Gesellschaftliche Konvention

Dipl.-Soz.päd Sylvia Ubbens Frage an Dipl.-Soz.päd Sylvia Ubbens Diplom Sozialpädagogin

Frage: Gesellschaftliche Konvention

Hallo! Mein Sohn wird nächsten Monat Drei und heute gab es scheinbar einen "Vorfall" in der KiTa, der mich ratlos bleiben lässt, wie ich ihm in dem Alter gesellschaftliche Konvention erklären soll. Was ist passiert? Er hat einen Freund A, der fast ein Jahr älter ist. Heute kam mein Sohn nach Hause und als ich ihn fragte, was er in der KiTa gemacht hat, meinte er, er hätte A geschubst. Ich fragte warum und er meinte, weil er A ein Bussi geben wollte, aber A hat gesagt, das ist böse und schlecht. (Bussi heißt bei meinem Sohn normalerweise ein Küßchen auf die Wange). Nun hab ich versucht ihm zu erklären, dass es nicht immer falsch und auch nicht böse ist, wenn man jemand ein Bussi gibt, dass Jungs in A's Alter aber nicht gern ein Bussi bekommen und halt weder von Jungs noch Mädchen. Und dass man zwar jemanden, den man gern hat ein Bussi geben darf aber nur, wenn der oder die das auch will. Ich weiß, dass mein Sohn rein vom Wortschatz versteht, was ich ihm sage, aber ich bezweifle, dass er den Inhalt irgendwie versteht. Er saß heute Nachmittag da und hat seinem Kuschelbär ein Bussi nach dem anderen gegeben und dabei gesagt, dass er ihm (dem Bären) gern Bussi gibt. Wir wohnen als Zug'reiste hier in einem erzkatholischen bayrischen kleinen Dorf. Wie mach ich ihm klar, dass es nicht okay ist einfach irgendjemanden zu küssen und erst recht keinen Jungen? Ich will nicht, dass er denkt es ist "böse", wenn zwei Jungs/Männer sich küssen, aber das sehen andere Eltern hier sicher anders... wäre es ein Mädchen, würden alle feixen, so bekommt er einen blöden Stempel aufgedruckt. Er ist noch nicht mal Drei und wird mit den paar Kindern, die es hier gibt noch viel Zeit verbringen müssen. Aktuell ist er halt sehr verschmust und das soll er auch sein. Aber er kennt halt nunnmal einfach noch nicht den Unterschied zwischen "Ich mag dich als Freund" und "Ich liebe jemanden". Kann er denke ich auch noch nicht. Ich merke jetzt schon immer häufiger, das einige der älteren Kinder aus seiner Gruppe ihn ausgrenzen, auch außerhalb der KiTa - wobei ich nicht weiß warum. Aber es kam schon mehrmals vor, dass wir auf dem Spielplatz waren, andere Kinder kamen dazu und das erste was sie taten, noch bevor er sie richtig bemerkt hatte, war mit ihrem Spielzeug und/oder Süßigkeiten vor ihm zu wedeln und ihm zu sagen, er darf nicht mitspielen oder was abhaben. Die Erzieher haben nichts gesagt, dass er Probleme hätte, allerdings sind seine Gruppen-Erzieher, wenn ich ihn nachmittags hole nicht mehr da und am nachmittag sind nur noch wenige Kinder aus seiner Gruppe da. Danke! LG Lilly

Mitglied inaktiv - 13.09.2017, 20:25



Antwort auf: Gesellschaftliche Konvention

Liebe Lilly, wie meine Vorrednerin schon schrieb, sollten Sie Ihrem Sohn nicht erklären wollen, worin die Unterschiede bestehen, ob Mädchen oder Jungen geküsst werden usw.. Nicht jeder möchte geküsst werden, also bitte keine anderen Kinder küssen. Ihr Sohn wird sicherlich nicht aufgrund eines "falschen" Verhaltens von den älteren Kindern gemieden. Ihr Sohn ist einfach jünger und die großen Kinder können noch nicht so gut mit ihm spielen. Und da Kinder manchmal einfach so sind, wie sie sind, sprechen sie auch offen aus, dass sie nicht mit ... spielen wollen. Bzgls. seines Verhaltens im Kindergarten suchen Sie das Gespräch mit den Erziehern. Vereinbaren Sie einen Termin, wenn Sie die Haupterzieher am Nachmittag meist gar nicht mehr zu sehen bekommen. Viele Grüße Sylvia

