Wie erziehe ich sie bloß richtig?

Dipl.-Soz.päd Sylvia Ubbens Frage an Dipl.-Soz.päd Sylvia Ubbens Diplom Sozialpädagogin

Frage: Wie erziehe ich sie bloß richtig?

Hallo Frau Ubbens, ich habe hier schon öfters mal geschrieben, da meine Tochter (knapp 3) ihre Phasen ordentlich durchlebt und ich oft ratlos bin. Jetzt muss ich leider mal einen langen Text verfassen. Sie ist eine sehr selbstbewusste kleine "Kaiserin". Sie bestimmt alle in ihrer Umgebung, will alles alleine machen, ist unglaublich selbständig und beschäftigt sich auch wirklich viel alleine. Wenn etwas dann nicht läuft wie sie es will, wird ordentlich gebrüllt und Dinge durch die Gegend geworfen. Okay, das ist eine typische Entwicklung, aber dennoch mache ich mir große Sorgen. Laut meiner Mutter ist sie original wie meine Schwester damals und die war auch so unglaublich, sagen wir mal, anstrengend. Und sie ist es heute auch noch. Sie wollte sich mit 13 selbst ins Heim "einweisen lassen", weil sie die Harmonie zu Hause genervt hat. Auch heute bestimmt sie über alle ihre Freunde, allerdings auf eine spezielle Art und Weise, so dass man immer das Gefühl hat, selbst die Dinge zu wollen, zu denen sie einen auffordert. Das ist eigentlich nichts schlimmes, eher etwas positiv faszinierendes und ich wollte meine Tochter ja auch selbstbewusst erziehen, aber wenn ich an die Machtkämpfe damals zu Hause denke, stellen sich mir die Haare an den Armen auf. Meine Tochter ist jetzt auch schon so. Sie hört nicht auf mich, weiß alles besser und versucht neue Regeln aufzustellen. Sie macht mir alles nach und perfektioniert es so, dass es "besser" ist als so wie ich es mache. Das wirkt unglaublich arrogant :) Sag ich ihr, sie soll ihre Schuhe anziehen, rennt sie weg. Sag ich, dass ich dann alleine auf den Spielplatz gehe, kommt sie angerannt und sagt, dass sie sich jetzt die Schuhe anzieht und mit will. Aber sie tut es nicht. Sie rennt kurz vorher wieder weg. Ich hab da einen langen Atmen und mache mich und den Kleinen (6 Mon) fertig und wenn sie dann noch nicht fertig ist und sie sich zum xten Mal versteckt hat, geh ich. Dann ist das Geschrei natürlich groß. Dann geb ich ihr die letzte Chance sich die Schuhe nochmal anzuziehen, was sie dann auch macht. Ich lob sie dann, sag ihr dass wir ja jetzt toll losgehen können etc. Positive Bestärkung. Aber diese "Kämpfe" gibt es in fast allen Situationen. Ob es morgens ums Zähne putzen geht, ums Frühstücken, anziehen, raus gehen, draußen Puppenwagen schieben, auf dem Spielplatz anschaukeln, nach Hause gehen und und und. Ich war eigentlich immer ein sehr geduldiger Mensch, aber sie macht mich bereits vor dem Aufstehen fertig. Meine größte Sorge ist ihre weitere Entwicklung. Meine Schwester ist mit 14 von zu Hause abgehauen, hat viele Drogen genommen, wär fast abgeschmiert und hat sich auch selbst um wirklich alles gekümmert, sprich, war beim Jugendamt um sich eine Wohnung zu erkämpfen etc. Wirklich mehr als erstaunlich. Ich halte mich selbst aber für keine so starke Frau wie meine Mutter es war. Ich hab wirklich Angst davor, was in der Pubertät passieren wird. So negativ viele Sachen sind, so positiv können sie aber auch sein. Unterwegs sind alle Leute von ihr mehr als angetan. Sie hüpft fröhlich durch die Gegend, beim Einkaufen schiebt sie den kleinen Wagen und kauft mit ein. Sie fragt, ob wir das und das brauchen und sogar bei Süßigkeiten an der Kasse ist sie einverstanden, wenn sie nichts mitnehmen darf, weil wir ja schon den tollen Joghurt eingepackt haben. Ich bin immer soo stolz auf sie. Aber diese schon viele Monate andauernden Machtkämpfe werden nicht besser, eher schlimmer und ich fürchte, wenn jetzt noch die WarumPhase dazu kommt, werde ich mich einweisen lassen müssen. Haben Sie alles gelesen? Tut mir leid, dass ich so aushole, aber ich fürchte nicht stark genug zu sein für die späteren Entwicklungsstufen und, herrje, die Pubertät. Haben Sie einen Tipp für mich? Meinen Sie, dass es im Kindergarten (in den sie jetzt mit 3 gehen wird) besser werden wird? Auf dem Spielplatz feuert sie die anderen Kinder an, sagt ihnen wie toll sie manche Dinge tun, aber verbietet dann auch gewisse Dinge, die dann nur sie machen darf. Danke schonmal und eine schöne Woche

von stuffstuff am 30.06.2014, 09:30



Antwort auf: Wie erziehe ich sie bloß richtig?

