Ernährung in der Stillzeit. Was wissenschaftlich bewiesen?

 Biggi Welter Frage an Biggi Welter Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

Frage: Ernährung in der Stillzeit. Was wissenschaftlich bewiesen?

Liebes Expertenteam, ich lese, auch hier, immer wieder, was Frau während der Stillzeit essen sollte, müsste oder auf keinen Fall dürfte. Sie haben z.B. in einer Antwort aus einem Buch zitiert, die Passage hat sich mit dem Thema Rauchen und Stillen beschäftigt. Die Behauptungen daraus wurden aber nicht belegt (z.B. dass Nikotin auch geschmacklich die Muttermilch beeinflusse). Auch lese ich oft, dass man sich während der Schwangerschaft ausgewogene ernähren soll, damit das Kind mit ausreichend Nährstoffen versorgt wird. Bitte klären Sie mich da mal auf: Welche wissenschaftlich fundierten Aussagen können Sie zu diesem Punkt machen? Durch welche Studien ist z.B. belegt, dass, wenn ich als Mutter Obst esse, de Muttermilch mit entsprechenden Vitaminen oder Ballaststoffen angereichert ist? Hat der Genuss von Kuhmilch tatsächlich Auswirkungen auf den Calzium- und Vitamingehalt der Muttermilch? Oder ist es nicht vielmehr so, dass es eher keine Rolle spielt, was und wovon wieviel ich während der Schwangerschaft esse? Ich z.B, esse wenig bis gar kein Ost, dafür viel Fleisch und Süßes und Fastfood. Ernährungstechnisch also eine Katastrophe. Ich achte auch nicht auf ausreichend Flüssigkeit und bin sicher jeden Tag unter den empfohlenen zwei Litern Wasser/Tag. Trotzdem habe ich Milch ohne Ende und mein Kind wächst, gedeiht und ist gesund. Meine Freundin dagegen ernährt sich vorbildlich und hat fast gar keine Milch. Ich wage mal zu behaupten, dass die Ernährung eher keine Rolle bei all dem spielt. Falls doch, bitte ich um die wissenschaftlichen Beweise. Vielen Dank. MfG, rakete78

von rakete78 am 02.04.2014, 16:44



Antwort auf: Ernährung in der Stillzeit. Was wissenschaftlich bewiesen?

