht hinsetzen und sagen kann „Mama, ich spüre, dass Du dir nicht sicher bist, was jetzt das Richtige ist, deshalb werde ich dir jetzt bei deiner Entscheidungsfindung helfen" reagiert es auf deine Zweifel mit Unruhe, Weinen und Verunsicherung. Es hat keine anderen Ausdrucksmöglichkeiten als Weinen und (vermehrte) Anhänglichkeit. Babys sind für „geordnete Verhältnisse", Unsicherheit und Zweifel bringen sie aus dem Gleichgewicht. Wichtig ist nun, dass ihr zum einen wirklich miteinander redet und Du deinem Kind klar erklärst und sagst, was Du willst und was Du nicht mehr willst. Zum anderen muss für dein Kind deutlich erkennbar sein, wo deine Grenzen gesetzt sind. Liebevolle Konsequenz ist das Zaubermittel in der Erziehung. Nimm dir einmal eine ruhige Stunde für dich, in der Du wirklich unbeeinflusst von außen nachdenken kannst und mach dir dabei sogar ruhig eine Liste aller Gründe, die für ein Abstillen jetzt sprechen und auch welche dagegen sprechen. Überlege dann, welche der Gründe tatsächlich für DICH Bestand haben. Überdenke deine Beziehung zu deinem Kind. Und ja, es ist normal, wenn dein Kind noch deine Nähe sucht und die Geborgenheit an der Brust vermisst und vehement einfordert! Wichtig ist, dass Du dir Klarheit verschaffst und dann zu deiner Entscheidung stehst ganz gleich wie diese ausfällt. Wenn Du dir deiner Entscheidung sicher bist, wird es Euch beiden besser gehen. Fällt die Entscheidung von deiner Seite für das Abstillen, dann wird dein Kind fühlen „Jetzt hat Mama keinen Zweifel mehr" und wird sich auch abstillen lassen, sicher nicht ganz ohne Wehmut, aber ohne riesige Verzweiflung. Fällt deine Entscheidung für das Weiterstillen, bedeutet dies keineswegs zwingend, dass dein Kind noch jahrelang gestillt werden will, im Gegenteil: es kann sein, dass dein Sohn sich dann sehr bald von selbst abstillt, eben weil er auch dann nicht mehr mit einem Zwiespalt leben muss. LLLiebe Grüße Biggi Welter

von Biggi Welter am 13.11.2014



Antwort auf: Ich mag nicht mehr, aber wie soll ich vorgehen?

Hallo Biggi, ich danke Dir für Deine ausführliche Antwort. Ja, das ist wohl wahr, dass ich im Zwiespalt bin. Ich wollte ihr z.B. niemals wirklich diese Fertignahrung geben (ich bin einfach der Meinung, dass ist nicht gut, heißt nicht umsonst "künstlich"), wahrscheinlich hat sie die deshalb auch wirklich nicht getrunken. Ich stille an sich auch gerne, für mich ist das das Natürlichste der Welt- und ich habe innerlich auch schon Abneigung gegen Kuhmilch, wahrscheinlich wird sie die auch sowieso nicht trinken. Aber ich wünsche mir halt sehr, dass sie sich von alleine abstillt, das alles seinen natürlichen Weg geht. Aber so, wie es jetzt ist, geht es auch aufkeinenfall. Nicht nur dass es sehr nervt, sondern es ist auch unangenehm bis schmerzhaft an der Brust. Letzte Nacht war es praktisch ein Dauernuckeln. Und nehme ich sie von der Brust, fängt sie an zu weinen. Aber ich brauche wenigstens etwas Schlaf. Mich macht es ganz verrückt, dass sie nicht richtig essen will. Vielleicht hat sie auch Hunger und schläft deswegen so schlecht? Meine Frage deshalb: Wenn ich mich dafür entscheide, abzustillen, kann ich doch nicht einfach von jetzt auf gleich sagen, so, nur noch Morgens, Abends und Nachts (so fänd ich es gut) und den ganzen Tag nicht. Da verhungert sie doch praktisch? Weisst Du, was ich meine? Sie würde doch dann vor Hunger nur noch Brüllen. Kann ich ihr als Alternative vielleicht diese Kindermilch ab 1 Jahr anbieten? Oder ist das Unsinn? Liebe Grüße Tarja

von tarja am 13.11.2014, 20:10



Antwort auf: Ich mag nicht mehr, aber wie soll ich vorgehen?

Liebe Tarja, so genannte Kindermilchen (wie sie für Kinder ab einen Jahr oder älter angeboten werden) sind aus ernährungsphysiologischer Sicht überflüssig. Erst kürzlich erschien ein Artikel, der die ganzen Kindermilchen völlig zerrissen hat, schau mal im Internet, da findet sich viel darüber. Ab dem ersten Geburtstag kann Kuhmilch gegeben werden. Sobald das Baby begonnen hat, Kuhmilch zu trinken, solltest Du Vollmilch (keine Magermilch oder Milch mit nur 1,5 % Fettgehalt) anbieten, bis das Kind zwei Jahre alt ist. Kleine Kinder brauchen für ein optimales Wachstum natürliche Fette. Nach dem ersten Geburtstag benötigt ein Kind etwa 350 ml Milch (oder etwas mehr als einen kleinen Joghurt) und 20 g Käse, um seinen Milchbedarf zu decken. Das heißt, dass ein Kind keineswegs zwingend Milch trinken muss und es ist sogar möglich, dass sich der Mensch nach dem Abstillen ganz milchfrei ernährt. Der Mensch ist ja ohnehin das einzige Säugelebewesen, das nach dem Abstillen noch weiter Milch einer anderen Art auf seinem Speiseplan stehen hat und auch beim Menschen gibt es eine ganze Reihe von Kulturen, die milchfrei und dennoch gesund leben. Notwendig ist die Milch auch wenn das in unserer Kultur oft nicht geglaubt wird nicht. Es gibt eine ganze Menge an kalziumreichen Nahrungsmitteln, mit denen sich der Kalziumbedarf decken lässt. Eine Tasse (227 g) gekochter Chinakohl ist eine alternative Möglichkeit zur Kalziumversorgung und bietet 86 % des Kalziumgehaltes einer Tasse (240 ml) Milch. Eine halbe Tasse (113 g) Sesamkörner die zu Backwaren und Pfannkuchenteig hinzugefügt oder über Salat oder Getreide gestreut werden können enthält doppelt so viel Kalzium wie eine Tasse (240 ml) Milch. Weitere Kalziumlieferanten sind Melasse, mit Kalzium angereicherter Tofu, Spinat, Broccoli, Zwiebelkraut, Winterkohl, Leber, Mandeln und Paranüsse sowie Dosensardinen und Lachs (die allerdings beide mitsamt der weichen Gräten gegessen werden). LLLiebe Grüße, Biggi

von Biggi Welter am 13.11.2014