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Geschrieben von Sally_98 am 27.01.2014, 23:40 Uhr

Gebärden

Hallo!
Heute erzählte mir eine Gebärdendolmetscherin folgende Geschichte:
Ihr Vater und die Großeltern sind taubstumm, ihre Mutter hörend. Als Kind weigerte sie sich Gebärden zu nutzen. Ihre Mutter sagte immer: "Das Kind lernt es nie." "Das wird nichts mehr."
-Das ist der Punkt der mich daran erinnerte, daß hier auch oft gefragt wird, warum das Kind denn nur in der Umgebungssprache spricht und so lange Zeit nicht in der Sprache von Mutter oder Vater.-
Eines Tages war sie mit dem Opa Schlitten fahren. Er zog sie gerade wieder den Berg nach oben, als sie vom Schlitten viel. Alles rufen nach dem Opa nützte nichts. Er hörte sie ja nicht. Als dieser endlich registrierte, daß der Schlitten viel zu leicht war und sich umdrehte war sie so wütend, daß sie ihn mit Gebärden beschimpfte. Der Opa war natürlich tief betroffen.
Sie sprach /gebärdete seit dem Erlebnis ganz normal.

Ich poste die Geschichte aus 3 Gründen.
1. Sie gefiel mir einfach.
2. Ich will nochmal allen Mut machen, deren Kinder in der weniger dominaten Sprache noch nicht reden. Das wird schon, sobald es einen Anlaß dazu gibt.
3. Es interessiert mich, ob die Gebärdensprache gleich wie englisch, spanisch oder sonstige als Zweitsprache betrachtet werden kann.

Derzeit werden ja oft Kinder mit Autismus oder diversen Behinderungen zur Kommunikation durch Gebährden aufgefordert. Im weitesten Sinne haben diese Kinder im Grunde ein gutes oder gar normales Sprachverständnis. Sie reden aber nicht. Gebärden wenden sie aber eingeschränkt an.

Nun ja, es ist spät. Ich wünsche Euch allen eine Gute Nacht!

 
8 Antworten:

Re: Gebärden

Antwort von Kacenka am 28.01.2014, 12:30 Uhr

Zu den ersten beiden Punkten: meine volle Zustimmung.
Zum dritten Punkt: ich würde einen Unterschied machen wollen zwischen der Gebärdensprache, wie sie von Gehörlosen / Taubstummen idealerweise von Kind an gelernt und gesprochen wird und den Gebärden, die als Hilfsmittel in der Kommunikation bei Autisten usw. angewendet werden.
Erstere sind (es gibt mehrere!) definitiv komplexe Sprachen wie jede andere auch - mit Grammatik, Stilistik, individuellen Ausprägungen usw. Das wird mittlerweile auch so anerkannt und es wird auch jedem klar, der eine dieser Gebärdensprachen lernen möchte, um als Dolmetscher für Gehörlose zu arbeiten. Diese Sprachen sind nur viel weniger erforscht und wissenschaftlich beschrieben.
Das Aufwachsen mit Gebärdensprache ist für gehörlose Kleinkinder Bedingung, um später überhaupt eine Chance zu haben, unsere akkustische Sprache zu lernen. Ohne diese wachsen sie in den entscheidenden Jahren ohne Sprache auf und das Gehirn entwickelt die entsprechenden Fähigkeiten nicht.

Wie komplex letztere Kommunikationssysteme sind / sein können, weiss ich nicht und es hängt sicher auch davon ab, welche kognitiven Möglichkeiten die betreffenden Kinder entwickeln. So viel ich weiss, arbeitet man bei Autisten ja auch mit Symbolkarten und ähnlichem, sie können damit aber auch teilweise einfache Sätze bilden. Da gibt es sicher viele Methoden.

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Re: Gebärden

Antwort von yartina am 28.01.2014, 20:26 Uhr

ich finde deine geschichte schön!
eigentlich gehöre ich nicht ins mehrsprachen-forum, aber durch einen betreff wurde ich neugierig.
ich bin nämlich gerade dabei, einen gebärdenkurs zu absolvieren.

deshalb kann ich sagen: es ist wie eine fremdsprache zu lernen, defintiv. und auch nur durch üben und wiederholen der worte wird man besser.
in jedem land gibt es auch für die einzelnen worte unterschiedliche gebärden, so können nicht unbedingt deutsche mit engländern (z.b.) gebärden.
teilweise schon, aber in vielen begriffen eben nicht.

schönes beispiel von dir.

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die Eltern

Antwort von somane am 29.01.2014, 7:12 Uhr

von der besten Freundin meiner Grossen sind beide taubstumm. Die beiden Töchter können zwar die Gebärdensprache, benützen sie aber in der Öffentlichkeit kaum. Wie es ist, wenn niemand zuschaut, weiss ich natürlich nicht. Die Mädchen sind 12 und 16 Jahre alt. Die Eltern lesen von den Lippen ab.

LG

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Re: Gebärden

Antwort von DK-Ursel am 29.01.2014, 9:12 Uhr

Hej allesammen!

ja, eine Mutmachgeschichte der anderen Art.
Die Freundin meiner Großén studiert hieruzlande Gebärdensprache und wie Du, yartina, schon schreibst:
ich kann mir zumindest auch kaum vorstellen, daß die Sprache international ist, weil es - wie wir nicht nur in Foren wie diesen, sondern auch in der Familie letztes Wochenende bei einem Familienfest, wo auch meine Cousine aus England nebenden vielen deutschen anwesend war, festgestellt haben, daß dviele Wörter nicht "mal einfach so" zu übersetzen sind, daß sie teilweise geich sind / gleichen Ursprungs sind, aber Verschiedenes bedeuten und/oder daß sie uns in der jeweils anderen einfach fehlen.

