Frage: Einfluss auf Bindung

Sehr geehrte Frau Ubbens, ich brauche einmal Ihren Rat. Wir haben einen 3,5 Monate alten Sohn und er ist ein absolutes Wunschkind. Meine Frau kümmert sich rührend um ihn, dennoch hat sie oft das Gefühl so vieles falsch zu machen und Angst keine sichere Bindung aufbauen zu können. Er schläft seit er 10 Wochen alt ist komplett im Familienbett, vorher Beistellbett und nur in den Morgenstunden direkt bei uns. Er wird voll gestillt. Wir lassen ihn nie schreien. Dennoch gibt es einige Aspekte wo sich meine Frau sehr Gedanken macht und sich fragt ob dies geschadet haben könnte. Sie liest viele bindungsbezogene Bücher (erst nach der Geburt), z.B. "Verwöhn dein Baby nach Herzenslust" und wenn sie dann merkt etwas nicht so ideal gehandhabt zu haben, kommen eben die Sorgen. Vielleicht können Sie diese Sorgen etwas entkräftigen: 1) Es ist unser erste Kind. Es war nach der Geburt aufgrund von Gelbsucht etwas geschwächt und musste zum Trinken immer wieder animiert werden. Dabei legten es die Schwestern im KH oft sehr energisch an (Nackengriff). Meine Frau hatte anfangs auch Angst nicht genug Milch zu haben und gab diesen Druck (ihrer Meinung nach) an den Kleinen weiter, indem sie ihn ständig animieren wollte und auch forciert anlegte (hat sie ja so gelernt). 2) Im KH hat man ihr zum Aufnehmen des Babys nur den Achselgriff gezeigt (mit Kopfstützen natürlich). Diesen hat sie dann so übernommen und unser Sohn schaute dabei immer eher etwas "entgeistert", quengelte aber nicht. 3) Sie meint es wäre nicht i.O. gewesen ihn als Neugeborenes allein schlafen zu legen (im Beistellbett). Meist so um 20 Uhr und wir blieben noch wach im Nebenzimmer. Aber sie hat ihn immer in den Schlaf begleitet. Hätte er wirklich immer an unserer Seite sein müssen? 4) Wir haben ihn wie gesagt immer hochgenommen, wenn er geschrieen hat. Aber sie meint ihn dennoch zu wenig getragen zu haben (hat immer wieder versucht ihn abzulegen, da sie noch Probleme mit dem Beckenboden hatte und er auch nur auf dem Arm getragen werden wollte, also eine Tragehilfe bis heute nicht mag). Aber wie gesagt, wenn er quengelte oder schrie, nahm sie ihn sofort wieder auf. 5) Einmal habe sie ihn eher ruppig hochgenommen (war da 7 Wochen), weil er schon die ganze zeit quengelte und sie nicht mehr wusste was sie für ihn tun kann. Als sie ihn aufs Stillkissen legte, hat sie vor Ärger zweimal aufs Kissen gehauen. Sie lässt der Gedanke nicht los, dass sie ihm Angst gemacht hat und so die Bindung beeinträchtigt haben könnte. Ist das bei einem eher einmaligen Ereignis dieser Art möglich? Überhaupt macht sie sich eben zu den genannten Punkten Gedanken, dass das die Bindung vielleicht negativ beeinflusst. 6) Da es das erste Kind ist, war sie sich eben auch oft unsicher, was für Bedürfnisse er genau hat und probierte eben eher durch, wenn er schrie (Hunger, Windel, Langeweile, usw.) Sie meint möglicherweise manchmal zu lange gebraucht zu haben um sein Bedürfnis adäquat zu erkennen. 7) Er mag keine Autofahrten, dennoch gibt es ja unvermeidliche Fahrten. Wenn er dann schrie, hielt sie zwar oft bei nächster Gelegenheit an um ihn zu beruhigen was jedoch nicht immer klappte. Sie wünschte sie, sie hätte nie mit ihm Autofahren müssen. Unser Sohn ist nie ein Schreikind gewesen, allerdings eher leicht irritierbar (mag auch keinen Kinderwagen, keine Autofahrten, Tragehilfe). Der Mororeflex ist immer noch in Einschlafsituationen gut ausgeprägt. Meine Frau liebt es jedoch mit dem Kleinen zusammen zu sein und ist total liebevoll mit ihm. Sie möchte einfach alles möglichst richtig machen. Können die genannten Situationen tatsächlich geschadet haben? Vielleicht können Sie ja kurz auf die einzelnen Punkte eingehen. Vielen dank im Voraus Markus

