Frage: Reserveantibiotikum

Sehr geehrter Herr Prof. Paulus, ich bin schwanger und habe eine Allergie gegen Betalactam-Antibiotika. Meine Kinder haben häufig Streptokokken-Infekte und ich möchte mich vorbereiten, welches Antibiotikum ich im Falle einer Streptokokken-Infektion mit Makrolid-resistenten Streptokokken nehmen kann. Außerdem habe ich B-Streptokokken (resistent auf Makrolide und Clindamycin) vaginal und hatte auch schon mal eine einseitige B-Streptokokken-Mastitis, so dass ich mich auch auf die Antibiotika-Gabe intrapartal und ggf. postpartal vorbereiten möchte. In solch einem Fall gibt es die Auswahl zwischen Vancomycin und Daptomycin. Welches würden Sie im Fall einer SS im 3. Trimenon als besser empfehlen? Auf amerikanischen Seiten wird beides als Kategorie B angegeben, wobei Vancomycin ja potentiell oto- und neurotoxisch ist, allerdings besser untersucht als Daptomycin. Bei Stillenden würde ja Vancomycin eher gegeben werden, weil es oral vom Baby nicht resorbiert wird, oder? Ich bin selbst Ärztin und habe leider die Erfahrung gemacht, dass die behandelnden Gynäkologen mit dieser Fragestellung häufig überfordert sind. Vielleicht haben Sie noch Informationen über die Sicherheit von Daptomycin in der Spätschwangerschaft und bei Stillenden? Bei embryotox konnte man mir bei der Mastitis nur sagen, dass es einen Fallbericht gibt, wo Daptomycin keine Probleme gemacht hat...das fand ich etwas dürftig. Ich danke Ihnen!

von Florentina046 am 26.02.2016, 16:58



Antwort auf: Reserveantibiotikum

Bei Daptomycin handelt es sich um ein Lipopeptid-Antibiotikum, das intravenös verabreicht wird. Größere klinische Studien zum Einsatz von Daptomycin in der menschlichen Schwangerschaft liegen nicht vor. Nach mütterlicher Behandlung mit Daptomycin in drei Schwangerschaften (zwei Fälle im zweiten Trimenon, ein Fall im letzten Trimenon) registrierte man kann Komplikationen bei den Nachkommen (Shea et al 2008, Stroup et al 2010, Klibanov et al 2014). Bei Vancomycin handelt es sich um ein Glykopeptid-Antibiotikum, das nach oraler Gabe praktisch nicht aus dem Gastrointestinaltrakt resorbiert wird. Eine systemische Wirkung lässt sich nur bei parenteraler Applikation erreichen. Beim Menschen sind unkomplizierte Schwangerschaftsverläufe unter systemischer Medikation mit Vancomycin beschrieben (MacCullock 1981). Bei zehn drogenabhängigen Schwangeren, die wegen Infektionen mit intravenösen Gaben von Vancomycin behandelt wurden, zeigten die Kinder keine Hör- oder Nierenschäden (Reyes et al 1989). Im Nabelschnurblut ließ sich Vancomycin in vergleichbaren Konzentrationen wie im mütterlichen Serum nachweisen (Bourget et al 1991). Eine Kasuistik bereichtet von einer Patientin, die unter zu schneller Infusion von Vancomycin unter der Geburt eine arterielle Hypotonie entwickelte. Der Fet wies im CTG eine Bradykardie während dieser Episode auf, jedoch keine weiterreichenden Komplikationen (Hill 1985). Angesichts der von Ihnen beschriebenen Situation (Allergie gegen Betalactam-Antibiotika, Resistenz der Erreger gegen Makrolide) wäre der Einsatz von Vancomycin am Ende der Schwangerschaft durchaus vertretbar Nach den bisherigen Erfahrungen geht Daptomycin nur in geringen Mengen in die Muttermilch über. Nebenwirkungen auf den Säugling sind daher unwahrscheinlich. Eine stillende Mutter erhielt wegen einer Infektion im Becken über 28 Tage Daptomycin 500 mg sowie Ertapenem 1g pro Tag intravenös. Am 27.Behandlungstag analysierte man Proben der Muttermilch im Intervall von vier Stunden. Nach 8 Stunden wurde die höchste Konzentration mit 44,7 µg/l gemessen. 20 Stunden nach Applikation enthielt die Muttermilch nur noch 29,2 µg/l. In der letzten Probe nach 24 Stunden konnten man in der Muttermilch keinen Wirkstoff mehr nachweisen (Buitrago et al 2009). Nach den begrenzten Erfahrungen führt die Behandlung mit Vancomycin nur zu niedrigen Wirkstoffspiegeln in der Muttermilch. Da Vancomycin oral kaum aufgenommen wird, ist nicht mit relevanten Wirkstoffspiegeln im kindlichen Blut bzw. Nebenwirkungen beim Säugling zu rechnen. Unter mütterlicher Antibiotikainfusion von Vancomyin 1 g im Intervall von 12 Stunden ermittelte man in der Muttermilch Wirkstoffspiegel von maximal 36,1 mg/l. Ein voll gestillter Säugling würde über die Muttermilch Vancomycin 1,9 mg/kg Körpergewicht aufnehmen. Dies entspräche 4,8% der Dosis, die Kindern zur Behandlung einer pseudomembranösen Colitis verabreicht wird (Reyes et al 1989). Nach den vorliegenden Erfahrungen wäre die Therapie mit Vancomycin gegenüber Daptomycin im letzten Trimenon und in der Stillzeit besser erprobt.

von Dr. Wolfgang Paulus am 28.02.2016