von Sylvia Ubbens am 14.09.2017



Antwort auf: Gesellschaftliche Konvention

Hallo Lilke, ich finde, du machst dir zu viele Gedanken. Es reicht doch vollkommen aus, deinem Sohn zu erklären, dass nicht jeder ein Bussi will und man das respektieren muss. (Mag er ja vielleicht auch nicht von seiner Tante oder Oma oder sonstwem und dann darf er das sagen und muss sich respektiert werden.) Alle weiteren Erklärungen überfordern und verwirren ihn doch nur. Ich glaube auch nicht, dass selbst in einem erzkatholischen Dorf sich irgendwer etwas Böses denkt, wenn ein Dreijähriger einem anderen Jungen ein Bussi gibt. Vielleicht hast du da ein paar Vorteile gegenüber Katholiken. ;-) Ich meine, du warst das, die mal geschrieben hat, dass der Kleine mit Abstand der Jüngste in seiner Kita-Gruppe ist. Ich denke, daher rührt das Verhalten der anderen, älteren Kinder. Sie wissen um ihre Überlegenheit gegenüber deinem Sohn. VG, M.

von miaandme am 14.09.2017, 20:44



Antwort auf: Gesellschaftliche Konvention

Er bekommt im KiGa seit jeher von einigen der Mädchen aber auch immer wieder Küsschen und dort wurde den Kindern bereits gesagt, es ist okay, wenn der andere nicht nein sagt. Jetzt hat er von seinem Freund gesagt bekommen, dass es "böse und falsch" ist, weil er eben ein Junge ist und versteht nicht, warum das jetzt "böse" oder "falsch" ist, nur weil er ein Junge ist. Dass ältere ihn bei ihren Spielen nicht mitspielen lassen wollen, kann ich verstehen. Aber ist es normal, dass sie ihm das schon auf die Nase binden, bevor er überhaupt Interesse hatte mitzuspielen und bevor sie uberhaupt angefangen haben zu spielen? Bei allen Gelegenheiten, die ich miterlebt habe, war er in sein eigenes Spiel vertieft und die anderen kamen bewußt quer über den ganzen Spielplatz um ihm zu sagen, er darf nicht mitspielen und dann lachend abzuziehen. Hab Vierjährige aus meiner Verwandachaft nicht als dermaßen gemein in Erinnerung. Ich werde versuchen ein Gespräch mit den Erziehern zu bekommen um zu klären, wie es dort läuft. Vielleicht klärt sich dann einiges auf. Die Gruppe ist mit dem neuen Jahr auch verändert, so dass mehr Kinder in seinem Alter da sind. @mia: leider ist die Sorge nicht ganz unbegründet denke ich. Über unsere Nachbarn wurde schon böse geredet, weil sie nicht verheiratet waren als das erste Kind kam... Und dass unsere Kinder nicht getauft sind wird auch jedes Mal mit einem Stirnrunzeln und abschätzendem Blick bewertet (hier wird man auch nicht gefragt wie oder ob die Kinder getauft sind sondern wo). Ein ortsfremder Junge kam letztens mit einem rosa Dreirad, da hat man auch gleich die üblichen Verdächtigen tuscheln sehen. Und dass ich als Mutter arbeiten gehe macht mich eh schon zur schlechten Mutter... Ich würde hoffen wollen, dass die Kinder wertfreier erzogen werden, aber die Sorge, dass er sich egal wie ausgrenzt habe ich trotzdem. LG Lilly

