Sehr geehrter Herr Dr. Paulus,
nachdem ich sowohl Sie hier im Forum befragt habe, sowie eine Handvoll Internisten und Frauenärzte im Umkreis persönlich, ist meine derzeitige Einnahme des Prednisolons 5mg die Schwangerschaft hindurch und über die Stillzeit unbedenklich.
Ich befinde mich seit August 2016 in Remission. Allerdings wurde mir angeraten nach der Stillzeit wieder vorstellig zu werden um vom Kortison auf ein anderes Medikament umzusteigen. Nun ist unsere Familienplanung nach einem Kind nicht abgeschlossen, daher erschließt sich mir die Frage.. wenn ich umstellen soll (da die Langzeiteinnahme vom Kortison bekanntlich negativ ist) auf welches Medikament? Haben Sie hier Erfahrungen?
Die meisten Medikamente gegen Autoimmunerkrankungen wirken sich nicht positiv auf Schwangerschaften aus. Ein Krankheitsverlauf ohne Medikamemte bei mir wird von den Ärzten eher ausgeschlossen. Azathioprin vertrage ich schon mal nicht, 5-ASA mit seiner örtlichen Anwendung ist in meinem Fall nicht wirksam, zu Budesnoid liegen mir zu wenig Studien vor, Methotrexat ist natürlich direkt ausgeschlossen..
Wenn ich mich nicht irre bleibt nur der Umstieg nach der Stillzeit von Prednisolon auf TNF-alpha-Blocker, welche ich dann wieder vor dem nächsten Schwangerschaftswunsch 5 Monate zuvor absetzen muss und dann wieder beim Kortison lande.
Oder meinen Sie es wäre möglich das Kortison über ca 3 Jahre durchzunehmen und erst nach der abgeschlossenen Familienplanung umzustellen?
Ich komme aus dem Bodenseekreis, vielleicht haben Sie mir auch eine beratende kompetente Anlaufstelle. Ich war schon bei einigen Kollegen vorstellig.
Herzlichen Dank Ihnen!
von
Noise Line
am 20.01.2017, 21:40
Antwort auf:
Medikamentenumstieg nach Stillzeit (MC) bei weiterem KiWu
Warum Sie eine Einnahme von Budesonid im Gegensatz zu Prednisolon als unzureichend untersucht ausschließen, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Aufgrund des ausgeprägten Abbaus während der ersten Leberpassage liegt die Bioverfügbarkeit von Budesonid in der Blutbahn lediglich bei 9 bis 12 %.
Alternativ ist inzwischen bei Kinderwunsch durchaus über eine Therapie mit den TNF-Inhibitoren Infliximab und Adalimumab nachzudenken.
Eine Publikation berichtet von einem unauffälligen Schwangerschaftsausgang nach wöchentlicher Gabe (40 mg/Woche) von Adalimumab bei M. Crohn während der gesamten Schwangerschaft (Vesga et al 2005). Ein weiterer Fallbericht beschreibt ebenfalls einen unkomplizierten Schwangerschaftsausgang nach Dauermedikation mit Adalimumab (40 mg pro Woche) in der Schwangerschaft (Mishri et al 2006). Weitere Fallberichte ergaben auch keine Hinweise auf eine fetale Schädigung (Roux et al 2006, Coburn et al 2005).
In einer Fallserie von 26 exponierten Schwangerschaften wurden zwei Kinder mit angeborenen Anomalien (Mikrozephalie, Nondeszensus testis) registriert (Johnson et al 2008).
In einer Studie auf der Basis des OTIS-Registers verglich man 74 Schwangerschaften von Patientinnen mit rheumatoider Arthritis, die bei Konzeption unter Therapie mit Adalimumab standen, mit 80 Rheumatikerinnen, die während der Schwangerschaft kein Adalimumab erhielten. Dabei zeigte sich kein signifikanter Unterschied in Abort- bzw. Fehlbildungsrate.
In diesem Kollektiv behielten 33 Patientinnen die Therapie mit Adalimumab während der gesamten Schwangerschaft bei (Bumester et al 2016).
