Baby schläft nur im kiwa o pezziball - was kann ich tun?

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Baby schläft nur im kiwa o pezziball - was kann ich tun?

Liebe Frau Dr. Bentz, Kurze Vorgeschichte: in den ersten 3,5 Monaten war mein Kind nahe am Schreibaby. Viel Koliken, wahrscheinlich auch Hunger ( Stillen hat nicht geklappt) generelle Unruhe. Um ihn zu beruhigen, haben wir den Fön angemacht, spazieren gegangen oder sind auf dem Ball rumgehüpft. Er schlief sehr gut, wurde nur 1 Mal wach, flasche, dann schlief er weiter. Nun ist er 8,5 Monate,, ein Sonnenschein, aber hat immer mehr schlafprobleme. Nachts wacht er zwischen 2 und 4 Mal auf, manchmal reicht Schnuller rein, manchmal muss ich Fön anmachen. Seit er Krabbeln kann, stellt er sich nachts auf alle Viere und weint. Tagsüber hat er immer in der Wippe geschlafen, nun nicht mehr. Ich versuche ihn ins Bett zu legen, was vorzusingen, aber er turnt nur rum. Irgendwann weint er und hört nicht mehr auf. Das geht 30 minuten so, bis ich mich jedes Mal geschlagen gebe und bei Wind und Wetter spazieren gehe, da er sonst nicht einschläft. Abends schläft er übrigens nur auf dem Petziball ein oder mit Flasche. Er wird dann schlafend ins Bett gelegt. Haben Sie eine. tipp., wie ich ihn ans Bett gewöhnen kann? Tagsüber habe ich gar kein Ritual (bis auf Singen). Meine Nerven liegen langsam blank, immer dieser Schlafärger. Vielleicht haben Sie auch noch einen Tipp, wie ich ihn zum Durchschlafen (oder weniger aufwachen) bringe? Alleine kommt er einfach nie zur ruhe. Herzlichen dank!

von andimu am 04.08.2016, 20:27


Antwort auf: Baby schläft nur im kiwa o pezziball - was kann ich tun?

Liebe andimu! Das hört sich wirklich sehr anstrengend an, und ich kann mir gut vorstellen, wie erschöpft Sie nach fast 9 Monaten sind. Nehmen Sie Ihre Signale ernst, denn es ist kein Zeichen von Schwäche, sorgsam mit seinen Grenzen umzugehen. Diese Verantwortung kann ein Kind nicht für uns übernehmen, das müssen wir selbst! Mein Tipp lässt sich sehr einfach zusammenfassen: Lassen Sie all das! Die Kunst besteht also im Weglassen und Aushalten der Unruhe. Weniger ist mehr! Wie das? Es ist kein Bedürfnis eines Kindes in den Schlaf geföhnt, gewippt oder geschuckelt zu werden. Das Grundbedürfnis was sich dahinter verbirgt, ist Schlaf bzw. Ruhe. Während manche Kinder keine Probleme damit haben, sich bei Müdigkeit und Überreizung abzuwenden und einzuschlafen, haben andere damit ihre Schwierigkeiten. Gründe dafür gibt es viele. In den ersten Monaten ist die Rolle der Hirnreifung sehr dominant, mit zunehmendem Alter wächst dagegen der elterliche Einfluss. Sie haben mit besten Absichten gehandelt und wollten Ihr Baby einfach nur beruhigen, was kurzfristig ja auch gut funktioniert hat. Die Crux ist: gerade die Kinder, die Probleme mit der Selbstregulation haben, sind dankbare Abnehmer für allerlei Ablenkung und intensive Reize. Doch führen diese Dauerstimulationen nicht wirklich zum gewünschten Effekt, sondern sorgen für eine chronische Überreizung und immer intensiveren Reizhunger. Man vermutet, dass durch eine ständige Stimulation des hinteren Aufmerksamkeitssystems (Zuwendung zu neuen Reizen) Mikrobelohnung im Hirn erfolgen, der Reizhunger also zumindest in Teilen eine erlernte Reaktion ist. Man kann sich das etwa so vorstellen: Müdigkeit, Hunger, Überforderung, etc. sind unangenehmen Zustände die ein Säugling erst noch richtig einsortieren muss. Lenkt man ihn von diesen Zuständen erfolgreich ab, ist das zunächst angenehm für das Kind (Mikrobelohnung). Allerdings wird so verhindert, dass das eigentliche Bedürfnis, nämlich Schlaf, Nahrung, Ruhe etc. rechtzeitig befriedigt wird. Zudem wird so blockiert, dass das Kind lernt, was sich hinter diesen Zuständen verbirgt, sprich es weiß gar nicht mehr, was los ist. Tatsächlich zeigen Kinder mit länger bestehenden Regulationsstörungen oft unklare Signale, weil ihnen die Einordnung der eigenen Zustände offenbar nicht recht gelingt. Möglicherweise sind Sie in eine ähnliche Falle getappt. Dies jedoch aus gutem Grund, denn schließlich ist es ureigener Instinkt, ein Baby nicht schreien zu lassen. Doch es bestehen Unterschiede zwischen dem früher propagierten „Allein-Ausschreien-Lassen“ und der Akzeptanz, dass eine Baby eben auch mal weinen muss - bei entsprechenden Schwierigkeiten eben auch deutlich mehr als andere. D.h. Sie können Ihr Kind nur dann beruhigen, wenn Sie zulassen, dass es zur Ruhe kommt. Das ist für ein Kind, was sich an intensive Reize zum Einschlafen gewöhnt hat, nicht einfach und sicherlich Stress. Doch Stress ist der Schlafmangel und die chronische Überreizung ebenfalls! Also, trauen Sie sich, mal nicht aktiv einzugreifen, wenn Ihr Kind vor Müdigkeit weint. Bleiben Sie bei Ihm, legen Sie eine Hand auf den Bauch, stellen Sie sich ggf. schlafend und machen Sie sonst aber nichts. Halten Sie das konsequent für ca. 14 Tage durch, denn solange dauert es ungefähr, bis sich nachhaltige Änderungen etablieren. Das ist schwer, doch leider gibt es keine Alternative, außer es so zu belassen. Bedenken Sie immer, dass Ihr Kind viel Zeit hatte, sich an diese Dinge zu gewöhnen, und nun auch Zeit braucht, sich umzuorientieren. Erst durch die widerholte Erfahrung, dass nichts Schlimmes passiert, wird Ihr Sohn lernen, auf diese etablierten Hilfen zu verzichten. Bei allem sind jedoch folgende Dinge wichtig: - Kein Programm nützt etwas, wenn ein Kind nicht schlafen kann, weil es entweder zu müde oder gar nicht müde ist. Beobachten Sie daher Ihr Kind genau und führen Sie ggf. 24-h- Protokolle, um den genauen Schlafbedarf zu ermitteln. - Sorgen Sie für einen strukturierten Tagesablauf mit einigermaßen festen Zeiten und widerkehrenden, klaren Ritualen und Abläufen. Ihr Kind braucht Sie als Wegweiser und Taktgeber. - Sprechen Sie mit Ihrem Kinderarzt über die Schlafprobleme. Einige organische Erkrankungen können Schlafprobleme verursachen, und es wäre unschön, diese zu übersehen. Und bitte – denken sie nicht in der Kategorie „Schuld“. Auch das ist eine typische Falle! Sie haben nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt, und bei vielen Kindern führen diese Dinge auch überhaupt nicht zu Problemen. Sie haben jedoch vermutlich ein Kind, was einfach ein bisschen sensibler und störanfälliger ist. Das zu akzeptieren, und entsprechend gnädiger mit sich zu sein, ist oftmals schon ein erster Schritt zur Besserung! Ich drücke Ihnen die Daumen und wünsche viel Kraft und Geduld bei der Kunst des Weglassens! Herzlichst, Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 07.08.2016


