Erziehe ich meinen Sohn zur Unselbstständigkeit?

Dipl.-Soz.päd Sylvia Ubbens Frage an Dipl.-Soz.päd Sylvia Ubbens Diplom Sozialpädagogin

Frage: Erziehe ich meinen Sohn zur Unselbstständigkeit?

Hallo Frau Ubbens, Mein Sohn ist jetzt knapp 2 jahre uns drei Monate alt. Und bisher schläft er noch in meinem Arm ein. Zum Teil brauchen wir fast eine Stunde. Bis vor kurzem habe ich auch noch neben ihm geschlafen. Jetzt hatte ich mit meinem Mann die Diskussion, dass er doch alleine einschlafen müsste und das er so nie selbstständig werden würde. Ich frage mich ob das eine mit dem anderen zu tun hat?! Ich bin gerade wieder sehr verunsichert. Mein Sohn möchte zur zeit auch viel auf den Arm und schimpft und weint wenn er etwas nicht hinbekommen oder etwas nicht sofort bekommt. Ich versuche ihm dann zu helfen, es alleine zu schaffen oder ihn um Geduld zu bitten. Oder wäre es hilfreicher ihn in solchen Situationen zu belassen, dass er selbst eine Lösung findet? Allerdings kommt mir das irgendwie falsch vor. Beim Frühstück möchte er ganz oft auf meinem schoß sitzen... Meine Mutterherz leidet dann immer wenn er anfängt zu weinen, weil ich seinem Wunsch nicht nachkomme. Und eigentlich würde ich das auch gern... Aber irgendwie denke ich auch er muss lernen beim essen auf seinem Stuhl zu sitzen. Generell ist mein kleiner gerade sehr auf mich fixiert (außer beim Spielen und Toben), darunter leidet mein Mann wiederum sehr. Ich weiß manchmal nicht wie ich mich richtig verhalten soll. Ich möchte ja auch der vater-kind-beziehung nicht im Wege stehen. Jetzt ist gerade ein Thema in das nächste geflossen. Ich hoffe Sie können mir trotzdem helfen... Ich denke, dass das auch alles wieder nur eine Phase ist, lasse mich aber schnell durch Aussagen verunsichern, dass ich mein Kind zur Unselbstständigkeit erziehe und ihn zu sehr verwöhne. Für ihre Hilge bedanke ich mich im Voraus. Liebe grüße

von Sniffyyy30 am 06.04.2017, 09:47



Antwort auf: Erziehe ich meinen Sohn zur Unselbstständigkeit?

Liebe Sniffyyy30, solange es für die Eltern in Ordnung ist, ist es in Ordnung seine Kinder in den Schlaf zu begleiten oder gemeinsam im Elternbett zu schlafen. Wichtig ist aber, dass die Eltern sich damit identifizieren können. Möchten Sie eine Veränderung, dann können Sie sich z.B. als ersten Schritt "nur" neben das Bett Ihres Sohnes setzen. Haben Sie eine kleine "Ausrede" parat. Vielleicht müssen Sie einen wichtigen Brief schreiben, etwas nähen, o.ä. So sind Sie in seiner Nähe, Ihr Sohn sieht, dass Sie beschäftigt sind und er kann gut neben Ihnen einschlafen. Beim Essen sollten Sie klare Regeln aufstellen. Entweder in die Richtung, dass es in Ordnung ist, dass Ihr Sohn auf Ihrem Schoß sitzt oder in der Weise, dass er zu Ihnen auf den Schoß kommen darf, wenn er aufgegessen hat. Bieten Sie es anfangs von sich aus an, wenn er aufgegessen hat, damit er lernt, wann es in Ordnung ist auf Ihren Schoß zu kommen. Sie sollten Ihren Sohn nicht alleine in seinem Kummer lassen. Lenken Sie ihn gerne ab, wenn er etwas nicht bekommen kann. Passt der eine Bauklotz nicht auf den anderen, dann nehmen Sie seine Hand und setzen gemeinsam den Bauklotz auf den anderen. Usw. Erarbeiten Sie die Lösung auf diese Weise gemeinsam. Viele Grüße Sylvia

von Sylvia Ubbens am 07.04.2017



Antwort auf: Erziehe ich meinen Sohn zur Unselbstständigkeit?

