Frage: Am Ende meiner Kräfte

Liebes Experten-Team, Ihr habt mir schon einmal extrem helfen können, daher wende ich mich nochmals an euch (gerne auch an alle!). Mein Sohn ist 10 Monate. Er wird viel getragen, schläft bei mir, wird nachts noch gestillt. Er hat noch nie durchgeschlafen, wird bis auf wenige Ausnahmen seit der Geburt alle 2 Stunden wach und benötigt ein paar Streicheleinheiten/die Brust. Ich mache das alles eigentlich gern. Aber langsam wirds zu krass. Seit einigen Wochen akzeptiert er ausschließlich mich als Bezugsperson. Lege ich ihn ab, meckert er, bis ich ihn hochnehme. Spielen geht nur in Mamas Armen. Krabbeln ist doof. Papa ist doof. Oma sowieso (wenn sie kommt schreit er direkt los weil er weiß, die Mama will ohne mich weg). Ich graue mich vor den Nächten. Bisher hatte es immer gereicht, dass ich einfach da bin. Mittlerweile wacht er fast stündlich auf und weint sich in Rage, bis ich ihn hochnehme aufstehe und schaukel. Das hatten wir eigentlich schon vor Wochen hinter uns gelassen. Ich habe nie - wirklich nie mehr - eine kleine Auszeit nur für mich. Ich liebe meinen Prinzen über alles, aber ich MUSS auch mal wieder Kraft tanken. Bitte, was kann ich tun um zumindestens die Nächte wieder etwas erholsamer zu gestalten? Ich stille ihn gerne und möchte es eigentlich nicht aufgeben, aber ich bin kurz davor ihm aus Verzweiflung die Flasche nachts zu geben. Ferbern kommt absolut nicht in Frage. Vielen lieben Dank! :*