Antwort auf: Baby schläft nur im kiwa o pezziball - was kann ich tun?

Liebe Frau dr. bentz, Vielen dank für Ihre nette Antwort. Das hört sich logisch an. Nur in der Praxis ist es schwierig. Ich lege mein Kind ins Bett wenn er müde ist ( augenreiben), dann hampelt er 15 minuten rum. Ich singe etwas oder " klopfe" auf den Po. Dann irgendwann schreit er, will raus aus dem Bett. Und irgendwann ist der Punkt überschritten, er ist übermüdet, und schreit sich in Rage. Und ich mit den Nerven am ende. Und dann tue ich ihn doch in den kiwa. Soll ich tagsüber auch ein ritual machen? Und wie wchaffe ich ihn zu beruhigen, so dass er sich entspannt? Das ist so schwer mit ihm. Danke nochmals!

von andimu am 08.08.2016, 09:47


Antwort auf: Baby schläft nur im kiwa o pezziball - was kann ich tun?

Liebe andimu! ein kleines, kurzes Ritual (z.B. ein Schlaflied) ist immer gut. Wenn nach ca. 20 Minuten immer noch keine Ruhe eingetreten ist, dann berechen Sie den Versuch ab und machen wie geplant weiter. Sehen Sie das ganze als Angebot an Ihr Kind: Es muss nicht schlafen, kann aber zur Ruhe kommen. Wenn Ihr Kind dann mal nicht schläft, ist es zwar unschön, aber auch kein Drama. Nur durch Regelmäßigkeit (plus/minus 30 Minuten Spielraum sind ok) werden Sie einen Rhythmus einführen können. Viel Erfolg! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 10.08.2016


Antwort auf: Baby schläft nur im kiwa o pezziball - was kann ich tun?

Liebe Frau Dr. Bentz, danke für Ihre obigen Tipps. Ich bin nun seit 2 Wochen am Schlaf "anbieten". Es sieht nach wie vor so aus: Kind (9 Monate) ist müde, ich nehme ihn, lege ihn in sein Bett. Sofort steht er auf, turnt rum. Ich mache Rolladen zu, singe bisschen, ziehe Spieluhr auf, lege ihn hin. Singe weiter. So geht das 10 Minuten, irgendwann wird er genervt, will raus aus dem Bett. Steht dort, weint, weil ich ihn nicht rausnehme. Dann hole ich Flasche, gebe sie ihm, er wird manchmal müde, trinkt und geht wieder in den 4Füßlerstand, um aufzustehen. Ich singe nochmal kurz, bin schon völlig genervt und gehe dann doch mit ihm im Kiwa spazieren. Wie kann ich das Angebot verbessern? Soll ich mal aus dem Zimmer gehen, ihn 5 Minuten weinen lassen? Ich glaube, unser Kind würde auch nach 1 Std nicht einschlafen. Andere ergeben sich irgendwann, er nie. Soll ich danach gar nicht mehr spazieren gehen? Das war dann seine Schlaf"chance"? Ich mache die obige Prozedur 20 Minuten. Auch wenn er nicht 20 Minuten davon durchweint, bin ich jedes Mal danach total gestresst und genervt und vor allem frustriert. Der 14. Tag und schon wieder hat es nicht geklappt. Soll ich aufhören mit dem Angebot? Weitermachen? Ich bin völlig verunsichert. Ich freue mich nochmal auf einen Tipp. Danke!!!

von andimu am 22.08.2016, 10:49