Mitglied inaktiv - 14.09.2017, 22:46



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Hm, da seid ihr aber tatsächlich in einer sehr konservativen Provinz gelandet. Was hat euch denn dorthin verschlagen? ;-) Ich nehme an, die Tuschler sind eher älteren Semesters? Das muss man einfach ignorieren. Es ist von hier schwer zu sagen und ich denke auch für Frau Ubbens, ob das jetzt nun eine zufällige Aktion der Kids war oder wirklich etwas mit eurem "zugereisten" Status zu tun hat. Letzteres will ich nach deinen Schilderungen nicht ganz ausschließen. Dein Sohn wird aber doch sicherlich noch andere Freunde haben, über die er sich Zuspruch und Bestätigung holen kann? Aus dem Bussi würde ich jetzt trotzdem nicht so ein großes Ding machen. Vielleicht kannst du ihm sowas sagen wie, "na dann gib lieber den Mädchen ein Bussi, die Jungs wollen das nicht so gerne." (nur wenn das Thema noch mal aufkommt). Da hättest du ja etwas Angepasstheit vermittelt und so ist es ja nun mal bei euch. Damit hättest du Homosexualität auch nicht verurteilt, finde ich.

von miaandme am 14.09.2017, 23:50



Antwort auf: Gesellschaftliche Konvention

Danke fur deine Tipps :) Ich habe es erst einmal nicht angesprochen und die beiden spielen soweit ich gesehen habe noch zusammen (der Junge ist aus einem Nachbardorf, sie treffen sich deshalb nur im KiGa bisher). Wenn er nochmal nachfragt, werde ich es so machen, wie du sagst. Muss zugeben, dass ich die Leute hier nur schwer einschätzen kann. Wir sind beruflich hergezogen und wollten halt mit den Kindern auf dem Land wohnen - und hier war die Miete bezahlbar ;) Vielleicht täuscht mich ja doch mein Eindruck mit den älterennKindernnund es war echt Zufall. Bin da sicherlich etwas übervorsichtig, weil wir als Eltern hier auch nur schwer Anschluss finden und ich das fur die Kinder freilich nicht möchte. Danke nochmal! LG Lilly

Mitglied inaktiv - 15.09.2017, 08:21



Antwort auf: Gesellschaftliche Konvention

Das kann ich verstehen. Aber ich weiß auch, dass auf dem Dorf eigentlich jeder über jeden spricht. Wahrscheinlich wie überall, nur dass man es hier eher mitbekommt. Und wenn man noch nicht so den Anschluss gefunden hat, fühlt man sich sicher leicht ausgegrenzt. Ich denke, im Alter deines Sohnes spielen die Kinder noch nicht so gut miteinander. In nem halben Jahr sieht dass bestimmt schon anders aus und wenn dann Freundschaften entstehen, wird euch bestimmt auch als Eltern der Anschluss leichter fallen.

von miaandme am 15.09.2017, 20:01



Antwort auf: Gesellschaftliche Konvention

Hallo lilly, Ich möchte mal was zum bayrischen Dorf sagen, zumindest in dem in dem ich teilweise aufgewachsen bin... Du wirst IMMER "zugereist" bleiben. Mein Onkel heiratete vor 40 Jahren in die Familie ein... rate, er ist es immer noch. Man kennt ihn halt nicht seit frühester Kindheit ... Und ja - jeder weiss über jeden bescheid und wird auch ausgerichtet. Das gilt aber nicht nur für die neuen - das gilt für ALLE. Von daher - altes Sprichwort meiner Oma - scheiss da nix dann feid da nix. Und denk dran... die kochen auch alle nur mit Wasser. Jeder hat seine Eigenheiten und wenn sie erst mal bekannt sind wirds auch ruhiger.. Den Hauptteil meiner Kindheit verbrachten wir in München. Ich persönlich fühle mich hier wohler, es ist aber auch deutlich anonymer, was ich aber auch schätze. Für mich wäre das Dorf nichts. Aber tröste Dich... so Themen wie "nicht getauft... oder schlimmer evangelisch (kleiner Halbernster scherz).." werden durchgekaut, dann ist es aber auch wieder gut. Gerade unter den jüngeren ist das aber ohnehin kein Thema. Dorf ist einfach anders. Lg mimi

von Mimi987 am 15.09.2017, 23:23