Kind (3 Jahre) "auf Krawall gebürstet" - was tun?

Dipl.-Soz.päd Sylvia Ubbens Frage an Dipl.-Soz.päd Sylvia Ubbens Diplom Sozialpädagogin

Frage: Kind (3 Jahre) "auf Krawall gebürstet" - was tun?

Hej Sylvia, ich schreibe jetzt endlich, weil ich grad heute wieder einen sehr anstrengenden Tag mit meinem großen Kleinen (grad 3 Jahre alt, sein kleiner Bruder ist knapp 15 Monate alt) hatte und gerne einen Rat oder einen Tip hätte, wie ich mit folgender Sache umgehen soll: er kreischt. Laut. Schrill. Oft. Oft. Oft. Wenn ich überlege, in welchen Situationen er das macht, dann würde ich sagen, daß es teils aus großer Freude, teils aus Übermut (oder als Übersprungshandlung oder wie man das nennt), teils um Aufmerksamkeit zu erregen und teils aus Wut ist, wobei die ersten beiden die häufigsten Gründe sind. Ich hole ihn von der Tagesmutter ab, er freut sich mich zu sehen, ruft einmal "MAMA!!" und fängt dann an, wie wild zu kreischen. Manchmal langanhaltend, manchmal kurz, dafür sehr sehr oft hintereinander. Dazu poltert er dann die Treppen im Mehrfamilienhaus rauf und runter, läßt sich die Schuhe von mir nicht anziehen, kreischt und kreischt, lehnt auch das Jacke anziehen ab, trampelt wild auf der Treppe rum, schreit, er will nach Hause, schubst den Buggy des kleinen Bruders durch's Treppenhaus, reißt seine Regensachen aus seiner Tasche und verteilt sie auf der Treppe.... Joa.... das ist unser tägliches Mittagsszenario. So oder ähnlich wiederholt sich das dann mehrmals am Tag. Dazu kommt, daß er häufig irgendwelche Dinge macht, die er nicht darf, und von denen ich EIGENTLICH denke, daß er sie schon verstanden hat und WEISS, daß und warum er es nicht darf (Wohnungstür allein öffnen und rausgehen, Haustür öffnen, mit Schlüsseln spielen, an die Steckdosen gehen, scharfe Messer anfassen....). Manchmal macht er es "heimlich", manchmal während ich daneben stehe. Ermahne ich ihn dann (oder schimpfe, ich bin derzeit mehr als dünnhäutig und fahre leider leider schnell aus der Haut - ich finde mich selbst jedes Mal SO furchtbar und arbeite hart dran, das zu ändern, aber es ist aus diversen Gründen sehr sehr schwer....), fängt er lauthals an zu weinen und läßt sich kaum beruhigen. Seinen kleinen Bruder ärgert er eher wenig, aber wenn, dann reißt er ihm mit Gewalt das Spielzeug weg, teilweise hat er ihm mit Bauklötzen oder Duplosteinen auf den Kopf gehauen oder ihn von einem Stuhl gezogen, auf den er klettern wollte. Ich habe vieles versucht: erklären, wieso bestimmte Dinge einfach nicht ok sind oder schlimmer noch sehr gefährlich und warum, ignorieren, was er da tut, sogar ihn rausschicken vor die Zimmertür oder im schlimmsten Fall etwas oder sehr arg geschimpft mit irgendwelchen Konsequenz-Androhungen oder Sätzen und Phrasen, die ich früher auch hörte, aber nie nie nie verwenden wollte - und dann passieren ständig irgendwelche Dinge und Du weißt Dir einfach nicht anders zu helfen.... :( Soweit die (durcheinander-en) Fakten. Meine Fragen wären: * Was um alles in der Welt kann ich gegen dieses grauselige Kreischen tun? Wie soll ich mich verhalten? * Was kann ein gerade 3-jähriges Kind überhaupt begreifen/erfassen/verstehen? Überfordere ich ihn, wenn ich denke, er könne sich an Erklärungen aus den letzten Tagen erinnern und Zusammenhänge erschließen und Umkehrschlüsse ziehen? (überfordern vielleicht, weil er der "Große" ist im Gegensatz zum 1-jährigen Brüderchen? Und weil er sprachlich so weit ist, daß einem manchmal die Kinnlade runterfällt?) * Was ist der Grund für dieses "krawallige" Verhalten? Wie kann ich reagieren? Wie kann ich ihm helfen? Noch zur Info: in den Phasen, in denen er nicht dieses Verhalten und dieses Kreischen an den Tag legt, ist er ein unglaublich süßer, fröhlicher, freundlicher und mitfühlender kleiner Junge, der jeden strahlend begrüßt, der sich um sein Brüderchen sorgt und mehr Höflichkeit und Empathie zeigt, als ich es von manchen Erwachsenen kenne. Ich möchte so gern abends mich an die schönen Momente des Tages erinnern und ihn fröhlich und harmonisch ins Bett bringen können und nicht mehr noch auf dem Weg ins Bett mit ihm irgendwelche Kämpfe ausfechten. Sorry für den langen, wirren Text und danke schonmal für die Antwort!!

von Enn79 am 20.11.2014, 01:29



Antwort auf: Kind (3 Jahre) "auf Krawall gebürstet" - was tun?

Liebe Enn79, bevor ich antworte, erzählen Sie mir bitte noch, wie sich Ihr Sohn verhält, wenn Sie nicht dabei sind? Beim Papa, bei Verwandten, bei Freunden und der Tagesmutter. Spielt Ihr Sohn hauptsächlich alleine oder spielen, lesen etc. Sie viel gemeinsam (ohne den kleinen Bruder)? Viele Grüße Sylvia

von Sylvia Ubbens am 21.11.2014



Antwort auf: Kind (3 Jahre) "auf Krawall gebürstet" - was tun?

