Fehlende Impulskontrolle bei hochbegabtem Kind

Dipl.-Soz.päd Sylvia Ubbens Frage an Dipl.-Soz.päd Sylvia Ubbens Diplom Sozialpädagogin

Frage: Fehlende Impulskontrolle bei hochbegabtem Kind

Liebe Frau Ubbens, ich habe eine Frage wegen meines drei, im Oktober vier Jahre alten Sohnes. Er neigt im Umgang mit Gleichaltrigen in Spielsituationen zum Hauen und Schubsen, wenn diese in sein Spiel eingreifen oder sich nicht so verhalten, wie er es sich wünscht. Erste Anzeichen dieses Verhaltens zeigte er bereits mit etwas mehr als einem Jahr; damals dachten und hofften wir noch, dies würde sich von allein "auswachsen", dies sei sicher nur eine Phase. Nun hält es jedoch nach wie vor an. Phasenweise gab es deutliche Verbesserungen, so dass es zwischenzeitlich kaum noch zu diesem Verhalten kam (höchstens noch bei absoluter Überforderung durch Überanstrengung oder nach anhaltender Reizüberflutung), doch sowohl im letzten Jahr als auch in diesem Jahr kam es zu jeweils einem herben "Rückschlag", der wohl ursächlich mit dem Besuch des Kindergartens und der damit verbundenen Aufregung/Anstrengung zusammenhängt. Der erste Kindergarten, eine kleine Elterninitiative, in den mein Sohn ab August 2014 ging, war komplett überfordert mit seinem Verhalten, auch mit seiner "Renitenz", zu der er neigt, wenn er überfordert oder reizüberflutet ist, und die zunimmt, je mehr man ihn durch Sanktionierung u.ä. zu disziplinieren versucht. Ein Kinderpsychologe, den wir zu einem Beratungsgespräch aufsuchten, bestärkte uns in dem Entschluss, ihn aus dem Kindergarten zu nehmen, da dies nicht die richtige Einrichtung für ein Kind wie ihn sei und der Mix aus stark hierarchischem Tagesablauf und einem Klima der Einschränkung und Bestrafung nicht dazu angetan sei, die Schwierigkeiten zu lösen. Auch unser Kinderarzt sah keinen Handlungsbedarf. In der Zwischenzeit hat sich dann herausgestellt, dass unser Sohn hochbegabt ist. Bei einer Testung erreichte er den doch recht hohen Wert von 151, wobei bei ihm wohl ungewöhnlich ist, dass seine Werte nicht in einzelnen, sondern in allen getesteten Teilbereichen sehr hoch ist. Nachdem wir unseren Sohn im Oktober 2014 aus dem ersten Kindergarten herausgenommen hatten, war er erst einmal befreit, wollte nie mehr in einen Kindergarten und behielt sein schwieriges Verhalten anderen Kindern gegenüber leider zunächst bei; im Laufe der Monate beruhigte er sich jedoch wieder, gewann dann ab Frühjahr 2015 sogar wieder Interesse am Spiel mit anderen Kindern und wurde immer friedlicher. (Ich muss dazu sagen, dass sein "aggressives" Verhalten (Hauen, Schubsen, Haare ziehen) nie planvoll erfolgt, sondern immer impulsiv; oft tut es ihm hinterher leid oder es ist ihm peinlich, und er versteckt sich). Bevor er jetzt ab Anfang August 2015 in einen neuen Kindergarten ging, waren Situationen, in denen er haute oder schubste, fast vollständig aus seinem Verhalten verschwunden. Jetzt, im Kindergarten, ist es schlagartig wieder zurückgekehrt. Die ErzieherInnen dieses Kindergartens sind glücklicherweise geschult im Umgang mit Hochbegabten, besitzen eine Zusatzqualifikation, und der Kindergarten hat sich darauf spazialisiert, hochbegabte Kinder in ihre Gruppen zu integrieren und sie nach ihren Bedürfnissen bei ihrem Weg zu begleiten. Sie sehen das Problem, gehen aber recht entspannt damit um. Sie sagen, dieses Verhalten sei - vor allem bei Jungen mit Hochbegabung - nichts Ungewöhnliches. (Kognitiv sei unser Sohn annähernd auf dem Stand eines 5Jährigen; emotional aber altersentsprechend, in seinem Sozialverhalten sogar noch zurück.) Doch ich frage mich, ob es vielleicht etwas gibt, was man tun kann, um ihn auf diesem Weg noch zusätzlich zu unterstützen. Der Leidensdruck ist natürlich vielfältig: zunächst einmal ist es natürlich nicht schön, wenn andere Kinder durch ihn Schmerz oder Angst erfahren (auch wenn die Kinder sehr gut damit umzugehen scheinen und ihn nicht ausgrenzen), dann ist es aber auch so, dass er selbst leidet, weil er sein impulshaftes Verhalten nicht zu kontrollieren weiß. Es überkommt ihn, blitzschnell haut er zu oder schubst - und wenn das andere Kind dann weint, wirkt er manchmal ganz hilflos und verloren. Die ErzieherInnen nehmen sich glücklicherweise viel Zeit, um solche Situationen aufzulösen, sind geduldig und wertschätzend mit ihm und nehmen ihn auch in Schutz, wenn sie sehen, dass andere Kinder seine "Schwäche" ausnutzen und ihn provozieren, doch ich frage mich: Kann ich als Vater etwas tun, damit die Impulskontrolle meines Sohnes gestärkt wird? Oder soll ich einfach darauf vertrauen, dass sich dieses Verhalten auflösen wird, sobald mein Sohn sich an die für ihn stressige neue Situation im Kindergarten mit den vielen Kindern, vielen Reizen, ohne Eltern gewöhnt? Für eine Antwort wäre ich Ihnen sehr dankbar, denn auch für uns als Eltern ist diese Situation natürlich auf vielfältige Weise belastend, wobei wir jedoch versuchen möchten, den Fokus auf unseren Sohn und die Hilfe, die wir ihm vielleicht leisten können, um diesen Entwicklungsschritt zu vollziehen, zu richten. Einen herzlichen Gruß sendet Ihnen ein besorgter Vater.

