Frage: Kritik

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Costa, ich schätze Ihre Arbeit hier sehr und verfolge mit Erstaunen, wie Sie selbst die 1.0000 Frage zu Listerien und Toxoplasmose noch mit Humor beantworten und hier täglich Licht in das Dunkel der vielen potenziellen Gefahren im Kühlschrank vieler Schwangeren bringen. Doch bin ich mit einer Ihrer letzten Antworten nicht einverstanden, da ich befürchte, dass Sie hier Ihre ganz persönliche Abneigung gegen Langzeitstillende unter dem Deckmantel ihrer medizinischen Autorität versteckt haben.. Regelmäßig antworten Sie stillenden Müttern (mit jungen Säuglingen) in etwa solche Passagen zum Thema Stillen und Alkohol: "Re: Alkohol Stillzeit Wenn Sie Stillen, dann dürfen Sie schon mal, gelegentlich ein Glas Wein trinken. Am besten ist es, das "Gläschen" unmittelbar nach dem Stillen zu sich zu nehmen, damit der Körper Zeit hat, den Alkohol abzubauen. Hier mal ein Rechenbeispiel - aber bitte nageln Sie mich fest, bei jedem Menschen ist es etwas anders und ich weiß nicht, wie groß Sie sind und auch nicht wie viel Sie wiegen, wie Ihre Leber arbeitet, etc. Aber trotzdem mache ich es, damit Sie sehen, wie es ungefähr aussieht: - Etwa 0.1 pro Mille Alkohol wird in einer Stunde abgebaut. - Ein Glas Wein führt zu einer Blut-Konzentration des Alkohols von knapp 0.4 pro Mille. - Das bedeutet, dass die Blutkonzentration etwa nach 4 Stunden gegen Null geht... Aber, wie gesagt, alles unter viel Vorbehalt.. Antwort von Prof. Dr. Costa am 02.04.2016" Selbst einer Mutter, die plante regelmäßig bis täglich ein Glas Wein zu trinken, legten Sie zwar nahe Muss und Genuss zu unterscheiden, aber versicherten ihr dennoch, Ihrem Kind mit ausreichend Stillpause (s.o. vier Stunden) damit keinesfalls Schaden zuzufügen. Nun jedoch fragte Sie vor einigen Tagen die stillende Mutter eines 13 Monate alten Kindes, ob sie im Urlaub ausnahmsweise ein Glas Wein zum Essen trinken dürfe, die Stillpause danach beträge mindestens 8 Stunden. Diese Mutter hat wohlbemerkt weder eine Frage zum richtigen Abstillzeitpunkt, noch zum Nutzen oder Nicht-Nutzen von Muttermilch nach Monat 12 gestellt. Ihre Antwort enthielt neben der für meinen persönlichen Geschmack unprofessionellen Aussage, sie solle doch bitte abstillen und laufe sonst Gefahr den "Fundamentalistinnen, die gerne das Stillen bis zum Uni-Abschluss ihrer Kinder empfehlen würden" auf dem Leim zu gehen, auch die Aussage dass ein Glas Wein am Abend aufgrund des Restalkohols auch nach 8-stündiger Stillpause nicht vertretbar (wörtlich "keine gute Idee", "Kind soll keinen Alkohol trinken") sei. Während Sie in anderen Antworten bereits nach 4-stündiger Pause die Blutkonzentration "gegen Null" berechnen und daher selbst bei einem regelmäßigen Genuß keine Gefahren sehen. Diese Aussagen widersprechen sich offensichtlich und ich denke das liegt an Ihrer persönlichen Einstellung zum Thema Stillen, nicht an Ihrer medizinischen Ausbildung. Auch möchte ich richtig stellen, dass die Empfehlung der WHO, 2 Jahre und darüber hinaus zu stillen, KEINEN Kompromiss darstellt, um in afrikanischen Ländern das Überleben zu sichern, sondern tatsächlich (wird von der WHO regelmäßig betont) eine Empfehlung für die Mütter aller Länder darstellt. Ich würde mir sehr wünschen, dass Sie mir nun nicht allzu böse sind und Ihre persönliche Meinung zu diesem Thema Zukunft auch als solche deklarieren. Mit freundlichen Grüßen

von MayasMama am 14.06.2016, 14:18



Antwort auf: Kritik

Solche Reaktionen habe ich schon erwartet, als ich einer Stillenden empfahl, nach 13 Monate Stillens lieber abzustillen. Böse bin ich natürlich nicht, ganz im Gegenteil schätze ich sachliche Kritik sehr. Unabhängig davon, was die WHO empfiehlt, möchte ich nur festhalten, dass es nicht meine ganz persönliche Meinung "unter dem Deckmantel meiner medizinischen Autorität" ist, dass Stillen länger als 4 - 6 Monate durch keine einzige wissenschaftliche Studie gestützt ist. Was ich sagen will, ist dass es wissenschaftlich nicht bewiesen ist, dass kürzeres Stillen als 2 Jahre irgend einen Nachteil birgt. Dass es ein Tabu-Thema ist, nicht zu stillen oder kürzere Zeit zu stillen, weiß ich sehr wohl. Im Prinzip sollte man jedem überlassen, wie er sich diesbezüglich verhält - so viel Freiheit muss unbedingt sein und das ist auch medizinisch vertretbar. Aber dann sollte man auch diejenigen nicht an den Pranger stellen, die nicht stillen wollen bzw. nach wenigen Monaten nicht mehr stillen. Hier reden wir über sehr wenige Frauen - eine bei uns in der Klinik durchgeführte Umfrage ergab, dass es weniger als 5-10% aller Frauen sind, die gar nicht stillen wollen. Dass ich als Arzt jemandem empfehle, allmählich mit dem Stillen nach 13 Monaten aufzuhören, ist eine ärztliche Empfehlung - nicht mehr und nicht weniger. Was jene Mutter macht, ist ihr überlassen und damit habe ich kein Problem. Es ist ganz sicher nicht falsch, nach 13 Monaten mit dem Stillen aufzuhören. Aber auch nicht, weiter zu stillen, auch wenn ich nicht weiß, warum. Falsch ist es nur, Alkohol zu trinken und diesen dem gestillten Kind zuzumuten. Da wir alle nicht "von Gestern sind", wissen wir auch, dass es fast unmöglich ist, bei einem schönen Essen, mit Freunden/Familie, im Urlaub bei einem Glas Wein zu bleiben, wenn man gerne Wein trinkt. Das ist äußerst schwierig und mein Rat hat auch diesen Umstand versucht, zu berücksichtigen.

von Prof. Dr. med. Serban-Dan Costa am 17.06.2016