Schreien während Krankengymnastik

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Schreien während Krankengymnastik

Liebe Frau Doktor Bentz, meine Tochter ist 8 Monate alt und sehr fröhlich und ausgeglichen , weint wenig. Sie hat wegen einer kleinen Muskelschwäche im Rumpf Krankengymnastik bekommen und war jetzt bereits sechs Mal dort. Allerdings hat sie die letzten drei Male sehr dabei geweint, wenn Übungen mit ihr gemacht wurden. Ich durfte sie dann zum Beruhigen immer wieder auf den Arm nehmen, aber das letzte Mal hat sie so geweint, dass sie erbrochen hat und sich auch erst nach 20 Minuten beruhigt hat. Ich konnte sie nicht ins Auto setzen, sondern sie ist dann auf mir eingeschlafen . Die Therapeutin hat mir versichert, dass die Kleine keine Schmerzen hat, sondern sich nur aufregt, weil sie bei den Bewegungen aus ihrer Komfortzone muss. Ich mache mir aber Gedanken, was das seelisch mit ihr macht, gerade wenn ich dabei sitze und sie gefühlt nicht beschütze vor dem, was sie so quält. Ich würde am liebsten nicht mehr hingehen, auch wenn das für ihre Motorik nicht gut wäre. Ich habe einfach Angst um ihre kleine Seele und ihr Vertrauen in mich. Was würden Sie raten? Andere Therapeutin suchen? Ich muss dazu sagen, dass ich eine ähnliche Situation aus den ersten Lebenstagen kenne, in denen meine Tochter auf Intensivstation war uns ähnlich heftig geschrien hat, als ihr Kanülen gelegt wurden. Aber das war lebensnotwendig und ich musste es mit ihr zusammen aushalten. Herzlichen Dank und viele Grüße Tine

von Tine82S am 28.07.2016, 11:11


Antwort auf: Schreien während Krankengymnastik

Liebe Tine82s, es ist gar nicht so einfach, hier eine Antwort zu geben. Wie immer stehen wir vor dem Dilemma, dass wir die Hauptakteure nicht befragen können. Grundsätzlich ist es sicher richtig, was die Therapeutin sagt, und das Weinen wird bei vielen Therapien als Begleiterscheinung in Kauf genommen, um eben wichtige Behandlungsziele zu erreichen. Natürlich gibt es auch keine Forschung darüber, ob diese Behandlungen seelisch schaden könnten. Ich kann daher nur aus dem Bauch antworten. Mir als Mutter wäre die letzte Sitzung zu viel gewesen, und zwar nicht nur für mein Kind, sondern auch für mich. Mein ältester Sohn – späte Frühgeburt in der. SSW35– wurde auch physiotherapeutisch behandelt, und war auch nicht immer begeistert. Ein bisschen musste er herausgefordert werden, und hat auch mal gemeckert, doch im Großen und Ganzen durfte er sein Tempo bestimmen. Wenn klar wurde, dass es ihm wirklich zu viel wurde und er sehr gestresst wirkte, haben wir eine Pause gemacht und auch mal abgebrochen. Zudem habe ich darauf geachtet, an diesen Tagen wirklich nur diesen einen Termin zu haben, und diesen so zu legen, dass er gut in seinen Rhythmus passt. Damit bin ich gut gefahren, denke ich. Mein Hauptargument wäre hier, dass Sie als Mutter sich (einigermaßen) wohl und sicher fühlen müssen. Ihr Baby orientiert sich an Ihnen, und wenn Sie selbst kurz davor stehen, in Tränen auszubrechen, ist das für Ihr Baby das Signal, dass jetzt etwas ganz Schlimmes passiert. Ich bin mir zwar sehr sicher, dass hieraus nicht gleich eine Bindungsstörung oder ein Trauma resultieren würde, doch der Stress wäre mir zu groß. Man muss ja nichts über den Zaun brechen, wenn es nicht wirklich unbedingt notwendig ist, sondern kann vielleicht einen Gang zurückfahren. Doch wie gesagt, hier spreche ich als Mutter, nicht als Expertin. Als diese sollten Sie sich selbst sehen, denn niemand kennt Ihr Kind besser als Sie. Sie sind daher auch in der Lage, richtige Entscheidungen zu treffen. Alles Gute für Sie! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 29.07.2016