Baby lässt sich tagsüber kaum beruhigen, was kann helfen?

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Baby lässt sich tagsüber kaum beruhigen, was kann helfen?

Hallo! Meine Kleine ist jetzt 4 Wochen alt und sie lässt sich tagsüber kaum beruhigen und wenn doch, dann nur auf dem Arm und sobald man sie in ihr Bett legt fängt sie an zu schreien und zappelt mit Armen und Beinen. Wenn sie dann doch einschläft, wird sie kurz darauf vom Hunger wieder geweckt. Meist schläft sie tagsüber vl 2 Stunden. In der Nacht haben wir derzeit einen guten Rhythmus. Ich möchte dazu anfügen, dass die Schwangerschaft für mich nicht einfach war, da mein Partner nicht wusste ob er zu uns steht oder nicht. Die Geburt müsste dann eingeleitet werden und endete in einer Katastrophe, da sie zweimal stecken geblieben ist. Die Beziehung zu meinem Partner ist derzeit auch nicht die beste. Ich habe das Gefühl, dass sich das alles auf sie übertragen hat. Ist sie ein sogenanntes Schreibaby? Wie kann ich ihr helfen, dass sie sich wieder beruhigt und es ihr gut geht? LG

von Denise1508 am 17.03.2016, 14:43


Antwort auf: Baby lässt sich tagsüber kaum beruhigen, was kann helfen?