von Hardenberg am 24.08.2015, 11:13



Antwort auf: Fehlende Impulskontrolle bei hochbegabtem Kind

Lieber Hardenberg, lassen Sie Ihrem Sohn und sich die Zeit, die er benötigt, sich an die noch neuen Gegebenheiten zu gewöhnen. Sie schreiben, dass die Erzieher geschult sind und sehr gut mit der Situation und vertrauensvoll mit Ihrem Sohn umgehen. Ihr Sohn ist noch nicht sehr lange im Kindergarten. Selbst für Kinder ohne Hochbegabung ist in dieser kurzen Zeit eine ganzheitliche Gewöhnung kaum möglich. Stehen Sie Ihrem Sohn für Kuscheleinheiten zur Verfügung und haben stets ein offenes Ohr für ihn. Bleiben Sie im Gespräch mit den Erziehern, das sind die besten Voraussetzungen, damit ihr Sohn bald, mit einem guten Gefühl auf allen Seiten, den Kindergarten besuchen kann. Viele Grüße Sylvia

von Sylvia Ubbens am 24.08.2015



Antwort auf: Fehlende Impulskontrolle bei hochbegabtem Kind

Lieber besorgter Vater, ich habe Ihren Beitrag gelesen...es ist, als würden Sie von meinem Sohn schreiben. Wie geht es ihrem Sohn mittlerweile? Viele Grüße eine besorgte Mama

von UlrikeMaria am 23.07.2016, 18:53



Antwort auf: Fehlende Impulskontrolle bei hochbegabtem Kind

Hallo, unser 2jähriger Sohn zeigt das gleiche Verhalten. Seine 5 jährige Schwester ist hochbegabt, wir vermuten dass er das auch ist. In welchem Kindergarten war ihr Sohn? Sie schreiben von einem Kindergarten der auf solche Kinder spezialisiert ist. Wir sind verzweifelt, da unser Kindergarten mit seinem Verhalten überhaupt nicht zurecht kommt. Vielleicht würde schon ein Austausch mit ihrem ehemaligen Kindergarten helfen. Danke und Grüße Elke H.

von elkecita80 am 30.09.2023, 22:40