Frage: Venlax 75 mg.

Guten Abend, Ist die Dosis in der Schwangerschaft unbedenklich? Darf ich das kind stillen mit dem medi wenn es geboren wird? Und sollte ich wegen medikation lieber in einem KH entbinden wo es neonatologie station gibt? Und wegen Panikattaken, durfte ich 2-3 monatlich wenn es passiert 0.5 mg xanax tablete nehmen? Vielen Dank!

von Briele am 29.08.2014, 20:05



Antwort auf: Venlax 75 mg.

Eine prospektiv kontrollierte Multicenterstudie berichtet von 150 Schwangerschaften unter Medikation mit Venlafaxin im I.Trimenon: Neben 7 Schwangerschaftsabbrüchen und 18 Fehlgeburten wurden 125 Neugeborene registriert. Darunter befanden sich zwei Kinder mit einer schwereren Anomalie: 1 x Hypospadie (Harnröhrenfehlmündung), 1 x Neuralrohrdefekt mit Klumpfuß. Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe fanden sich keine signifikanten Unterschiede im Schwangerschaftsausgang (Einarson et al 2001). Im Rahmen einer prospektiven Followup-Studie wurden von unserem Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum zwischen 1997 und 2007 100 Schwangerschaftsausgänge nach Anwendung von Venlafaxin in der Frühgravidität dokumentiert. Die Befunde wurden mit den Daten eines Kontrollkollektives (n=439) aus demselben Zeitraum verglichen, das nicht oder unproblematisch exponiert war. Unsere prospektive, kontrollierte Followup-Studie konnte kein fruchtschädigendes Potential von Venlafaxin nachweisen. Nach mütterlicher Behandlung mit Venlafaxin in der sensiblen Phase der Organdifferenzierung (I.Trimenon) beobachtete man im schwedischen Schwangerschaftsregister unter 505 Neugeborenen keine Zunahme angeborener Anomalien (Lennestål & Källén 2007). Ein erhöhtes Fehlbildungsrisiko aufgrund der Medikation ist angesichts der aktuellen Datenlage nicht zu erwarten. Eine Fortsetzung der aktuellen Medikation mit Venlafaxin ist auch in der Schwangerschaft durchaus möglich. Nach Anwendung von Antidepressiva wie Citalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Mirtazapin, Paroxetin, Sertralin und Venlafaxin im letzten Schwangerschaftsdrittel wurden Atem- und Ernährungsstörungen, Krampfanfälle, Unruhe und anhaltendes Schreien bei den Neugeborenen beobachtet. Diese Beschwerden (max. 2 Wochen nach Geburt) können verlängerten Krankenhausaufenthalt, Beatmung bzw. Ernährung per Sonde erfordern. Es kann sich dabei um direkte unerwünschte Wirkungen der Antidepressiva auf das Neugeborene oder um Zeichen eines Entzugssyndroms handeln. Um diese Anpassungsstörungen zu vermeiden, sollte eine möglichst moderate Dosis von Venlafaxin bis zum Schwangerschaftsende angestrebt werden (z. B. 75 mg pro Tag). Eine Fortsetzung der Anwendung von Venlafaxin in der Stillzeit ist grundsätzlich möglich, so dass Sie auch vor einer Depression nach der Geburt geschützt wären. Ein Übergang von Venlafaxin und seines Metaboliten Desmethylvenlafaxin in die Muttermilch konnten in 29 publizierten Fällen nachgewiesen werden (I-lett et al 1998, Hendrick et al 2001, Berle et al 2004, Weissman et al 2003, Ilett et al 2002, Newport et al 2009). Eine Arbeitsgruppe berichtet von einem mittleren Milch/Plasma-Qotienten von 2,5 für Venlafaxin (Range 2,0-3,2) bzw. 2,7 (Range 2,3-3,2) für Desmethylvenlafaxin (Ilett et al 1998, 2002). Die mittlere Säuglingsdosis beträgt demnach gewichtsadaptiert 6,4% (5,5-7,3%) der mütterlichen Dosis. Die Muttersubstanz Venlaxin fand sich bei 1 von 7 Säuglingen im Plasma, für den aktiven Metaboliten Desmethylvenlafaxin wurden messbare Plasmaspiegel bei 4 von 7 Kindern registriert (Ilett et al 1998, 2002). In einer weiteren Studie konnten man Venlafaxin bei 1 von 3 Säuglingen im Plasma nachweisen, den aktiven Metaboliten bei allen drei Kindern. Die mittlere Serumkonzentration der aktiven Wirkstoffe betrug 10,2% (5,3 – 19,0 %) der mütterlichen Werte (Berle et al 2004). In all diesen Studien traten bei den Säuglingen keine Komplikationen auf (Ilett et al 1998, 2002; Berle et al 2004). Eine Publikation beschreibt die Exposition von zwei Säuglingen unter mütterlicher Therapie mit Venlafaxin (75 bzw. 225 mg/d) und Quetiapin. In beiden Fällen lag die Belastung der Kinder mit Venlafaxin unter 0,1 mg/kg/d. Im Alter von 12 Monaten wiesen beide Kinder eine unauffällige psychomotorische Entwicklung auf (Misri et al 2006). Eine Studie untersuchte die Pharmakokinetik von Venlafaxin und Desvenlafaxin bei 13 Mutter-Kind-Paaren (Newport et al 2009). Bei den Säuglingen wurden keine Komplikationen beobachtet. Messungen bei 5 Mutter-Kind-Paaren ergaben bei den Säuglingen einen mittleren Plasmaspiegel von 6,2% der mütterlichen Werte für Venlafaxin und immerhin 58% für den aktiven Metabo-liten Desvenlafaxin. In der Muttermilch fanden sich stark schwankende Wirkstoffspiegel. Bei mütterlicher Einnahme von Desvenlafaxin (250 mg/d) und Amisulprid (200 mg/d) registrierte man bei einem fünf Monate alten, teilweise gestillten Säugling eine Aufnahme von ca. 1,7% der mütterlichen Dosis über die Muttermilch (Ilett et al 2010). Der Säugling entwickelt sich unauffällig. In einer weiteren Studie wurden 10 Mutter-Kind-Paare unter mütterlicher Therapie mit Desvenlafaxin (50 – 150 mg/d) untersucht. Die mittlere Serumkonzentration der Säuglinge betrug 16 µg/l bei einer mittleren mütterlichen Serumkonzentration von 309 µg/l. Die mittlere Exposition der Säuglinge betrug 6,8% der mütterlichen Dosis. Die Entwicklung der Kinder zeigte keine Auffälligkeiten (Rampono et al 2011). Eine gelegentliche Anwendung von Benzodiazepinen wie z. B. Alprazolam (Xanax) ist bei Bedarf auch in der Schwangerschaft vertretbar.

von Dr. Wolfgang Paulus am 02.09.2014