Somit haben Gehörlose dann ja auch eine "Muttersprache" und müssen eine Fremdsprache lernen, wenn sie die Gebärden in einer anderen Sprache anwenden wollen.

Gruß Ursel, DK

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danke und @ yartina

Antwort von Sally_98 am 29.01.2014, 22:11 Uhr

Hallo!
Ich habe mir doch gedacht, daß hier im Forum sich einige auch schon mal dazu Gedanken gemacht haben.
Mich beschäftigt im speziellen der Vorteil Gebärden zu nutzen für Kinder mit Behinderungen. Das diese Gebärden zum Teil anders sind und oft auch kombiniert eingesetzt werden ist mir durchaus bewusst.
Die Gebärden sprechen ja sehr den visuellen Bereich an. Ich frage mich, ob die Kinder, die eigentlich sprechen können, durch nutzen dieser evt. später sprechen oder weniger sprechen?
Oder stimmulieren die Gebärden die Lautsprache?
Vielleicht ist es ja auch ganz und gar sinnlos, da ich durchaus Kinder kenne, die keinen Blickkontakt halten können, aber es wird fleißig mit Gebärden gearbeitet.
Wenn die Entwicklung eines Kindes auch nur ein klein wenig stetig vorwärts geht, kann man wahrscheinlich nicht klar erkennen, ob Fortschritte auf Gebärden zurückzuführen sind oder auf anderes.

Yartina, warum lernst Du die Gebärdensprache?
Ich fange demnächst eben auch an. Mein Bericht stammte aus dem Vorgespräch mit der Lehrerin. Da war noch eine Dolmetscherin dabei. Wenn es dann los geht werden wir mit der 100% taubstummen Lehrerin allein sein. Nur zu den Grammatikeinheiten wird hin und wieder nochmal jemand dazu kommen.

LG

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Re: danke und @ yartina

Antwort von Kacenka am 30.01.2014, 9:59 Uhr

Da die Feinmotorik und die Sprache im Gehirn eng miteinander verbunden sind, wird angenommen, dass Gebärden bei Kindern auch die Entwicklung der akkustischen Sprache fördern (und auf keinen Fall behindern) - das kann man jedenfalls den Seiten zum sog. "Babysign" (eine amerikanische Bewegung mit einfacher Gebärdensprache für Babys und Kleinkinder, die noch nicht sprechen - wohlgemerkt nicht unbedingt solche mit Behinderung) entnehmen.
Und es ist auch logisch: Sprechen ist ja auch Motorik in den Sprechorganen - bei den Gebärden kommen nur stärker die Hände zum Einsatz (wenn auch nicht ausschliesslich).
Trotzdem ist das sicher ein Unterschied, ob jemand gehörlos ist - aber nicht geistig behindert - und somit eine Gebärdensprache als Muttersprache lernt, oder ob mit Gebärden behinderte Kinder wie z.B. Autisten gefördert werden, auch wenn hier die einzelnen Zeichen vielleicht aus den Gebärdensprachen entlehnt sind. Das fängt z.B. schon damit an - wie Du richtig bemerkst - dass man schon ziemlich genau hinsehen muss, wenn man mitkommen will bei einer Unterhaltung unter Gehörlosen. Auch sollenn z.B. Dolmetscher für Gebärdensprache bei der Arbeit keine gemusterten Pullover tragen, damit man alles gut erkennen kann (habe ich mir mal von einem solchen sagen lassen :-)) Bei Autisten, die kaum Blickkontakt halten können, dürfte da keine so komplexe Stufe der Sprachbeherrschung erreicht werden, auch wenn ich gerne glaube, dass sie einzelne Gebärden leichter lernen können als akkustische Wörter und dass das ihrer Entwicklung insgesamt förderlich ist, da sie so überhaupt erst mal etwas mehr Kontakt zu den Mitmenschen bekommen.

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Re: danke und @ yartina

Antwort von DK-Ursel am 30.01.2014, 10:02 Uhr

Hej Kacenka!

Blickkontakt ist doch aber was anderes als den Blickkontakt zu Händen zu halten, finde ich.
Da Autisten doch ansonsten auch nicht behindert sind, denke ich, daß das eine sehr gute Möglichkeit sein könnte, in mehr Kontakt mit ihnen uz kommen und z.B. auch Wissen zu vermitteln.

Ansonsten finde ich auch logisch, was Du schreibst - danke für die informationen.

gruß Ursel, DK

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Re: danke und @ yartina

Antwort von Kacenka am 30.01.2014, 17:29 Uhr

naja, die Menschen die ich gesehen habe beim Sprechen in Gebärdensprache, haben auch immer stark mit der Mimik gearbeitet. Und ich weiss auch aus Vorträgen, dass aus dem Gesamtbild des Oberkörpers und des Gesichts mit der Gebärde auch feine Unterschiede wie Idiolekt, Geschlechtervariation usw. hervorgehen - Dinge also, die eine akkustische Sprache auch hat.

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