Hallo, sorry, wenn ich auch gern etwas dazu kamellen möchte, und noch dazu ziemlich ausführlich... Ich hoffe, das ist okay, einfach nur so als Anregung: Du gehst sehr auf die Wünsche Deines Sohnes ein, und das ist absolut lieb und gut gemeint von Dir. Du glaubst, sein Kind zu lieben heißt, ständig sämtliche seiner Wünsche zu erfüllen. Dabei achtest Du nur sehr wenig auf Deine eigenen Bedürfnisse. Du liegst abends ewig mit Deinem Sohn im Bett, anstatt Deinen wohlverdienten Kinder-Feierabend zu genießen. Du möchtest gern deine Mahlzeiten genießen, aber das ist schwierig, weil Dein Sohn auf Dir klemmt. Du "bittest" ihm um Geduld, wenn er fordernd und unfreundlich ist. Es wirkt sehr, als ob Du ein großes Problem damit hättest, auf Deine eigenen Bedürfnisse zu achten und sie zu respektieren. Dein Sohn bestimmt häufig Dein Verhalten, indem er auf seinen alten Baby-Gewohnheiten (alles im Arm der Mama machen) besteht und Dich sehr mit Beschlag belegt. Er steuert offenbar auch sehr Euren Tagesablauf und den Tonfall, der zwischen Euch herrscht. Hier besteht ein Ungleichgewicht, das auf Dauer anstrengend wird - für die ganze Familie: für Deinen Sohn, Dich und Deinen Mann. Ein Kind wünscht sich eine starke, souveräne Mutter, die die Leitung übernimmt. DU bist im Alltag der Boss, nicht Dein Sohn! Mit einer Führungsrolle in Eurer Beziehung wäre er unglücklich und schwer überfordert, er will sie gar nicht haben. Er will Liebe, zugleich aber auch Führung, Anleitung und Halt. Ich finde, Du unterschätzt Deinen Sohn ein wenig: Du glaubst, er nehme seelisch irgendeinen Schaden, wenn er mal nicht in Deinen Armen schlafen oder essen darf. Doch dies gilt vielleicht für einen Säugling - für ein Kleinkind gilt dies längst nicht mehr. Es hat genug Ich-Stärke und Autonomie, um zu registrieren UND zu akzeptieren, dass Mama Grenzen und eigene Bedürfnisse hat, die sie auch wahrt. Wenn Dein Sohn weint, sobald er nicht auf dem Arm sein darf, ist dies einfach, weil er eine liebgewonnene Gewohnheit nicht aufgeben will - das ist total nachvollziehbar, es ist okay und sein Recht, hier zu protestieren. Es ist aber ebenso okay, natürlich und sogar wichtig, dass Du auch Deine eigenen Bedürfnisse nicht komplett ignorierst. Dein Sohn darf die wichtige Erfahrung machen, dass jeder Mensch Grenzen hat, die er respektiert haben möchte. Wenn Mama ihm ab und zu sagt: "Ich verstehe dich, aber ich gebe in diesem Punkt nicht nach!", dann lernt er: Auch er selbst darf sich abgrenzen gegenüber den Forderungen Anderer. Es ist also durchaus auch ein erzieherisches Vorbild, wenn Du ihm hier und da Deine eigenen Grenzen spürbar machst, wenn Du also Konturen hast und nicht allzeit schwammig-nachgiebig wirkst. Als Mutter muss man ja immer eine Balance finden zwischen den Bedürfnissen des Kindes und den eigenen. Vertraue darauf, dass Dein Sohn mit zwei Jahren ohne Arm (aber trotzdem anfangs in Deinem Beisein) einschlafen kann, und zwar ohne irgendeinen Schaden zu nehmen. Es ist für ihn ungewohnt und unbequem, deshalb wird er eine Zeitlang motzen. Er muss ja erst lernen, dass Mama auch Bedürfnisse hat und für sich sorgt, so wie sie auch für ihn sorgt. Das gilt auch beim Essen: Dein Sohn kann im Kinderstuhl sitzen und trotzdem das leckere Essen genießen. Auch diese Erfahrung ist natürlich für ihn neu und ungewohnt, aber Du darfst sie ihm zutrauen. Gib ihm ruhig viel Nähe, wenn er die im Moment braucht. Du musst dies aber nicht dort tun, wo es für Dich sehr anstrengend wird, sondern kannst es einfach auch zwischendurch am Tag machen: mit ihm kuscheln, schmusen, spielen, mit ihm Bilderbücher durchsehen usw. LG

von Bonnie am 06.04.2017, 12:42



Antwort auf: Erziehe ich meinen Sohn zur Unselbstständigkeit?

Hallo Bonnie, Vielen Dank für deine Antwort. Sicher hast du mit vielem recht was Du schreibst und ich versuche oft mich selbst zu reflektieren. Und muss mir eingestehen, dass ich in vielen Dingen total konsequent bin. Aber wenn es darum geht, dass mein Kleiner meine Nähe Sucht, dann gebe ich schon sehr oft nach. Mit dem Einschlafen ist jetzt auch MEINE nächste große Aufgabe...Bin gespannt wie ich sie umsetzen kann. Vielen Dank nochmal für Deine Worte . Liebe Grüße

von Sniffyyy30 am 06.04.2017, 20:47