Wir verfügen bisher über 30 Rückmeldungen nach mütterlicher Anwendung von Adalimumab in der Schwangerschaft:
2 Schwangerschaftsabbrüche
2 Spontanaborte
24 unauffällige Schwangerschaftsausgänge
2 Neugeborene mit kleineren Anomalien (Vorhofseptumdefekt,
Nierenstau)
Allerdings wurde die Therapie mit Adalimumab nur in drei Fällen über das I.Trimenon hinaus fortgesetzt.
Noch mehr Erfahrungen existieren für die verwandte Therapie mit Infliximab. Bei Infliximab handelt es sich um einen monoklonalen Antikörper gegen Tumornekrosefaktor (TNF-alpha), der zur Behandlung von M. Crohn eingesetzt wird.
Bei einer Halbwertszeit von 9,5 Tagen ist 2 Monate nach letzter Applikation nicht mehr mit relevanten Antikörper-Spiegeln zu rechnen (Product Information Remicade).
Inzwischen liegt eine größere Fallsammlung (n=100) zur Anwendung von Infliximab kurz vor bzw. nach Eintritt einer Schwangerschaft vor, aus der sich keine erhöhte Fehlbildungsrate erkennen lässt (Katz et al 2004):
18 Schwangerschaftsabbrüche
14 Spontanaborte
61 unauffällige Schwangerschaftsausgänge
3 angeborene Anomalien
Eine Publikation berichtet von einer Schwangerschaft mit Frühgeburt in der 24.SSW nach mütterlicher Medikation mit Infliximab in den ersten Schwangerschaftswochen bei M.Crohn (Srinivasan 2001). In einer Sammlung von 10 Fällen mit Fortführung der Infliximab-Medikation während der Schwangerschaft bei M. Crohn fand sich keine angeborene Anomalie (Mahadevan et al 2005).
Eine prospektive Studie konnte bei 83 Anwenderinnen von TNF-alpha-Blockern keine Zunahme der kindlichen Fehlbildungsrate im Vergleich zu Patientinnen mit Autoimmunerkrankungen unter anderen Therapieschemata feststellen (Diav-Citrin 2014).
Bei Anwendung von Adalimumab während der Schwangerschaft könnte wegen der TNF-alpha-Hemmung die normalen Immunantworten des Neugebo-renen beeinflusst werden.
Wenn Mütter während der Spätschwangerschaft mit Adalimumab behandelt wurden, gelangt Adalimumab möglicherweise über die Plazenta in das Serum der Kinder. Infolgedessen haben diese Säuglinge eventuell ein erhöhtes Risiko für Infektionen. Auf die Verabreichung von Lebendimpfstoffen an Säuglinge, sollte für 5 Monate nach der letzten Gabe von Adalimumab verzichtet werden (Fachinfo Humira 2012).
Bei Adalimumab ist ähnlich wie bei Infliximab nicht von einer relevanten Plazentagängigkeit im I./II.Trimenon auszugehen (Sellinger et al 2012).
Eine dänische Studie mit 80 Schwangeren untersuchte den Effekt von Infliximab (n=44) und Adalimumab (n=36) auf die kindliche Infektanfälligkeit (Julsgaard et al 2016). Im Mittel dauerte es 4 Monate bei Adalimumab und 7,3 Monate bei Infliximab, bis die Wirkstoffe aus dem kindlichen Organismus eliminiert waren. Bakterielle Infektion traten nach der Geburt bei 5% der exponierten Kinder auf, virale Infekte bei 20%, jedoch allesamt ohne schwerwiegende Komplikationen. Zwölf Monate nach Geburt konnten man bei keinem Kind Antikörper gegen Tumornekrosefaktor nachweisen. Die Autoren empfehlen daher, Lebendimpfstoffe im ersten Lebensjahr zu meiden.
Im Gegensatz zur Frühschwangerschaft konnte nach der 30.SSW ein diaplazentarer Transfer von Infliximab nachgewiesen werden. Um die intrauterine Exposition zu minimieren, kann man bei geringer Krankheitsaktivität einen Verzicht auf die Anwendung von Infliximab im letzten Trimenon erwägen. Bei kompliziertem Krankheitsverlauf ist jedoch ein Absetzen der Medikation in der Spätschwangerschaft nicht zwingend erforderlich, da keine besonderen kindlichen Störungen beschrieben sind (Gisbert et al 2009).
von
Dr. Wolfgang Paulus
am 22.01.2017