Panisch gucken

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Panisch gucken

Hallo, meine Tochter wird am Sonntag 12 Wochen alt und kommt schon immer sehr schwer zur Ruhe. Sie schaut unteranderem immer Sachen an (im Wohnzimmer ein Bild an der Wand, im Schlafzimmer war es auch erst ein Bild, habe es abgenommen, nun ist es das Fenster) und guckt dabei panisch, dann sucht sie die Brust, muss aber wieder hingucken und dann wieder die Brust. So geht das immer hin und her. Ich dachte es wird sich mal geben aber das ist nun schon seit paar Wochen so. Ist das normal? Was kann ich tun? Generell schläft sie überhaupt nicht allein, muss mich immer mit hinlegen und selbst dann kommt sie schlecht in den Schlaf. Sie schläft auch nicht auf dem Arm oder im Tragetuch ein. Ich versuche sie so wenig Reize wie möglich auszusetzen (kein Fernseher, kein großer Besuch, keine neue Umgebung, nicht zuviel Spielzeug, sie oft hinzulegen). Sie wird jetzt auch im Wagen wach und ist nur am gucken). Lg Sandra

von Sani1984 am 10.03.2016, 09:21


Antwort auf: Panisch gucken

Liebe Sandra! grundsätzlich kann ich an Ihren Beschreibungen nichts "Unnormales" finden. Es kann tatsächlich sein, dass Sie ein sehr waches, sensibles und aufmerksames Kind haben, was eben sehr stark auf seine Umwelt reagiert. Das können Sie als Mutter sehr viel besser einschätzen als ich. Das heißt aber nicht, dass Ihre Tochter krank oder gestört ist, sondern am ehesten, dass sie einfach feinfühliger und vielleicht auch etwas "dünnhäutiger" als der Durchschnitt ist. Natürlich kann es dann sein, dass Ihre Kleine dazu neigt, sich zu überfordern. Manche Kinder "beißen" sich regelrecht an bestimmten (vorzugsweise optischen) Reizen fest, so als ob sie nicht wegschauen können. Das kann dann tatsächlich so lange gehen, bis die Stimmung kippt. besonders starke Kontraste und Muster finden Kinder fesselnd. Ferner reagieren Babys und Kleinkinder oft sehr empfindlich auf "Abweichungen", etwa auf einen neue Haarfarbe, einen Fleck auf der Bluse, eine neue Anordnung von Dingen etc. Es ist natürlich nicht immer angenehm, wenn Ihre Tochter Reize so intensiv wahrnimmt, doch auch nicht wirklich schlimm. Nach und nach wird Ihre Tochter lernen, sich selbst besser zu regulieren und z.B. einfach wegzugucken, wenn etwas Zuviel wird. Üben im eigentlichen Sinne können Sie das mit ihr nicht. Hier kann man davon ausgehen, dass Reifeprozesse einfach noch nicht abgeschlossen sind. Es ist daher richtig, dass Sie darauf achten, dass Sie Ihrer Tochter ausreichend Ruhepausen geben, in denen Sie auch die Reize reduzieren. Es ist allerdings nicht nötig, dass Sie Ihre Tochter isolieren und vollkommen abschirmen. Die Dosis macht das Gift, sprich: leben Sie ganz normal, aber gönnen Sie ihr eben regelmäßig tagsüber alle 1,5 bis 2 Stunden Pausen. Sie muss in diesen Pausen nicht schlafen! Sehen Sie dies als ein Angebot an Ihr Kind zur Ruhe zu kommen. Wenn Ihre Tochter partout nicht schlafen will, brechen Sie den Versuch nach ca. 20 Minuten ab. Stundenlange Einschlafmanöver zermürben Sie beide nur. Warten Sie lieber bis zur nächsten Pause und versuchen es dann erneut und das jeden Tag auf Neue. Besuch und andere "Programmpunkte" sind ebenso völlig in Ordnung, solange sie eben nicht überhand nehmen. Legen Sie einfach Aktivitäten bevorzugt in die Vormittagsstunden und vermeiden Sie Zuviel Trubel am späten Nachmittag und Abend. Vergessen Sie zudem nicht, dass Sie die wichtigste Informationsquelle für Ihre Tochter sind! Wenn sie also durch ein Bild o.Ä. beunruhigt wird, reagieren Sie gelassen - es ist ja schließlich auch keine Gefahr da! Hilfreich ist es zudem, wenn Sie mit Ihrer Tochter viel sprechen "Oh, das Bild ist spannend. Ups, jetzt wird es dir wohl unangenehm das anzuschauen. Na, dann lass und mal weggehen" etc.). Kommentieren Sie einfach alles, was Sie beobachten. So helfen Sie Ihrer Tochter, die Dinge einzuordnen. Selbst wenn sie Sie natürlich noch nicht wortwörtlich versteht, den Tonfall, Ihre Mimik und Gestik kann sie schon sehr gut erfassen. Außerdem ist es auch eine gute Übung für die Eltern, mal wirklich genau darauf zu achten, was das Baby gerade macht und welche Signale es aussendet. Vielleicht ist Ihr Kind gar nicht immer panisch, sondern erstaunt oder verwirrt. Im übrigen ist Sensibilität kein Makel. Sie bedeutet sicherlich die ein oder andere Herausforderung für Sie und Ihr Kind, doch bietet sie auch enormes Potenzial! Sensibel heißt eben auch feinfühlig und feinsinnig und kann damit buchstäblich ein "feiner" Zug einer Persönlichkeit sein. Also, machen Sie sich nicht so viele Sorgen! Die anstrengenste Zeit haben Sie bald geschafft und in den allermeisten Fällen werden Kinder mit drei-vier Monaten deutlich ausgeglichener. Allein Schlafen muss Ihre Tochter zudem auch noch nicht können. Seien Sie also ruhig bei Ihr bis Sie schläft und helfen Sie ihr mit Ihrer Ruhe. Alles Gute für Sie! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 14.03.2016