von Ironika am 08.02.2016, 12:58



Antwort auf: Am Ende meiner Kräfte

Liebe Ironika, ich kann Dich so gut verstehen und würde Dir so gerne eine Antwort geben, die Dir zu längeren Ruhepausen verhelfen könnte…. Für viele Menschen unserer Kultur wird "guter Schlaf" mit "ununterbrochenem Schlaf" gleichgesetzt und für junge Eltern ist es dann eine große Herausforderung mit dem Schlaf in "Häppchen" zurecht zu kommen. Genau zu diesem Thema habe ich eine interessante Stellungnahme eines Gynäkologen gehört, der über das Thema "rooming in und Müdigkeit der Mutter" gesprochen hat: Er hat dargelegt, dass er aufgrund seiner Dienste und seiner Arbeit im Krankenhaus extrem selten mehr als drei bis vier Stunden am Stück schlafen kann und fünf Stunden ununterbrochener Schlaf sind für ihn bereits der Inbegriff des Luxus. Dennoch und obwohl dies schon seit mehr als zehn Jahren für ihn so ist fühlt er sich nicht unausgeschlafen oder empfindet seinen Schlaf als qualitativ beeinträchtig. Ich will damit sagen, dass unterbrochener Schlaf nicht mit Schlafmangel gleichgesetzt werden kann und dir deshalb das Abstillen in der Nacht nicht zwingend einen Vorteil bringen wird. Zumal es auch keine Garantie dafür gibt, dass dein Kind dann nicht mehr aufwachen wird, nur weil es nachts nicht mehr gestillt werden wird. Dein Kind spürt den Stress, den Du hast und reagiert darauf, aber bedenke doch, dass dein Kind nichts dafür kann, dass es dich so sehr Braut und u eben die Bezugsperson bist. Dein Kind ist unsicher und spürt deine Verzweiflung und es kann nicht anders reagieren, es braucht deine Nähe und deine Geborgenheit. Bevor Du versuchst, dein Kind zu ändern, solltest Du dir Hilfe holen! Statt nun das Stillen einzuschränken oder gar abzustillen, kannst Du es ja vielleicht mit einem anderen Ansatz versuchen: o nimm ALLE Hilfe an, die Du bekommen kannst. Erkundige dich mal, ob Du nicht eine Haushaltshilfe bekommen kannst (wegen absoluter und chronischer Erschöpfung). Möglicherweise kann dir auch deine Mutter, Schwiegermutter, Schwester oder eine Freundin (selbstverständlich auch das männliche Pendant dazu) etwas unter die Arme greifen. Das können ganz simple Dinge sein z.B. einmal alle Fenster putzen, deinen Bügelkorb leerbügeln, einige vorgekochte Mahlzeiten für deine Tiefkühltruhe, ein Nachmittag Babysitten während Du in die Sauna gehst oder sonst etwas für dich tust ... o Vielleicht findest einen verantwortungsbewussten Teenager, der gegen geringes Entgelt bereit ist, mit deinem Kind zu spielen oder spazieren zu gehen. In dieser Zeit solltest Du dann aber wirklich entweder schlafen (bzw. ruhen) oder DIR etwas Gutes tun. Du musst das Kind nicht weggeben dazu, mein Babysitter saß einfach nur da und mein Baby konnte mich dauernd sehen. Trotzdem war es MEINE Zeit, wenn es auch zugegebenermaßen etwas schräg klingt ;-). o Lass den Haushalt auf Sparflamme laufen. Nicht alles muss gebügelt werden. Wenn Handtücher nach dem Baden und Duschen wieder aufgehängt werden, statt auf dem Fußboden zu landen, können sie mehrmals benutzt werden, das spart Wäsche. Es ist nicht wesentlich mehr Arbeit die doppelte Menge Spaghettisoße zu kochen, aber Du hast dann eine fast fertige Mahlzeit für die Tiefkühltruhe. Es schadet nicht der Gesundheit der Familie, wenn Du die Fenster erst wieder im nächsten Jahr putzt. Du wirst sicher einiges finden, was im Haushalt nicht so perfekt gemacht werden muss. o Achte darauf, dass Du genügend isst und trinkst. Du musst keine perfekten Menus kochen und essen, einigermaßen ausgewogen reicht und es darf auch Tiefkühlgemüse statt frischem Gemüse sein (dann sparst Du dir auch das Schälen und Putzen). Eine hungrige Mutter ist nicht so belastbar. o Eine Möglichkeit für die Nacht ist es, dass statt dir dein Partner die Nachtschicht bzw. das zu Bett bringen zum Teil übernimmt. Also nicht Du wendest dich jedesmal dem Kind zu, sondern ihr wechselt euch ab und da ein Mann keine Brust zum Stillen hat, wird er euer Kind auf andere Weise beruhigen müssen. Das Verändern von Ritualen kann helfen. o Schau nach vorne. Die anstrengende Zeit wird vorübergehen. Auch dein Kind wird älter und reifer werden und nicht mehr soooo viel Aufmerksamkeit brauchen. Kurz: beschränke viel Dinge auf das absolut Notwendige, so dass Du auf diese Weise mehr Zeit für dich bekommst. Diese "gewonnene" Zeit kannst Du dann dazu nutzen, dich wieder zu erholen, neue Energie zu tanken und auch zu einem ruhigen Gespräch und Nähe mit deinem Mann. Vergiss dich selbst nicht: Gönne dir etwas Gutes, dann lassen sich so anstrengende Phasen leichter überstehen. Wenn Du dir aber für dich sicher bist, dass Du nachts nicht mehr stillen magst, dann wird das vermutlich nicht ganz ohne Trauer bei deinem Kind gehen. Ihr könnt ein festes Ritual mit Kuscheln und Vorlesen oder Geschichte erzählen einführen. Viele Eltern beginnen auch bereits bei einem wenige Monate alten Baby damit, den Tag am Abend noch einmal Revue passieren zu lassen und so ein Gespräch (das sich im Laufe der Zeit dann entwickeln wird) über die Erlebnisse, Freuden, aber auch Sorgen und Nöte des Kindes zu führen. Durch solch ein Gespräch bleiben Eltern dann auch in engem Kontakt mit ihrem Kind und der leider viel beobachtet Sprachlosigkeit zwischen Eltern und Kind kann entgegengewirkt werden. In diesen Gesprächen kannst Du dein Kind immer wieder darauf hinweisen, dass Du der Meinung bist, dass das Stillen in der Nacht nun eingeschränkt wird, dass Du es aber weiterhin genau so sehr lieb hast, wie schon immer. Eine andere Möglichkeit ist es, dass statt dir, dein Partner die Nachtschicht bzw. das zu Bett bringen zum Teil übernimmt. Also nicht Du wendest dich jedesmal deinem Kind zu, sondern ihr wechselt euch ab und da ein Mann keine Brust zum Stillen hat, wird er euer Kind auf andere Weise beruhigen müssen. Du kannst dein Kind ja in der ersten Zeit zuerst stillen und dann deinem Partner übergeben. Wenn dein Partner nicht einspringen kann, bleibt es an dir, dein Kind auf andere Weise zu trösten und zu beruhigen und ihm einen Ersatz für die Brust anzubieten. In dieser Situation ist ein Nachthemd bzw. Kleidung, die sich vorne nicht öffnen lässt oft hilfreich. Mit Geduld, Ruhe und viel Liebe, werdet ihr das schaffen. LLLiebe Grüße Biggi

von Biggi Welter am 08.02.2016



Antwort auf: Am Ende meiner Kräfte

Liebe Biggi, Vielen Dank für deine offenen Worte. Manchmal braucht man einfach eine objektive Perspektive um gelassener mit der Situation umgehen zu können. Du hast natürlich Recht, mein Sohn kann am wenigsten was für meine Erschöpfung. Ich versuche mir das für die nächste Nachtschicht einzuprägen und mir tagsüber wirklich häufiger eine Unterstützung zu holen. Vielen Dank nochmal :-)

von Ironika am 08.02.2016, 16:32



Antwort auf: Am Ende meiner Kräfte

:-)))) Uff, ich hatte echt Sorge, dass Du dich missverstanden fühlen könntest :-). Vielen lieben Dank für die Rückmeldung :-)) Biggi

von Biggi Welter am 08.02.2016