Frage: Medikamente bei Herzrhythmusstörungen

Guten Tag, Herr Dr. Paulus, wir denken trotz einiger Risiken über ein drittes Kind nach. Die ersten beiden Kinder sind 2011 und 2012 geboren. 2013 hatte ich einen Schlaganfall. Das damals entdeckte PFO wurde 10/15 per Okkuder verschlossen. Leider hatte ich als "Nebenwirkungen" des Kathetereingriffes Rhythmusstörungen und nehme seitdem Bisoprolol und Flecainid. Das Flecainid setze ich aber gerade ab. Was würden Sie zu Bisoprolol in der Schwangerschaft sagen? Es hilft mir gut gegen Tachykardien, die übrigens wahrscheinlich in meiner 2. Schwangerschaft ursächlich für verschiedene Kreislaufprobleme waren. Flecainid kann ich als "pill in the Pocket" laut Kardiologe für den Notfall immer dabei haben. Würden Sie von einer Anwendung in der Schwangerschaft generell abraten? Desloratadin habe ich in den ersten Schwangerschaften abgesetzt. Allerdings bin ich ohne das Medikament wegen vielfältiger Allergien deutlich weniger belastbar. Die besser erprobten Medikamente Loratadin oder Cetirizin helfen leider nicht so gut. Symbicort war nie ein Problem und das ASS würde meine Gynäkologin wohl durch Heparin ersetzen oder ergänzen. Was sagen Sie zu diesen Medikamenten in einer möglichen Schwangerschaft? Aktuell verhüten wir. Mit freundlichen Grüßen S.

von SiJa1112 am 06.05.2016, 11:12



Antwort auf: Medikamente bei Herzrhythmusstörungen

Es gibt keine Hinweise auf eine kindliche Beeinträchtigung durch Bisoprolol. Für den älteren Wirkstoff Metoprolol liegen lediglich umfangreichere Erfahrungen in der Schwangerschaft vor. Wenn bei Ihnen Metoprolol nicht ausreichend wirkt, können Sie durchaus Bisoprolol in der Schwangerschaft beibehalten. Acetylsalicylsäure wird in niedriger Dosierung (50-150 mg pro Tag) zur Hemmung der Thrombozytenaggregation und damit Verbesserung der Durchblutung verwendet. Besteht der Verdacht auf eine arterielle Durchblutungsstörung, kann ASS in niedriger Dosis (50 bis 100 mg pro Tag) in der gesamten Schwangerschaft eingesetzt werden. Auch Kinderwunschpatientinnen werden bei entsprechender Indikation frühzeitig mit low dose ASS behandelt. Bei Desloratadin handelt es sich um einen Metaboliten des länger bekannten Antihistaminikums Loratadin. Auf der Grundlage eines schwedischen Geburtsregisters wurde der Verdacht geäußert, dass Loratadin bzw. Desloratadin zu einer Zunahme von Hypospadien (Harnröhrenfehlmündungen) führt: Unter 2.780 Fällen mit Einnahme von Loratadin in der Schwangerschaft wiesen 15 Kinder Hypospadien auf, etwa dreimal soviel wie erwartet (Källén & Otterblad Olausson 2001). Gemäß einer aktuellen Metaanalyse traten bei 2.694 männlichen Neugeborenen nach intrauteriner Exposition mit Loratadin in 39 Fällen (1,4%) Hypospadien auf. Im nicht belasteten Kollektiv fanden sich bei 4.231 von 450.413 Jungen (0,9%) derartige Fehlbildungen. Damit erscheint das Risiko für kindliche Hypospadien nach mütterlicher Therapie mit Loratadin im ersten Trimenon nicht signifikant erhöht (Schwarz et al 2008). Die Anwendung von Desloratadin wäre daher bei allergischen Beschwerden in der Schwangerschaft auch langfristig vertretbar. Wirkstoffe, die speziell die ß2-Rezeptoren stimulieren, führen zu einer Erweiterung der Bronchien, aber auch zu einer Erschlaffung der Gebärmuttermuskulatur (Tokolyse). Am besten verträglich sind Substanzen mit einer nur geringen Restwirkung auf die ß1-Rezeptoren, die sich in einer Steigerung der Herzaktivität manifestiert. Aus der Klasse der Betasympathomimetika haben sich in der Schwangerschaft die Substanzen Fenoterol, Salbutamol, Reproterol und Terbutalin bewährt. Während ihre Wirkung auf 4 bis 6 Stunden begrenzt ist, zeichnen sich die neueren Vertreter Formoterol und Salmeterol durch eine deutlich längere Wirkdauer (über 12 Stunden) aus. Zur inhalativen Glukokortikoidtherapie bei Asthma bronchiale werden vor allem Beclometason, Budesonid, Flunisolid, Fluticason, Mometason und Triamcinolon eingesetzt. Eine insuffiziente Behandlung von chronischem Asthma bronchiale in der Schwangerschaft kann gesundheitliche Schäden für Mutter und Kind (z. B. Hypoxie, niedriges Geburtsgewicht) mit sich bringen (Witlin 1997; Dombrowski 1997; Jana et al 1995). Epidemiologische Studien zur inhalativen Glukokortikoidtherapie in der Schwangerschaft zeigten keine Zunahme angeborener Anomalien. Eine retrospektive Studie zur Medikation mit Triamcinolon, Beclometason bzw. Theophyllin bei Asthma in der Schwangerschaft ergab für keinen Wirkstoff einen Zusammenhang mit Fehlbildungen (Blais et al 1998). Die multizentrische, prospektive Doppelblindstudie START (Inhaled Steroid Treatment As Regular Therapy) bestätigte, dass die Inhalation von 400 µg Budesonid in der Schwangerschaft sicher ist (Silverman et al 2002). Das Swedish Medical Birth Registry konnte keinen Anstieg der Inzidenz angeborener Anomalien unter ca. 3000 Kindern feststellen, deren Mütter in der Frühschwangerschaft Budesonid (inhalativ) angewandt hatten (Norjavaara & De Verdier 2003, Kallen et al 1999). Inhalative Kortikoide werden daher bei mäßigem bis schwerem Asthma bronchiale als Standardtherapie in der Schwangerschaft empfohlen (Oren et al 2004). Sie könnten die Anwendung von Symbicort Turbohaler auch in der Schwangerschaft in den allgemein empfohlenen Dosen fortsetzen. Größere Studien zur Verträglichkeit von Flecainid in der menschlichen Schwangerschaft liegen nicht vor. Drei Fallberichte beschreiben unkomplizierte Schwangerschaftsverläufe nach Anwendung von Flecainid während der gesamten Schwangerschaft (Ahmed et al 1996, Wagner et al 1990, Villanova et al 1998). Flecainid wurde im II. bzw. III.Trimenon erfolgreich zur Behandlung fetaler Arrhythmien eingesetzt (Allan et al 1991; Perry et al 1991; Bourget et al 1994; Ito et al 1994, Singh 2004; D´Alto et al. 2008; Maeno et al 2009). Zumindest jenseits der sensiblen Phase der Organdifferenzierung (erstes Schwangerschaftsdrittel) wäre die Anwendung von Flecainid durchaus vertretbar.

von Dr. Wolfgang Paulus am 09.05.2016