von Markus77 am 07.11.2016, 15:08



Antwort auf: Einfluss auf Bindung

Lieber Markus, meine Vorrednerinnen haben beide schon sehr gut geantwortet. Auf die angesprochenen Dinge werde ich nicht noch einmal eingehen, ich kann sie nur noch einmal unterstreichen. Zu Ihren Punkten: 1. Das Stillen klappt jetzt super. Bei vielen Mamas klappt es nicht auf Anhieb. Nachdem Mama und Kind sich kennengelernt haben, gelingt es meist sehr gut und Anfangsschwierigkeiten sind schnell vergessen. Ein Baby empfindet nicht so wie die Mutter. Es genießt es einfach nur, so nah bei Mama sein zu können und das anschließende Sättigungsgefühl. Wie es angelegt wurde ist schon längst wieder vergessen. 2. In welcher Position das Kind gestillt wird, ist dem Baby egal. "Entgeistert" hat Ihr Sohn vielleicht aufgrund der Gesamtsituation geguckt. "Was wollen die von mir?" 3. Wenn das Baby nicht weint, ist es völlig in Ordnung, es alleine in seinem Bettchen einschlafen und auch schlafen zu lassen. Ärzte, Hebammen und weiteres Fachpersonal raten sogar dazu (Vermeidung von plötzlichem Kindstod). 4. Sie als Eltern nehmen den Kleinen hoch, wenn er weint, mehr können Sie doch gar nicht tun. Ein Baby darf, muss aber keinesfalls den ganzen Tag herumgetragen werden. 5. Ihre Frau hat auf das Kissen gehauen und nicht auf das Kind - super. Manchmal muss Frust raus, damit man anschließend wieder entspannt auf das Kind zugehen kann. 6. Alle Eltern und Babys müssen sich erst kennen- und damit auch Bedürfnisse erkennen lernen. Keinem Baby schadet dieser Kennlernprozeß. Es wird sich ja um ihn gekümmert und das spürt das Baby. 7. Leider geht es nicht immer ohne Autofahren. Ihr Sohn ist nicht das einzige Baby, dass das nicht mag. Im Laufe der Monate wird sich auch Ihr Sohn an das Autofahren gewöhnen. Sie als Eltern machen es ganz toll. Sie gehen auf die Bedürfnisse Ihres Sohnes ein. Selbst, wenn er mal ein kleines Weilchen weinen muss, schadet es ihm nicht. Manchmal sind auch die Bedürfnisse der Eltern wichtig, wie der Gang zur Toilette oder der eigene Durst, der gestillt werden muss usw. Zwei Tipps: Verlassen Sie sich als Eltern auf Ihr Bauchgefühl und nicht so sehr auf Literatur. Das Lesen beeinflusst das Bauchgefühl und lässt uns manchmal anders handeln, weil wir glauben, dass es besser ist, als wir eigentlich meinen, dass es gut für unser Kind ist. Das Bauchgefühl ist immer ein guter Wegweiser. Darum mein Tipp: Lieber die Bücher an die Seite legen. Ihrer Frau würde bestimmt der Besuch einer Mutter-Kind-Gruppe gut tun. Sei es eine angeleitete Gruppe wie PEKIP, DELFI o.ä. oder eine Krabbelgruppe o.ä. Dort kommen die Mamas miteinander ins Gespräch und jede hört von anderen, wie diese in bestimmten Situationen, aber auch Alltagssituationen handeln. Dies nimmt sicherlich die Sorge, etwas falsch gemacht zu haben oder falsch zu machen. In den ersten Monaten haben Sie als Eltern alles für eine gute Bindung getan und so wird es auch mit Bauchgefühl in den kommenden Monaten und Jahre sein. Viele Grüße Sylvia

von Sylvia Ubbens am 09.11.2016



Antwort auf: Einfluss auf Bindung

Hallo :) Ich finde es total rührend, das ihr euch solche Gedanken macht! Das zeichnet gute Eltern aus! Der Bindung schadet es nix. Alles was Sie beschreiben ist ganz normaler Alltag mit neugeborenem Baby. Es dauert nur eine Weile, bis sich alles gut eingespielt hat und bis ihr euch alle aufeinander eingestellt habt. So wie ich das lese macht ihr das super! Bald werdet ihr sicherer im Umgang sein und jetzt geniesst die Zeit und macht was euch euer Bauchgefühl sagt :) Alles gute eurer kleinen Familie :) junima

von junima2011 am 07.11.2016, 22:44



Antwort auf: Einfluss auf Bindung

Hallo, ein Problem unserer Zeit bzw. unserer Generation als Eltern ist, dass alles gleich auf die Psycho-Schiene geschoben wird. Ich finde das sehr bedenklich und frage mich, was aus unseren Kindern werden soll. All diese Ängste und Zweifel wird das Kind spüren und das führt zu Problemen, mangelndes Selbstbewusstsein, Unsicherheit - quasi selbsterfüllende Prophezeiung. Stellt euch vor, ihr hättet ein älteres Geschwisterkind. Da kann man sich nicht immer sofort uns Baby kümmern. Es ist laut, es gibt Geschrei, das ältere pisakt das Baby, es muss irgendwo hingefahren werden, etc. Dann müsste ja jedes weitere Kind nach den Erstgeborenen eine Bindungsstörung entwickeln. Und dann überlegt auch mal, wie wir aufgewachsen sind, unsere Eltern, Großeltern. Ganz sicherlich haben sich die vorherigen Elterngenerationen nicht so viele Gedanken um psychische Auswirkungen gemacht und ich wage mal zu behaupten, die Abkömmlinge sind zum Großteil nicht gestört. Fazit: Locker bleiben, auch mal Fünfe gerade sein lassen und vor allem sich auch mal Fehler zugestehen und auf die eigenen Instinkte hören.

Mitglied inaktiv - 08.11.2016, 22:30



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