Hallo Sylvia, also, wenn er mit dem Papa oder den Großeltern allein ist, passiert es auch mal, daß er so kreischt, aber eher selten und dann hört er auch auf, wenn ihm gesagt wird, daß es in den Ohren weh tut und sie das nicht wollen. Wenn aber der kleine Bruder auch dabei ist, ist es häufiger und sie stacheln sich mit dem Kreischen teilweise gegenseitig an und es ist schwierig, sie zum Aufhören zu bewegen. Bei der Tagesmutter (wo derzeit beide zusammen als einzige Kinder sind) ist es ähnlich. Sie sagte, wenn sie den Großen dann bittet, aufzuhören, macht er das auch meist. Zeit mit dem Großen allein habe ich eher selten - in der letzten Woche waren wir zusammen beim Kinderturnen, das macht normalerweise mein Mann mit ihm, aber der war aber auf Dienstreise (sehr viel länger als sonst, weshalb ich dachte, das krawallige Verhalten wäre dadurch noch verstärkt - nach seiner Rückkehr ist es aber weiterhin quasi genauso....). Mein Sohn war beim Turnen sehr sehr weinerlich, fand irgendwie ziemlich alles doof, aber am Ende auch das Weggehen-müssen. Dachte dann, er würde lieber "wilder" mit meinem Mann toben können und wollen, weil ich eher vorsichtig bin, aber als ich ihm sagte, nächste Woche könne er wieder mit Papa gehen, war das auch ganz doof und er sagte, er wolle mit mir wieder hingehen. Wenn abends mein Mann von der Arbeit heimkommt, teilen wir uns meist auf, d.h. jeder beschäftigt sich mit einem der beiden Jungs. Meist mache ich was mit dem Kleinen und mein Mann mit dem Großen. Auch das zu-Bett-Bringen ist meist so aufgeteilt, da ich den Kleinen noch zum Einschlafen stille und der Große gleichzeitig vom Papa ins Bett gebracht wird. Wir schlafen alle in einem Zimmer, der Kleine neben mir, der Große neben dem Papa. Also, wenn ich es recht überlege, sind die Alleine-zu-zweit-Zeiten von mir und dem Großen sehr rar.... Vorgelesen wird meist abends beim zu-Bett-bringen (vom Papa) oder wenn er vom Mittagsschlaf aufsteht (von mir), aber letzteres geht nur gut, wenn der Kleine noch schläft, weil er sonst "dazwischenfunkt". Allein spielt er quasi gar nicht, er braucht immer ganz viel Rückmeldung und "Anleitung" und wenn man dann nur mal kurz rausgeht, um etwas zu holen o.ä., rennt er hinterher bis man zurückkommt. Nur mit einigen Puzzlen, die er kürzlich zum Geburtstag bekam kann er sich relativ lange allein beschäftigen, solang immer mal jemand kommt und schaut, wie gut er das allein macht und wie schnell. Liebe Grüße.

von Enn79 am 23.11.2014, 22:58



Antwort auf: Kind (3 Jahre) "auf Krawall gebürstet" - was tun?

Liebe Enn79, Ihr Sohn sucht Ihre Aufmerksamkeit. Er möchte sich diesbezüglich vor seinen kleinen Bruder stellen. Ständig muss er Sie teilen. Und wenn beide Elternteile zugegen sind, dann spielen Sie mit dem Kleinen und der Papa mit dem Großen. Tauschen Sie doch mal die Rollen. Es ist möglich, dass sich nach einiger Zeit das krawallige Verhalten in Ihrer Gegenwart auf ein Normalmaß einstellt, ebenso das Kreischen. Es ist nur eine kleine Veränderung, die aber viel bei Ihrem Sohn bewirken kann. Probieren Sie es einige Wochen aus. Sollte sich dennoch nichts am Verhalten Ihres Sohnes verändert haben, dann melden Sie sich gerne noch einmal. Kreischt Ihr Sohn und kann/möchte nicht aufhören, dann weisen Sie ihn darauf hin, dass Sie den Raum verlassen. Hört er nicht auf, dann gehen Sie für einige Minuten. So schicken Sie ihn nicht raus, sondern geben ihm die Möglichkeit zu Ende zu kreischen, gleichzeitig bemerkt er aber, dass es sich nicht wirklich lohnt zu kreischen, da kein Zuhörer dabei steht. Ihr Sohn wird die meisten Dinge sehr wohl verstehen und weiß, dass gewisse Dinge nicht erlaubt sind, wie in Steckdosen fassen, Wohnungstür öffnen etc. Er wird dies vermutlich auch machen, um Ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Sagen Sie ihm beim nächsten Mal so etwas wie:" Ich sehe dich und weiß, du möchtest etwas von mir. Gleich (wenn ich fertig bin mit dem Kartoffel schälen) kümmere ich mich um dich." Er braucht die Ermahnungen nicht. Er weiß i.d.R. was er macht. Vielleicht bin ich auch auf dem "Holzweg" und es gibt ganz andere Gründe, die hinter seinem Verhalten stecken, doch ausprobieren sollten Sie den genannten Weg oder einen ähnlichen. Nehmen Sie sich dazu ein paar Wochen Zeit und melden sich ggfls. noch einmal. Viele Grüße Sylvia

von Sylvia Ubbens am 26.11.2014