Wie soll ich mit dem schreienden Kleinind in der Nacht am besten umgehen?

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Wie soll ich mit dem schreienden Kleinind in der Nacht am besten umgehen?

Guten Tag, Mein Sohn (17 Monate) hat in der letzten Nacht gegen 22 Uhr plötzlich gebrüllt und geweint und um sich geschlagen und ließ sich nicht beruhigen. So einen Vorfall hatten wir nun zum vierten Mal, das erste Mal als er 14 Monate alt war und sonst immer um 1 Uhr. Das hat immer ca. 30 min gedauert. Ich war bei ihm, er hat mich geschlagen und getreten, ich musste mich auf eine Matte auf den Boden setzen, da er mir sonst runter gesprungen wäre. Hat sich los gerissen, ist wie wild davon gekrabbelt, gegen den Kasten mit dem Kopf, was ihm aber nicht gestört hat. Hat sich dann in die letzte Ecke des Zimmers gesetzt und geweint. Ich hatte das Gefühl, dass er mich nicht kennt. Ich habe es mit singen, halten, Licht aufdrehen Stofftieren etc. probiert, er hat gegen alles geschlagen, Schnuller weggeschlagen, Wasserbecher weggeschlagen, usw. Nach 30 min. hat er dann begonnen mit dem Nachtlicht zu spielen (ein- und ausschalten) und hat sich beruhigt. Dann legte ich ihn wieder ins Bett, habe ihm noch ca 30 min die Hand gehalten, dann ist er eingeschlafen. Hat noch 7 Std. durchgeschlafen und war super aufgelegt in der Früh. Könnte das ein Nachtschreck sein? Ich habe eher das Gefühl, dass er schon wach ist, weil er auch gezielt gegen Gegenstände schlagen kann und auf meine Frage was er will auch nach draußen gezeigt hat. Sonst schläft er ganz okay, wird zwar jede Nacht zwei oder drei Mal wach, lässt sich aber gut beruhigen oder will nur etwas trinken. Derzeit könnten ihn auch Zähne plagen. Herzlichen Dank schon im Voraus! Liebe Grüße

von sue1 am 25.08.2016, 12:56


Antwort auf: Wie soll ich mit dem schreienden Kleinind in der Nacht am besten umgehen?

Liebe sue 1! Es ist natürlich nicht möglich, aus der Ferne eine gesicherte Aussage zu treffen, doch ich tippe in der Tat auf Nachtschreck. Selbst wenn Ihr Kleiner dann irgendwann auf etwas zeigt, so ganz „wach“ und richtig ansprechbar scheint er nicht zu sein. Es gibt beim Thema Schlaf natürlich unendliche viele Stufen des Bewusstseins bzw. Grade von Wachheit, so dass es auch irgendetwas dazwischen sein kann. Beim Umgang mit Nachtschreck und plötzlichen Erwecken mit Tobsuchtsanfällen in der Nacht gibt es eine verbindliche Grundregel über die in der Fachwelt Konsens herrscht. Bitte nicht versuchen die Kinder durch richtiges Wecken (Licht an, Hochnehmen, laute Ansprache, Festhalten etc.) aus ihrem „Tunnel“ zu befreien. Das ist zwar gut gemeint, führt aber dazu, dass den Kindern diese Erfahrung wirklich bewusst wird. So können dann wirklich Ängste vor dem Einschlafen entstehen (= Angst vor der Angst). Durch die Schlafforschung weiß man, dass die Kinder während des Schlafes einen Nachtschreck erleben, in der Tat ein sehr hohes Erregungsniveau haben (schneller Puls, schnelles Atmen, hoher Muskeltonus), morgens aber fröhlich als wäre nichts gewesen aufwachen. Im Unterschied zum Alptraum, wo die Kinder sofort mit starkem Angstgefühl erwachen, sofort über Trauminhalte berichten können und morgens wirklich unausgeschlafen wirken, verbinden diese Kinder keinerlei negative Gefühle mit dem Einschlafen. Das soll natürlich auch so bleiben. Von daher – auch wenn es schwerfällt, besteht Ihr Job nur darin, nur das Verletzungsrisiko zu minimieren. Lassen Sie das Licht stark gedämpft, sprechen Sie nicht, lassen Sie Ihr Kind im Bett liegen und sorgen Sie nur dafür, dass er nicht rauskrabbelt. So ein Nachtschreck kann wirklich heftig ausfallen (die Kinder wirken dann wirklich wie besessen), doch das sollte Sie nicht irritieren. Auch müssen Sie keine Sorge haben, etwas zu übersehen und dann Ihr panisches Kind im Stich zu lassen. Erlebt ein Kind wirklich bewusst einen Angstzustand durch Alpträume, wird es genau dies äußern (also weinen nicht toben) und aktiv Ihre Nähe und Trost suchen bzw. wollen. Bei einem Nachtschreck drehen die Kinder dagegen gefühlt erst richtig auf, wenn man versucht, Ihnen zu helfen. Nachtschreck ist ein typisches, harmloses Kleinkindphänomen. Eine richtige Prävention gibt es nicht. Allerdings gibt es Hinweise, dass es bei entsprechend veranlagten Kindern solche Anfälle nach Veränderungen oder aufregenden, reizintensive Erfahrungen gehäuft auftreten. Es macht daher Sinn, vielleicht mal einen kritischen Blick auf den Tagesablauf zu werfen und vielleicht mal einen Gang runterzufahren und auf zu viele Termine und Aktivitäten vorerst zu verzichten. Der Nachtschreck wird Sie vielleicht noch ein, zwei Jahre begleiten. Dann ist der Spuk meist ebenso plötzlich vorbei wie er gekommen ist. Ihnen alles Gute, Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 30.08.2016