Liebe Denise! zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zur Geburt Ihrer kleinen Tochter! Sicher haben Sie sich Schwangerschaft und Geburt anders vorgestellt, und es wäre Ihnen auch zu wünschen gewesen. Doch ein schwieriger Start muss nicht dauerhaftes Unglück bedeuten! Ich bin aufgrund Ihrer Beschreibung auch sehr sicher, dass Ihre Kleine kein Schreibaby ist / wird, obwohl ich an dieser Stelle natürlich keine Diagnosen stellen kann. Doch was Sie beschreiben liegt absolut noch im natürlichen Rahmen! Viele Eltern sind verunsichert, wenn Ihr baby sich noch nicht selbst beruhigen kann und nicht allein in seinem Bettchen schläft, doch im Alter von vier Wochen können das die wenigsten! Dies liegt daran, dass der Schlaf eines Neugeborenen sich noch sehr stark von dem Erwachsenenschlaf unterscheidet, noch kein stabiler Rhythmus vorhanden ist und bestimmte Strukturen im Hirn, die für die Selbstregulation wichtig sind, einfach noch nicht reif sind. Es ist daher also völlig normal, wenn ein Säugling auf die Eltern beim Schlafen angewiesen ist und sich am besten auf dem Arm beruhigt. Setzten Sie sich daher nicht unter Druck, dieses Verhalten unbedingt fördern zu müssen, dafür ist Ihre Kleine einfach noch zu jung. Selbst wenn es bei anderen scheinbar mühelos klappt - Sie machen nichts falsch! Manche Kinder sind von Natur aus ruhiger und können sich schon sehr gut selbst gegen zu viele Reize abschirmen und schlafen einfach, wenn sie müde sind, andere brauchen etwas länger. Eine stressige, konfliktreiche Schwangerschaft ist tatsächlich ein Risikofaktor für verschiedene Schwierigkeiten im Säuglings- und Kleinkindalter, doch mit Gedanken daran sollten Sie sich nicht übermäßig belasten - Sie haben sich das Ganze ja nicht ausgesucht. Viel wichtiger als das was war, ist das was jetzt ist. Bleiben Sie also auch gedanklich im Hier und Jetzt und verbannen Sie Fragen an das was war und das was sein könnte. Sie haben eine bezaubernde kleine Tochter, deren Pflege sehr anstrengend ist. Sie dürfen erschöpft sein und müssen sich nicht immer wie auf Wolke 7 fühlen. Ja, auch Zweifel, wie "schaffe ich das?" und ambivalente Gefühle wie Wut, Frust, Ärger sind absolut normal und bedeuten nicht, dass Sie keine gute Mutter sind oder Ihr Kind nicht lieben können. Denken Sie einmal daran, wie es in der Liebe so ist. Sie können auf Ihren Partner auch gerade ärgerlich sein und mal das Bedürfnis nach Ruhe haben und trotzdem lieben. Genauso ist es mit Kindern, auch wenn uns die und auch Werbung, manche Bücher und auch manche Eltern etwas anderes suggerieren. Haben Sie also keine Angst, wenn es nicht immer alles so perfekt anfühlt. Ich liebe meine Kinder auch, doch wenn gerade meine neue Jeans mit Edding bekritzelt wurde, habe ich kein erhabenes Glücksgefühl. Was für Sie beide wichtig ist, ist dass Sie einen Alltag entwickeln, der für Sie beide gut funktioniert. Natürlich sind in der ersten Zeit einige Zugeständnisse an die Bedürfnisse Ihres Kindes notwendig, doch dies sollte nicht bis zur totalen Selbstaufgabe gehen. Gucken Sie also mal, wie Sie den Bedürfnissen Ihrer Kleinen nach körperlicher Nähe und sich selbst gut gerecht werden. Ich empfehle bei so jungen Kindern schon frühzeitig das Tragen im Tuch / einer Tragehilfe einzuführen, denn dies ist - wenngleich kein Allheilmittel - einfach eine enorme Arbeitserleichterung (= Hände frei). Generell brauchen gerade unruhige Kindern Begrenzung, etwa durchs Pucken oder spezielle Lagerungskissen, die wie ein kleines Stillkissen um die Babys gelegt werden. Ein großes leeres Bett ist einfach oft zu ungewohnt für die Kleinen, die ja zuvor nur die Enge des Mutterleibes gewohnt waren. Das hektische Fuchteln ist übrigens kein Zeichen von Ablehnung oder Missfallen. Die kontrollierte Steuerung der Motorik muss erst erlernt werden und entsprechende Verbindungen wachsen. Versuchen Sie mal, Ihren kleinen Zeh unabhängig von allen ande-ren Zehen zu bewegen, dann wissen Sie, was Ihr Baby mit seinen Armen und Beinen für ein "Problem" hat. Bevor Sie Ihre Kleine hinlegen, sollte sie satt sein. Das ist immer etwas Fummelei in der ersten Zeit, da eben noch kein wirklicher Rhythmus vorhanden ist, doch mit der Zeit klappt dass immer besser. Machen Sie einfach alle 1-1,5 Stunden schon eine Pause, damit Sie nicht zu müde zum Trinken ist. Gern dürfen Sie sich auch mit ihr hinlegen. Sie selbst brauchen ja auch noch Ruhe und Erholung! Ansonsten: wenn es in der Partnerschaft und im familiären Umfeld nur wenig Unterstützung gibt, bietet es sich an, sich gleich um externe Hilfe zu bemühen. Das Projekt wellcome etwa bietet unkomplizierte Alltagshilfen für junge Eltern. Auch die Frühen Hilfen sind ein kompetenter Ansprechpartner und begleiten junge Familien auf Wunsch auch über das erste Lebensjahr hinaus. Es ist für viele schwierig, sich von außen Unterstützung zu ho-len, doch es ist von der Natur einfach nicht vorgesehen und lediglich ein Phänomen unserer Zeit, dass Mütter / Väter mit einem Neugeborenen alles allein machen. Es ist weder notwendig noch sinnvoll, alles alleine zu schaf-fen. Ich bin sicher, Sie werden bald gemeinsam mit Ihrer Tochter im Alltag ankommen. Haben Sie dabei Mut, Ihren eigenen Weg zu finden und sich dabei von anderen unterstützen zu lassen! Alles Gute! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 22.03.2016