Besteht die Möglichkeit einer leichten ICP?

Prof. Dr. med. Gerhard Jorch Frage an Prof. Dr. med. Gerhard Jorch Kinderarzt und Neonatologe

Frage: Besteht die Möglichkeit einer leichten ICP?

Lieber Herr Dr. Jorch Ich schreibe Ihnen wegen meiner Tochter. Sie ist zwar reif geboren, hat(te) aber aufgrund von Komplikationen bei der Geburt mit ähnlichen Problemen zu kämpfen, wie es bei Frühchen „oft“ der Fall ist. Ich hoffe, dass Sie meine Frage trotzdem beantworten können. Meine Tochter kam nach einer Nabelschnurumschlingung mit einer Hypoxie zur Welt. Sie hatte eine APGAR-Score von 4/6/6 und ph-Wert von 7.00. Allerdings hat sie sich nach der Sauerstoffzufuhr recht schnell (nach einer halbe Stunde) wieder erholt. Zur Sicherheit wurde sie in die Neonatologie verlegt und es wurden verschiedene Untersuchungen durchgeführt (div. Blutuntersuchungen, Schädelultraschall). Alles war soweit i.O., man hat nur „ganz kleine Spuren von Stress“ gesehen (später war von einer HIE Grad 1 die Rede). Nach 3 Tagen durfte sie nach Hause, es wurden allerdings Nachuntersuchungen in der Neuropädiatrie empfohlen. Meine Tochter ist jetzt 19 Monate alt. Wir waren u.a. 3 Mal zur Entwicklungskontrolle in der Neuropädiatrie und gehen seit über einem Jahr zur Physiotherapie (lange Zeit regelmässig alle 2 Wochen, seit einigen Monaten alle 2 Monate zur Kontrolle). Hier noch die Ergebnisse der Untersuchungen bzw. Aussagen des Arztes in der Neuropädiatrie: 2.5 Monate: leichte Entwicklungsverzögerung bzw. in der „unteren Norm“, "sicherheitshalber" wurde Physiotherapie verschrieben. 8 Monate: leichte Entwicklungsverzögerung im motorischen Bereich (1.5 Monate), ansonsten altersgerecht entwickelt. Leicht hypoton im Rumpf und in den unteren Extremitäten. Guter Blickkontakt, gute „Kontaktaufnahme“, sehr interessiert an ihrer Umgebung. Meine Tochter werde sicher laufen können, aber vielleicht etwas später (mit 18-20 Monaten). Dann müsse geschaut werden, ob Probleme zu sehen sind (z.B. Spitzfussgang, Gleichgewichtsprobleme, eine leichte ICP). 15 Monate: Sehr zufrieden mit der Entwicklung, „keine Ataxie“ (offenbar bestand dieser Verdacht bei der letzten Kontrolle), kein Spitzfuss. Unsere Tochter werde bald laufen. Aufgrund der Abwesenheit der Assistenzärztin und der „mangelnden Kooperation“ meiner Tochter (müde, lange Wartezeit etc.) konnte kein Entwicklungsbogen ausgefüllt werden. Reflexe usw. i.O. Mit ca. 21 Monaten wird noch der Bayley-Test durchgeführt. Physio sollten wir bis zu diesem Termin weitermachen, oder zumindest bis meine Tochter sicher läuft. Unsere Tochter war in der motorischen Entwicklung langsam, in den anderen Bereichen altersgerecht oder sogar ihrem Alter voraus. Die motorischen Entwicklungsmeilensteine wurden in etwa wie folgt erreicht: - Sich regelmässig vom Rücken auf den Bauch drehen: mit ca. 6-7 Monaten Umgekehrt: ca. 2 Monate später Frei sitzen: 8 Monate Robben: 9 Monate Beine in der aufrechten Position belasten (also nicht unter sich einziehen): 9 Monate Mit Festhalten stehen: gut 10 Monate Sich selbständig aufsetzen: knapp 12 Monate!!! Sich zum Stehen hochziehen: 12 Monate Möbeln entlang laufen: 13 Monate Krabbeln: 14 Monate!!! Frei laufen: 15.5 Monate Was immer wieder auffiel, war eine Asymmetrie in der Bewegung: Sie robbte asymmetrisch (Linkes Bein wurde nicht/nur