Meine 10 Monate alte Tochter will tagsüber nicht schlafen

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Meine 10 Monate alte Tochter will tagsüber nicht schlafen

Sehr geehrte Frau Dr. Bentz, mein Mann und ich sind zur Zeit mit den Nerven am Ende. Unsere Tochter wird jetzt 10 Monate alt, ist sehr aktiv und lebhaft. Das macht sie natürlich müde und jetzt das Problem: jedesmal wenn wir versuchen sie hinzulegen fängt sie wahnsinnig an zu schreien, macht ein Hohlkreuz und verkrampft sich total! Dann hilft nichts mehr..Sie findet einfach keine Ruhe, obwohl sie total übermüdet ist. Manchmal habe ich das Gefühl, dass sie tagsüber Schlafen als Bestrafung wahrnimmt?! Ich hoffe Sie können mir irgendwie weiterhelfen. Liebe Grüße

von Sannah2910 am 22.08.2016, 11:41


Antwort auf: Meine 10 Monate alte Tochter will tagsüber nicht schlafen

Liebe Sannah! Kurze Gegenfrage: wie nehmen Sie den das Schlafen am Tage wahr? Als Erholung, als Möglichkeit zum Krafttanken und Entspannung? Wohl kaum, dem nach den was Sie andeuten, ähnelt das ganze mehr einem nervenaufreibenden Kampf als wirklichen Ruhepausen. Viele Eltern geht es ähnlich und die Hilflosigkeit ist oft sehr groß. Für uns Erwachsene ist es ja auch unverständlich, wieso ein Kind, wenn es müde ist, nicht das Naheliegenste tut, nämlich einfach zu schlafen. So kann sich eine Situation schnell aufschaukeln: man will das quengelige Kind unbedingt zum Schlafen bewegen, hat Angst, dies könnte nicht klappen, ist angespannt und nervös, dann wieder ärgerlich, wütend und gereizt, tut nervös mal dieses und jenes. Das Kind wird anstatt ruhiger immer zappeliger, wehrt sich gegen den Schlaf und weinerlicher bis es sich in seine Unruhe völlig reinsteigert und gar nichts mehr geht. Ein Teufelskreis! Ich gehe nicht soweit und unterstelle, dass ein Kind im Alter Ihrer Kleinen Schlaf wirklich als Bestrafung betrachtet, wohl aber wird sie die ganze Anspannung spüren. Ich nehme zur Veranschaulichung gerne folgendes Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie machen einen Entspannungskurs und die Kursleiterin läuft mit verschränkten Armen nervös vor Ihnen auf und ab, guckt ständig auf die Uhr um Sie dann mit gereiztem Unterton zu fragen, wann Sie denn endlich anfangen, sich zu entspannen. Das ist jetzt sicher überspitzt, und ich möchte des auch nicht als verdeckten Vorwurf an Sie verstanden wissen. Ich weiß sehr wohl, wie es sich anfühlt, selbst chronisch übermüdet ein Kind nicht zum Einschlafen bringen zu können. Was da hilfreich ist - und zwar für Sie alle - ist zunächst einmal den Druck rauszunehmen. Sehen Sie die einzelnen Schlafenzeiten am Tage als Angebot an Ihr Kind! Ihre Kleine muss nicht schlafen. Zunächst ist es entscheidend, ihr regelmäßig und frühzeitig Ruhepausen zu verschaffen, einen Rhythmus zu etablieren und sie vor Überreizung und Überstimulation zu schützen. D.h. wenn Sie am Tag einen Versuch starten, sie zum Schlafen zu bringen, machen Sie das immer in etwa um die gleichen Zeiten und auf die gleiche Weise. Brechen Sie dann, wenn es nicht klappt, die Versuche nach spätestens 20 bis 30 Minuten ab, bis wieder die nächste Ruhepause ansteht usw. usw. Durch stundenlange Bettbringeversuche wird ein Rhythmus immer wieder durcheinander gebracht; schläft ein Kind nach 1,5 Stunden endlich, kann es möglichweise am Abend nicht einschlafen etc. Daher ist ab einem Alter von ca. 6 Monaten es auch ok, wenn Sie Ihr Kind wecken, sollte es deutlich zu lang schlafen. Das kann dann natürlich bedeuten, dass Sie Zeiten haben, an denen sich Ihre Kleine durchnörgelt. Doch auch wenn dies zugegebenermaßen Tage zum Abgewöhnen sein können, ein gesundes Kind wird sich nicht dauerhaft in ein gefährliches Schlafdefizit bringen. Es passiert im Ernstfall also kein Supergau, und genauso sollte man auch an die Sache herangehen. Sicher, das ist in der Praxis schwieriger als es sich so sagt. Doch können Sie mit ganz einfachen Mitteln die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass es klappt. Wenn Sie anstatt bei Ihrem Kind einfach mal bei Ihrer Ruhe, Ihrem Schlaf und Ihrer Entspannung ansetzen, ist das schon einmal die halbe Miete. Regelmäßige Auszeiten, „Babyfrei“, sich abwechseln und gut aufteilen sind alles Dinge, die leider viel zu oft als „Luxus“ betrachtet werden und etwas, „was ja irgendwann allein wieder kommen wird“. Doch dies Ausharren und Hoffen auf bessere Zeiten kann dazu führen, dass man wirklich irgendwann keine Reserven mehr hat, um geduldig und feinfühlig zu sein. Es ist ein Denkfehler darauf zu warten, dass es mal besser klappt, um mal wieder Zeit für sich zu haben, mal zu entspannen etc. In vielen Fällen scheitert das „besser klappen“ nämlich an dem Mangel an Ressourcen, Veränderungen durchzuziehen. Müdigkeit und Stress macht mürbe, da ist es einfach nur menschlich den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen. Ich empfehle Eltern sich wirklich frühzeitig um Unterstützungs- und Entlastungsmöglichkeiten zu kümmern und aktiv dafür zu sorgen, dass Auszeiten auch wahrgenommen werden können. In diesem Sinne Ihnen allen alles Gute! Ich werde am 01.09. meine Tätigkeit hier beenden müssen. Sollten Sie noch weitere Fragen haben, finden Sie jedoch bei meinen Kollegen/innen weiterhin kompetente Hilfe. Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 29.08.2016