Sehr aufgedrehtes Baby

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Sehr aufgedrehtes Baby

Hallo Fr. Dr. Bentz, ich hab mal eine Frage. Es geht um meinen Sohn der 6 Monate ist. Wir haben schon von anfang an große Probleme gehabt mit seinem schlaf z.B. (Hat teilweise nur 9 Stunden in 24h geschlafen). Er ist seit Monaten extrem aufgedreht, er ist so wild und schlägt sich auch andauernd mit seinem Spielzeug. Strampelt wie wild, egal wo er liegt. Ich Wunder mich immer das ihm das nicht weh tut. Ich mache mir große Sorgen das er was hat. Ich kann ihn auch nicht eine Minute alleine lassen, da er sofort richtig weint. Der Kinderarzt ist leider bisher keine große Hilfe gewesen. Kann das normal sein das er so aufgedreht ist oder ist das ein Zeichen das er hyperaktiv ist. Ich weiß man kann nicht in diesem alter davon sprechen. Würde mich trotzdem über ihre Erfahrungen Oder Meinung freuen. Vielen dank

von babylove321 am 11.02.2016, 10:12


Antwort auf: Sehr aufgedrehtes Baby

Liebe baylove321! ich kann Ihre Sorge verstehen. Dennoch: Wie Sie schon richtig gesagt haben, für eine Diagnose in diesem Alter ist es noch viel zu früh! Bei Geburt hat das Gehirn eines Säuglings etwas 25% seiner Größe erreicht, im Alter von zwei Jahren sind es dann schon 75%. Wichtige Verknüpfungen, die für die Kontrolle und Koordination der Motorik zuständig sind, sind bei der Geburt noch nicht vorhanden. Eine kordinnierte Bewegung wie etwa Greifen, Krabbeln oder Laufen, lernt ein Kind durch das Prinzip "Versuch und Irrtum", d.h. es muss einfach ganz viel ausprobieren, um den Dreh herauszufinden. Strampeln, Zappeln, Fuchteln etc. ist daher nichts anderes als ein reines Trainingsprogramm, haben also durchaus ihren Sinn - auch wenn es teilweise sehr wild aussieht. Ich denke, dass Ihr Sohn eine hohe Grundspannung und Unruhe hat, die er eben noch nicht anders artikulieren und regulieren kann. Auch Bewegungsautomatismen (wie z.B. widerholtes Hin und Herdrehen des Kopfes) sind in diesem Alter recht häufig und i.d.R. kein Grund zur Besorgnis. Allerdings: wenn Sie das Gefühl haben, mit Ihrem Kind könnte etwas nicht stimmen,ist es sinnvoll, eine zweite Meinung einzuholen. Es gibt ein paar (seltene) neurologische Störungen, die sich in auffälligen Bewegungsmustern und Schlafproblemen zeigen können, doch dafür bedarf es eingehender Diagnostik. Allgemein sind 9 Stunden Schlaf natürlich äußerst wenig. Entscheidend sind jedoch keine Einzelwerte, sondern der Durchschnittswert über ca. 14 Tage. Wenn Sie hier auf einen ähnlich niedrigen Wert kommen, wäre das schon sehr weit unter Durchschnitt und sollte abgekärt werden. Insgesamt würde es Ihrem Baby sicher guttun, wenn es sich mehr entspannen könnte. Gerade sehr aufgedrehte Babys brauchen Ruhe. Diese muss man ihnen manchmal einfach "verordnen", ähnlich wie eine Medizin. Die mögen sie nicht, hilft ihnen aber. Sorgen Sie also dafür, dass Ihr Tagesablauf möglichst struktiert ist und ausreichend Ruhepausen enthält, in denen Ihr Kind von zuviel Reizen geschützt wird (also ruhiger, etwas abgedunkelter Raum). Auch ein Abdecken des Kinderwagens wenn Ihr Kind Müdigkeitssignale zeigt, sowie das Benutzen von Stillschürzen /Tüchern beim Stillen oder Füttern sorgen für mehr Ruhe. Beim Tragen im Tuch können Sie den Stoff so ziehen, dass Ihr Kind genug Luft bekommt, bei einigen Tragehilfen gibt es dagegen eine Kapuze, die Sie benutzen können. Viele Eltern mit unruhigen Babys versuchen diese durch Ablenkung zu beruhigen. D.h. einem eh überdrehten Kind wird ständig neues, grell buntes, blinkenden Spielzeug unter die Nase gehalten, es mit ihm durch die Wohnung gehopst, man macht allerlei Spielchen etc. Die Crux ist, dass dies kurzfristig auch ganz gut funktioniert, langfristig aber zu Dauerüberreizung führt. Man sollte sich immer bewusst machen, dass selbst kleine alltägliche Dinge, wie das das Bellen eines Hundes, eine leuchtende Farbe, Autofahren etc, für Babys sehr intensive Reize sind. Versuchen Sie daher nicht, jedes Weinen gleich mit Bespaßung zu beantworten, sondern beobachten Sie Ihr Baby genau. Vielleicht ist es müde und möchte einfach auf Ihrem Arm? Dass es dort dann vielleicht erstmal weint, ist ok und keinesfalls ein zeichen von Ablehnung. Uns ist ja auch manchmal, wenn wir übermüdet und völlig erschöpft sind, zum Heulen zu Mute. Baby brauchen manchmal einfach eine Zeit, um runterzukommen. Am besten können Sie ihm dann durch eigene Ruhe und Gelassenheit helfen, zu entspannen. Achten Sie daher auch auf Ihre Köpersignale wie Atmung und Muskelspannung. Ich wünsche Ihnen alles Gute! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 15.02.2016