Liebe rakete78, Informationen dazu finden Sie u.a. in den Artikeln „Qualitätssicherung bei Muttermilchersatzprodukten“ von Denise Both „Laktation und Stillen“ Heft 04/03 und in dem nachfolgenden Artikel, in dem auch weiterführende wissenschaftliche Literatur angeben ist. LLLiebe Grüße Biggi Die Ernährung der Mutter in der Stillzeit Denise Both, IBCLC Richtlinien für eine gesunde Ernährung beachten: • Mehrbedarf an Energie für die stillende Frau liegt bei etwa 200 bis 500 kcal pro Tag • Nahrungsmenge auf 5 bis 6 kleinere Mahlzeiten verteilen (verhindert Blutzuckerabfälle) • Vitaminreiche Lebensmittel häufig essen (erhöhter Bedarf) • Vollkornbrot und Vollkorngetreide raffinierten Produkten vorziehen (liefern mehr Vitamine, Mineral und Ballaststoffe) • Regelmäßig kalziumreiche Nahrungsmittel zu sich nehmen (Bedarf beträgt in der Stillzeit 800 mg/Tag, lediglich Teenager Mütter haben einen erhöhten Kalziumsbedarf ) • „Junk food“ möglichst meiden (leere Kalorien, Gewichtszunahme) • Wenig, aber dafür hochwertige Fette (Einfluss auf die Fettzusammensetzung der Muttermilch, nicht auf den Fettgehalt) • Ausreichend Flüssigkeit (nach Durstgefühl trinken, viel trinken macht nicht „viel Milch“) Besondere Ernährungsformen ihre Risiken während der Laktation für Mutter und Kind: Vegetarische Ernährungsformen: Teilzeitvegetarierinnen essen nur selten Fleisch ? keine Risiken Laktoovovegetarierinnen essen keine Fleisch, verzichten aber nicht auf Eier, Milch und Milchprodukte ? keine Risiken Laktovegetarierinnen essen kein Fleisch und keine Eier, ? kann kritisch sein, Eisen verzichten aber nicht Milch und Milchprodukte Vitamin B12 Veganerinnen verzichten auf alle Nahrungsmittel tierischer ? Eiweiss , Kalzium , Vitamin D , Herkunft Vitamin B12 , Vitamin B2 und Eisenmangel Makrobiotikerinnen teil ihre Nahrung nach dem Prinzip ? Eiweiss , Kalzium , Vitamin D , Von Yin und Yang ein. Verschiedene Stufen sind möglich. Vitamin B12 , Vitamin B2 und Bei den höheren Stufen ähnliche Risiken wie bei veganer Eisenmangel Ernährung Trennkost gibt es in verschiedenen Formen. Grundsätzlich ? evtl. Blutzuckerabfall bei der Mutter Werden bei Trennkost eiweisshaltige und kohlenhydrathal tige Nahrungsmittel getrennt gegessen. Heilfasten, Saftfasten u.ä. ? negative Auswirkung auf die Milchbildung, nicht empfehlenswert Es gibt keine allgemeingültige „Stilldiät“ oder generell verbotenen oder erlaubte Nahrungsmittel für die Frau während der Stillzeit (mit der Einschränkung, dass Alkohol möglichst gemieden werden soll und koffeinhaltige Getränke nur in Maßen genossen werden). Der Einfluss der Ernährung der Mutter auf das Verhalten des Kindes wird meist erheblich überschätzt. Eine stillende Mutter muss weder bestimmte Nahrungsmittel (z.B. Kuhmilch) zu sich nehmen, noch müssen alle stillenden Mütter bestimmte Nahrungsmittel meiden. Von Ausnahmefällen abgesehen macht die Mehrheit der stillenden Mütter die Erfahrung, dass sie alles, was sie mögen, in Maßen essen können auch Schokolade und stark gewürzte Speisen ohne dass sich dies auf ihre Babys auswirkt und viele kleine Babys haben Blähungen ganz gleich, was ihre Mütter essen. Auch wenn viele Mütter davon gehört haben, dass durch den Genuss von „blähenden" Lebensmitteln Blähungen bei ihrem Baby hervorgerufen werden, ist diese Meinung mit Vorsicht zu genießen. Darmgase entstehen bei der Verarbeitung von Faserstoffen (Ballaststoffen) durch die Darmbakterien im Verdauungstrakt. Weder Verdauungsgase noch Ballaststoffe gehen in die Muttermilch über, auch nicht, wenn die Mutter unter extremen Blähungen leidet. Genau so wenig verändern stark säurehaltige Nahrungsmittel den pH Wert der Muttermilch. Deshalb gibt es auch kein Verbot für Orangensaft. Letztlich bleibt nur auszuprobieren, ob ein Kind auf etwas reagiert, was die Mutter isst. Prophylaktische Enthaltsamkeit ist keineswegs sinnvoll und führt nur zu Frust bei der Mutter. Gewichtsabnahme der stillenden Frau Selbstverständlich kann eine stillende Mutter auch Gewicht abnehmen und etwas für ihre Figur tun. Statistisch gesehen erreichen stillende Frauen ohnehin ihr Vorschwangerschaftsgewicht schneller wieder als nicht stillende Frauen und auch eine Abnahme unter das Vorschwangerschaftsgewicht ist möglich. Blitz und Modediäten sowie ein schneller Gewichtsverlust sind bei stillenden Müttern nicht unproblematisch. Echte