Schlafprobleme

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Schlafprobleme

Hallo Frau Dr Bentz, Ich bin langsam verzweifelt! Unser Sohn ist mittlerweile 9 Monate. Bisher hat er gut in seinem bettchen in unserem Schlafzimmer geschlafen. Ich habe ihn wach hingelegt und bin leise summend bei ihm geblieben bis er schlief. Auch nachts ist er immer wieder ohne Probleme eingeschlafen. Daran ist seit 9 Wochen nicht mehr zu denken. Ich muss ihn lange tragen und schuckeln bis er schläft. Manchmal kann ich ihn dann aber nicht mehr ablegen - er wird immer wieder wach! Wenn er einmal schläft wacht er stündlich wenn nicht sogar halbstündlich auf. Dann lässt er sich nur durch die Brust oder tragen beruhigen. Er schreit richtig laut und von jetzt auf gleich. Teilweise ist er 2 Std nachts wach. Mittags schafft er es teilweise allein einzuschlafen wacht aber immer nach 30 Minuten wieder auf. Jegliche Versuche diesen zu verlängern scheitern. Er schläft morgen gegen 9 Uhr eine halbe Stunde, um 12:30 Uhr macht er Mittagsschlaf und um 19 Uhr geht er ins Bett! Dadurch dass ihn nachts nicht ablegen kann schläft er mittlerweile bei mir im Bett! Das würde ich gern wieder ändern. Wir waren schon beim Kinderarzt, osteopathen und bei einer Heilpraktikern - nichts hilft! Ich weiß nicht ob dass eine Rolle spielt; er hatte vor 9 Wochen erst eine mittelohrentzündung dann eine Mandelentzündung und hat zeitgleich das krabbeln, sitzen und stehen gelernt! Mein Kinderarzt sagt ich habe ihm diese Gewohnheit anerzogen ? Kann dass sein? Mache mir schwere Vorwürfe . Können Sie uns weiter helfen? Vielen Dank!! Theo 's Mama

von Loe86 am 22.04.2016, 09:49


Antwort auf: Schlafprobleme

Liebe Loe86 nun, da haben Sie ja einen sehr "einfühlsamen" Kinderarzt. (-; Grundsätzlich finde ich an Ihrem Verhalten überhaupt nichts auszusetzen - im Gegenteil! Sie hatten ein krankes Kind, was sicher starke Schmerzen hatte. Hier auf irgendwelche Grundprinzipien des selbstregulierten Schlafs zu beharren ist nicht nur sinnlos, sondern völlig kontraproduktiv! Ein krankes Kind braucht seine Eltern! Die Erfahrung, die es sonst machen würde wäre, schlicht die, das ihm niemand hilft. Dies kann zwar oberflächlich zu einem "pflegeleichteres Verhalten führen, ist aber nichts anderes als Passivität durch erlernte Hilflosigkeit und ist mit modernen Erziehungsprinzipien nicht zu vereinbaren. So ein kleines Kind kann so eine Situation ja noch nicht überblicken, sondern hat einfach Schmerzen und damit auch Stress und ggf. sogar Angst. Sie haben also richtig gehandelt. Selbst bei Autoren, die die Selbstregulation in den Vordergrund stellen, wird dies so gesehen. Natürlich kann dann eine Erkrankung oder andere Ausnahmesituation dazu führen, dass ein vormals stabiles und funktionierendes System aus dem Lot gerät. Doch das liegt nun einmal in der Natur der Sache und hat nichts mit Schuld oder Verwöhnen zu tun. Solche Gedanken führen zu nichts und blockieren nur! Als bitte machen Sie sich davon frei. Nun ist die Frage, wie Sie wieder zurück zur Normalität finden. Am besten tun Sie dies durch eben das - Normalität! Gestalten Sie Ihren Alltag so wie vor der Erkrankung. Hatte Ihr Sohn einstmals gute Selbstregulationsfähigkeiten, so ist jetzt die Zeit, wieder darauf zu vertrauen. D.H. Ihr Sohn muss wieder Vertrauen fassen, dass es auch ohne das Prozedere geht und Sie ebenso! In den letzten Wochen hat er -zu Recht - etwas anderes erfahren, so wird es ihm und Ihnen (!) sicher nicht leicht fallen, wieder mit weniger Hilfen auszukommen. Das bedeutet Stress und eine erneute Veränderung - doch Ihr Sohn ist gesund und von daher können Sie ihm dies durchaus zutrauen. Stress heißt schließlich nicht Angst! Ein Kind darf Frust oder Stress erfahren, wenn es auf gewohnte Einschlafhilfen verzichten muss- Das ist nicht angenehm und erfordert Geduld und Ausdauer, doch wenn einmal die Basis da war, wird dies i.d.R. auch schnell wieder besser! Auch in Zukunft wird es immer wieder mal Situationen geben, wo mal einen Schritt zurückgeht, um dann zwei voranzukommen. So wie Sie Ihren Kleinen beschreiben, werden es vielleicht sogar dann gleich drei oder vier Schritte auf einmal, die zu bewältigen sind. Fortschritt bedeutet jedoch immer Veränderung und damit auch eine Anpassungsleistung. Da muss man gar nicht so weit gucken. Selbst wir Erwachsenen klammern uns ja gern an lieb gewonnene Gewohnheiten, selbst wenn diese weniger positiv sind. Auch uns fehlt manchmal die Energie oder der Antrieb etwas zu ändern. Unseren Kindern geht es da nicht anders, zumal in Ihrer Welt so wahnsinnig viel in kurzer Zeit passiert. Da braucht es manchmal dann den Impuls von außen (= hier also Ihnen als Mutter), um eine Änderung anzuregen. Dies geht nicht von heute auf morgen, auch wenn Sie eben nicht von Null anfangen müssen. Allerdings braucht es i.d.R. nicht mehr als ein, zwei Wochen bei ausreichender Konsequenz - was nicht lang ist, wenn man die neun Wochen, die ihr Sohn hatte, sich an etwas anderes zu gewöhnen, mal betrachtet. Am Schlafverhalten am Tage habe ich übrigens nicht auszusetzten! Es macht einfach keinen Sinn, ein Kind stundenlang zum Schlafen zu motivieren. Das macht Sie beide nur verrückt! Also, haben Sie Mut, wieder zurück zur Normalität zu gehen, auch wenn dieser Schritt wieder neue Energien fordert! Sie waren einfühlsam, als Sie sich um Ihren kranken Sohn gekümmernt haben und nun können Sie ebenso einfühlsam sein, wenn sie ihm wieder mehr zutrauen! Das bedeutet dann, dass sich sich trauen, den Protest auszuhalten und aufs Tragen und Schuckeln zu verzichten - denn auf Dauer ist dies wirklich keine günstige Einschlafhilfe. Ich wünsche Ihnen viel Kraft, und lassen Sie sich nichts einreden. Die Energie für Schuldgefühle ist besser in Toben mit Ihrem Kleinen investiert! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 24.04.2016