wenig eingesetzt) und seit sie steht, ist wirkt das linke Bein (Knie) steifer als das Rechte. (sie krabbelt hingegen symmetrisch und alternierend). Mit ca. 14 Monaten sagte uns unsere sehr erfahrene Physiotherapeutin, dass der Muskeltonus in den Beinen leicht erhöht sei. Sie erwähnte etwas von minimen spastischen Reaktionen, aber nur in der aufrechten Position. Mit 15 Monaten hatten wir eine Kontrolle in der Neuropädiatrie. Der Oberarzt war sehr zufrieden mit der motorischen Entwicklung und schaute sich an, wie unsere Tochter beim Laufen (damals noch mit Festhalten) ihre Füsse aufsetzt. Auch hat er u.a. die Reflexe und „spastische Reaktionen“ getestet. Seine Aussage: Von Spastik momentan keine Spur, die Beine seien beim Laufen zwar etwas steif, aber dies weil sich noch unsicher sei. Nun läuft unsere Tochter schon einige Monate, sie meistert auch längere Strecken (einige hundert Meter) und unebenes Gelände problemlos. Das etwas steifere linke Bein ist aber immer noch sichtbar, wann man hinschaut (aus dem privaten Umfeld fällt es niemandem auf). Wenn sie „rennt“, ist ihre Körperhaltung auch etwas asymmetrisch (sie „wedelt mit dem linken Arm und hält die rechte Hand etwas über Hüfthöhe). Manchmal gerät sie beim Laufen ins Torkeln. Die Therapeutin sagt, dass das linke Bein ganz wenig stärker (muskulöser) sei als das Rechte. Dies sei aber wirklich minimal und müsse kein Anzeichen für ein neurologisches Problem sein. Dies sei auch das Einzige was auffällt. Ihre Bewegungen (vor allem der Hände) seien sehr schön (qualitativ gut) und sehr gut koordiniert. Das Thema Spastik oder Diagnose meidet sie mittlerweile und macht keine Aussagen diesbezüglich. Sie meint nur, dass wenn, nur Kleinigkeiten zurückbleiben würden (also Probleme beim Hüpfen, auf einem Bein stehen usw.). Das Gangbild werde sich normalisieren und unsere Tochter werde mit 4 Jahren wie alle anderen Kinder herumrennen. Es tut mir leid, dass ich so viel geschrieben habe, wollte aber ein möglichst vollumfängliches Bild aufzeichnen. Zu meiner Frage: Die Möglichkeit einer leichten ICP schwebt bei uns ja noch im Hintergrund. Halten Sie es für möglich, dass ein Kind mit einer leichten ICP später (im Alltag) keine Auffälligkeiten zeigt bzw. kaum Einschränkungen hat, so wie es unsere Therapeutin beschrieben hat? Auf einschlägigen Internetseiten konnte ich von SO leichten Fällen nichts finden. Und lässt sich aus dem bisherigen Entwicklungs-Verlauf bzw. aus der Qualität der gezeigten Bewegungen eine solche Prognose mit „grosser“ Sicherheit ableiten? Für Ihr Geduld beim Lesen und Ihre Hilfe danke ich Ihnen schonmal bestens. Beste Grüsse Christian

von kbo am 30.10.2013, 08:39



Antwort auf: Besteht die Möglichkeit einer leichten ICP?

Viel Text, wenn er strukturiert und präzise ist - wie Ihrer :-) - macht mir die Arbeit eher leichter. Ich möchte folgende Statements machen: 1. Die Fakten bei der Geburt und kurz danach ließen schon mit 99 % ger Wahrscheinlichkeit eine normale Entwicklung erwarten. 2. Kein Befund in den ersten beiden Lebensjahren lag außerhalb der Norm. 3. Ihre Tochter hat keinen neurologischen Schaden - nur überdurchschnittlich viel medizinische Aufmerksamkeit - was ja nicht schlecht sein muss.

von Prof. Dr. med. Gerhard Jorch am 31.10.2013



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