Fastenkuren und Fastentage sind in der Stillzeit in jedem Fall nicht sinnvoll. Zwar gibt es inzwischen neuere Untersuchungen, die keinen Zusammenhang mehr zwischen dem Abbau der Fettdepots und dem Schadstoffgehalt der Muttermilch finden konnten. Dennoch ist es besser langsam abzunehmen und so auch dem JoJo Effekt auszuweichen. Auch Trennkost ist nicht empfehlenswert (u.a. da bei dieser Ernährungsform Blutzuckerschwankungen auftreten können). Eine stillende Frau sollte jedoch ihre tägliche Kalorienmenge nicht unter 1800 Kalorien sinken lassen und nicht mehr als 500 g pro Woche (2 kg im Monat) abnehmen. Vermag die Ernährung der Mutter den Mehrbedarf an Eiweiß, Vitaminen, Mineralstoffen und Energie nicht zu decken, dann erfolgt die Milchbildung zu Lasten der Frau. Sind die Reserven der Frau erschöpft, wie bei schwer unterernährten Frauen, wird die Muttermilch vor allem in Bezug auf die Menge beeinflusst. Zu qualitativen Veränderungen kommt es nur in geringem Maß. Obwohl sich Frauen in verschiedenen Ländern und unterschiedlichen Kulturen sehr unterschiedlich ernähren gibt es so gut wie keine Unterschiede in der Zusammensetzung der Muttermilch. Es ist sehr schwierig bis unmöglich, die Milchzusammensetzung deutlich über die Ernährung zu beeinflussen. Dies mag ein Schachzug der Natur sein, um das Überleben des Babys zu sichern. Beeinflussung der verschiedenen Bestandteile der Muttermilch durch die Ernährung der Frau Eiweiß Der Eiweißgehalt der Muttermilch wird nicht durch die Ernährung beeinflusst. Erstaunlicherweise ist er auch bei dauerhaft unterernährten Frauen hoch. Fett Der Fettgehalt der Muttermilch wird durch die Ernährung nicht beeinflusst. Die Zusammensetzung des Muttermilchfetts (Fettsäurenzusammensetzung und Verhältnis von ungesättigten zu gesättigten Fetten) lässt sich jedoch deutlich über die Ernährung der Frau beeinflussen. Laktose Der Laktosegehalt der Muttermilch kann nicht über die Ernährung beeinflusst werden. Energie Der Energiegehalt der Muttermilch bleibt unabhängig von der Ernährung. Selbst dauerhaft unterernährte Frauen bilden Muttermilch mit annähernd gleichem Energiegehalt. Fettlösliche Vitamine lassen sich nur schwer beeinflussen, kurzfristige Veränderungen der Ernährungsgewohnheiten scheinen keinen Einfluss zu haben. Vitamin A bei unterernährten Müttern bewirkt die Gabe von Vitamin A eine Erhöhung des Vitamin A Gehaltes der Mutter Vitamin D Gehalt in der Muttermilch nur gering beeinflussbar, um eine deutliche Erhöhung zu bewirken, müssten so hohe Dosen gegeben werden, dass es für die Frau schädlich ist. Vitamin E bislang nicht untersucht Vitamin K bei unterernährten Müttern Erhöhung des Gehaltes in der Muttermilch durch zusätzliche Gabe möglich, bei Müttern mit ausgewogenem Ernährungszustand nicht. Wasserlösliche Vitamine (B, C) sind stark durch die Ernährung der Frau abhängig. Mineralstoffe Mit Ausnahme von Jod, Fluor und Mangan ist der Gehalt an Mineralstoffen in der Muttermilch nicht über die Ernährung beeinflussbar. Eine stillende Mutter, die sich ausgewogen ernährt, braucht normalerweise keine zusätzlichen Vitamin oder Mineralstoffpräparate. Bei nachgewiesenen Mangelzuständen, sollten diese allerdings gezielt behandelt werden. Gibt es milchbildungsfördernde Nahrungsmittel oder Getränke? In jeder Kultur gibt es Nahrungsmittel oder Getränke, denen eine milchbildungsfördernde Wirkung zugeschrieben wird. Wissenschaftlich bewiesen wurde diese Wirkung bisher nicht. Dennoch gibt es Frauen, die auf bestimmte Nahrungsmittel oder Tees usw. „schwören“. Es ist nicht auszuschließen, dass die Psyche der Frau dabei eine Rolle spielt: Sie tut etwas für die Milchbildung, nimmt sich Zeit dafür, die Situation entspannt sich und die Milch fließt besser. Vorsicht: Milchbildungstee kann bei empfindlichen Kindern zu Bauchproblemen führen, vor allem, wenn mehr als eine bis drei Tassen täglich getrunken werden! Literatur: Akré: Die physiologischen Grundlagen der Säuglingsernährung, WHO, 1993 Lauwers und Shinskie: Counseling the Nursing Mother, 3. Auflage, 2000 Lawrence und Lawrence: Breastfeeding A Guide for the Medical Profession, 5. Auflage, 1999 Mohrbacher und Stock: The Breastfeeding Answer Book, LLLI, 2003 Riordan und Auerbach: Breastfeeding and Human La

von Biggi Welter am 02.04.2014



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