Liebe Stuffstuff, meine Vorrednerin hat sehr ausführlich und gut geantwortet, dem kann ich eigentlich nichts mehr hinzufügen. Hören Sie auf Ihr Herz und nehmen Ihre Tochter an, so wie sie ist. Warten Sie ab, Kinder erziehen sich oft gegenseitig. Ihre Tochter wird im Kindergarten lernen, dass andere Kinder es nicht immer toll finden, wenn nur einer den Ton angiebt und Ihre Tochter wird auch lernen, sich entsprechend einzufügen. Nutzen Sie freie Zeiten für sich, in denen Sie Energie zu tanken, um Ihrem kleinem Wirbelwind gerecht zu werden. Zudem wird Ihre Tochter nicht so qiurlig bleiben, sondern bald auch etwas ruhiger werden. Alles Gute und viele Grüße Sylvia

von Sylvia Ubbens am 30.06.2014



Antwort auf: Wie erziehe ich sie bloß richtig?

Huhu, bin "nur" eine Mutter und keine Expertin, möchte aber gern auch etwas dazu senfen, wenn ich darf. Ich finde, dass Deine Tochter seelisch stark und gesund klingt und sich offenbar sehr gut entwickelt. Sie hat ein gutes Selbstbewusstsein und schon eine richtige Persönlichkeit. DAS ist ja für die meisten Eltern eines der wichtigsten Erziehungsziele überhaupt - Du und Dein Partner macht also offenbar sehr viel richtig! Ich finde es aber bedenklich, dass Du annimmst, Dein Kind könnte so werden wie Deine Schwester. Dein Kind ist NICHT Deine Schwester und wird auch nicht so werden. Wenn Du Dich aber auf diese Idee versteifst, wirst Du unbewusst alle Verhaltensweise Deiner Tochter verstärken, die Deinem Vorurteil entsprechen. Und diejenigen Merkmale und Verhaltensweisen übersehen oder vernachlässigen, die nicht Deiner Erwartung entsprechen. DAS ist wirklich nicht gut. Von daher: Schmeiß den Gedanken, Dein Kind sei so, wie Deine Schwester wirklich über Bord und blocke auch Deine Mutter ab, wenn sie so anfängt. Kein Mensch ist wie der Andere, und jeder hat das Recht, so gesehen zu werden wie er ist - ohne mit jemand Anderem verglichen zu werden. Achte im Alltag besonders darauf, was Dein Kind einmalig macht. Es ist auch nicht hilfreich, sich schon um die Pubertät Deiner Tochter zu sorgen. Das meiste Leid entsteht in unserem Leben durch Angst vor Dingen, die niemals eintreten werden. Hab' ein bisschen mehr Vertrauen in Dich und Dein Kind. Du wirst in jeder Entwicklungsphase neue Lösungen finden. Es gibt das Sprichwort: Kommt Zeit, kommt Rat. Das ist ziemlich weise und heißt, dass wir aufhören sollen, zehn Schritte im Voraus schon sämtliche Probleme erahnen oder gar lösen zu wollen! Es treten im Leben sowieso nie genau die Dinge ein, die wir befürchten - sondern die Herausforderungen sind immer neu und anderer Art. Noch ein Lesetipp: Wenn Du verstehen willst, warum Erpressung (Wenn du nicht kommst, gehe ich allein los!) oder "positive Verstärkung" bei Euch nicht funktionieren, lies mal das wunderbare Buch: "Liebe und Eigenständigkeit: Die Kunst bedingungsloser Elternschaft, jenseits von Belohnung und Bestrafung" von Alfie Kohn. Er erklärt anhand zahlreicher wissenschaftlicher Untersuchungen, warum sowohl "Konsequenzen" als auch Lob nicht den gewünschten Erfolg erzielen (was man als Eltern ja im Alltag auch ständig selbst beobachtet), sondern im Gegenteil sogar unerwünschtes Verhalten fördern. Und er erklärt, wie es anders gehen kann. LG

von Bonnie am 30.06.2014, 09:49