(Schein-)"Bild" von leiblichem vater

Dipl.-Soz.päd Sylvia Ubbens Frage an Dipl.-Soz.päd Sylvia Ubbens Diplom Sozialpädagogin

Frage: (Schein-)"Bild" von leiblichem vater

Sehr geehrte Frau Ubbens, ich brauche einen Rat. Meine Tochter ist 12 Jahre alt, als ihr leiblicher Vater und ich uns getrennt haben, war sie 1 Jahr alt, meinen Mann und ich sind ein Paar, seit sie 2 Jahre alt ist- sie ist also quasi so aufgewachsen und kennt es gar nicht anders. Wir, mein Mann und ich, haben noch ein weiteres Kind, ihr leiblicher Vater ebenfalls zwei. Ein guter Kontakt unsererseits besteht zu Eltern sowie Schwester des leiblichen Vaters, auch von unserer Seite freundschaftlich. Meine Tochter ist regelmäßig dort oder wir alle zusammen. Ihr Vater selbst hatte nie übersteigertes Interesse, er hat sich schon während unserer Beziehung wenig um sie gekümmert, mir nach der Trennung unter anderem auch deutlich gesagt, dass er das Kind nie haben wollte, zudem wohnt er sehr weit weg. Sie sieht ihn und seine Kernfamilie (seine Frau und Söhne) 1-3 mal im Jahr, in der Regel zusammen mit den Großeltern. Dann sehen sie sich wegen der Entfernung mehrere Tage am Stück und machen nette Ausflüge, bei denen er sich natürlich auch im sie kümmert. Darüber hinaus ist nicht viel los. Seit über einem Jahr hat er nicht mehr angerufen, die wenigen Treffen im Jahr organsiert in der Regel seine Mutter. Es besteht allerdings ein Whatsappchat, in dem seine ganze Familie- und auch er selbst aktiv ist. Darin werden, was ich vollkommen verstehe und nachvollziehen kann, immer nette und oft täglich Bilder gezeigt, was die jeweiligen Familienmitglieder gerade tun oder machen, was meiner Tochter einen regelmäßigen Kontakt mit ihm...vorgaukelt. Für mich ist diese Situation grundsätzlich gut, sie hat regelmäßig Kontakt zumindest mit einem Teil seiner Familie, weiß, wo ihre anderen Wurzeln liegen, er zahlt regelmäßig Unterhalt und unterschreibt, was ich ihm vorlege. (Schule, etc.- wir haben das gemeinsame Sorgerecht). Darüber hinaus hat er kein Interesse. Aber nun hat sich seit neuestem folgendes Problem entwickelt: Sie spricht davon, dass ihre Schwester (unser zweites Kind, 6 Jahre alt), mit der sie aufgewachsen ist, sie nur nervt und sie sie nicht leiden kann, das vermittelt sie auch ihr selbst, ihre "Brüder" (2 und 6 Jahre alt, die sie, wie gesagt, 2,3mal im Jahr sieht) seien viel netter und toller. Meine kleine Tochter ist oft sehr, sehr traurig deswegen und weint und fragt uns, was sie denn falsch macht und was sie ändern soll, weil sie die Große sehr lieb hat. Meine große Tochter spricht außerdem davon, dass sie gerne bei ihrem Vater wohnen würde, weil die "viel, viel mehr" miteinander unternehmen. (Die Whatsapp-Bilder....) Sie malt Bilderrahmen mit Fotos von ihm und dessen Familie, und schreibt "meine 2. Familie" darüber. Sie bastelt irgendwelche Herzen, auf denen "Mama, Papa" sowie die Namen derer 2 Söhne stehen. Außerdem seien die viel netter und dort hätte sie es viel schöner. Kurz. sie bewegt sich in einem Trugbild, kann außerdem nicht zwischen Besuch und Alltag unterscheiden. Zwischen ihrem Vater und mir oder uns sind einige unschöne Sachen vorgefallen, wir haben uns aber nie vor ihr darüber unterhalten (sie merkt es wohl trotzdem oder hat sicher auch mal heimlich gelauscht ;-) )und ich habe mich trotzdem immer, wirklich sehr, bemüht, dass sie Kontakt mit ihm behält. Jetzt möchte ich folgendes: sie soll wieder in die Realität zurückkommen und aufhören, sich so zu verhalten. Ich möchte nicht, dass sie so ein Zeug erzählt, weil seinerseits wirklich wenig Bemühungen stattfinden. Klar, dort wird kein Anspruch an sie gestellt, wenn, dann ist sie ja bloss mal auf Besuch, abgesehen davon ist der Anspruch, glaube ich, auch so nicht unbedingt hoch. Wie kann ich erreichen, dass sie unterscheidet, und sich nicht so an diesen Whatsapp-Chat eine Realität bildet? Wieviel Wahrheit kann ich ihr zumuten? Ich möchte, dass sie die Situation sieht, wie sie eben ist, den wenigen "echten" Kontakt mit ihm genießt, aber weiß, dass ihre Familie, die sie tatsächlich sehr mag, eben hier ist. Ich frage mich, warum das nicht geht, sie kennt ein Leben mit ihrem leiblichen Vater ja gar nicht, sie war damals viel zu jung. Was ich nicht möchte, ist, dass sie sich selbst infrage stellt. Sie lebt in einer recht heilen Welt, ist außerdem recht sensibel und aufmerksam, wenn ich das Gespräch weiterspinne, kommt sie ja zwangsweise darauf, seine Liebe zu ihr anzuzweifeln (reell gesehen, völlig zu Recht, ich finde aber nicht, dass sie das wissen sollte!), weil direkter Kontakt ja kaum stattfindet. vielen Dank für ihren Rat!

von cereza am 30.11.2016, 14:20



Antwort auf: (Schein-)"Bild" von leiblichem vater

Liebe Cereza, Sie werden Ihre Tochter nicht davon überzeugen können, dass das Bild von ihrem Vater nicht der Realität entspricht. Egal, was Sie tun, sie wird Ihnen nicht glauben. Ihre Tochter wird höchstens ihr eigenes Bild noch mehr verschönen. In den nächsten Jahren wird sie selbst ein klares Bild sehen und unterscheiden zwischen Gelegenheitspapa und dem wahren Bild. Ihre Tochter möchte nur das Schöne sehen und schließt das, was in dieser schönen Welt "stört" aus. Eine Schwester, die immer da ist, "nervt" zeitweise, auch in einer Familie ohne weitere Familienteile andererorts. Vermutlich wird es bei Ihrer Tochter einige Monate dauern, bis sich das Verhältnis zu ihrer Schwester wieder ändert. Auch hier können Sie nichts beschleunigen. Durch zu viel reden werden Sie Ihre Tochter nur in ihrem jetzigen Bild bestärken. In beiden Fällen werden Sie abwarten müssen, bis sie es selbst wieder anders sieht. Viele Grüße Sylvia

von Sylvia Ubbens am 01.12.2016