Frage: Regulationsstörung Baby 3,5 Monate

Hallo, anfangs war alles prima, ab 3 Wo erste Probl. beim Einschl. am Tag. Sie schläft tags nur im TT, meist mit anfängl. Geschrei, ist s. schreckhaft & hat die Augen immer weit geöffnet. Sie kann nicht länger als 45 Min. wach sein, dann geht das Gezappel los, obw. vorher keine Anz. v. Müdigk. Auf d. Arm biegt sie sich mit aller Kraft & schläft erst nach 30-60 Min. Bis sie dann fest schläft dauert es noch mal 30 Min., dazw. holt sie sich wieder zurück & nach 30 Min. ist sie immer wieder wach. Abends einschl. im dunklen Zimmer nach Ritual klappt besser, da aber auch nach 30 Min. wach, nur durch Dauerstillen zu beruhigen. Meine Erfahrung deckt sich zu 100 % mit der Regulationsst. Theorie. Warum sollte sie aus Urangst weinen, wenn sie im Wachzustand sehr fröhlich ist. Sie spielt dann auch alleine auf der Decke, lacht laut und lallt schon sehr lange? Man sieht förmlich, wie sie Reize aufnimmt & nicht verarbeiten kann. Stimmung kippt erst dann. Nachts Familienbett, dann alles prima.

von Lotta79 am 09.06.2014, 09:48



Antwort auf: Regulationsstörung Baby 3,5 Monate

Hallo, die Schwierigkeiten im Umgang mit einem kleinen Säugling fangen fast immer mit 3 bis 4 Wochen an. Es gibt in dieser Zeit Prozesse im Gehirn, die einen höheren Aufmerksamkeitsgrad und eine Feststellung des eigenen Daseins dem Neugeborenen ermöglichen. Dabei muss es sich wohl um die Erfahrung des Körper-Ichs handeln. Messen lässt sich das allerdings mit nichts. Man kann es nur beobachten. Die Urangst ist ein Ergebnis unserer menschlichen Vorgeschichte, d.h. eine evolutionsbiologische Tatsache. Säuglinge lebten in Urzeiten extrem gefährlich. Nur in engem Kontakt mit der zukünftigen Bindungsperson konnten sie sich einigermaßen sicher fühlen. Waren sie wach und in der Nähe ihrer Mutter, fühlten sie sich sicher und äußerten sich vergnügt. Aber selbst da überkam sie immer wieder die Sorge um das eigene Wohlergehen. Insofern waren die Zustände des Glücks, der Sorglosigkeit und Zufriedenheit nie stabil und so bleibt es auch in der weiteren Entwicklung des Kindes. Insofern ist verständlich, wieso die Stimmung beim kleinen Säugling so schnell umschwenken kann und auf den Moment des gemeinsamen Glücks plötzlich eine Angstattacke folgt. Nachts und bei Alleinsein sind diese Angstattacken dann mehr als verständlich. Urvertrauen ist nicht von Anfang an vorhanden. Das wusste bereits der berühmte Erik Erikson. Urvertrauen muss durch zunehmende Bindungssicherheit aufgebaut werden. Auch beim Regulationsstörungskonzept gibt es solche Grundgedanken. Aber die völlig andere Vorstellung begründet These, dass die viel schreienden Säuglinge mit einer Störung zur Welt kommen, die die Selbstregulationsfähigkeit erschwert oder außer Kraft setzt. Das kann nur eine Störung im Neurotransmittergeschehen sein, die vielleicht durch eine stressige Schwangerschaft zu erklären ist, sonst aber schnell den Status einer angeborenen Anlageschwäche bekommt. Die Folge dessen ist die mangelhafte Anpassungsfähigkeit des Säuglinge an die Erfordernisse der Umwelt. Diese Erfordernisse macht sich die Umwelt natürlich selber. Nach der Phase der notwendigen Ko-Regulation eben wieder durch die zukünftige Bindungsperson, werden danach solche Anpassungsstörungen mit konditionieren Maßnahmen als Therapien behandelt. Ganz anders bei der Bindungstheorie. Die Verhaltensschwierigkeiten des Säuglings erklären sich hier durch Unterschiede im Temperament. Das Temperament kann angenehm und zu der Familie passend ausfallen oder mehr das Gegenteil von dem sein. Aber Temperament ist etwas angeboren Persönliches und kein Störungsbild. Demzufolge müssen die familiären Verhältnisse so angepasst werden, dass es möglichst zu wenig oder keine Konflikten führt. Urangst muss als Grundkondition verstanden werden und so durch einfühlsames Elternverhalten abgefedert, dass sich viel Urvertrauen entwickelt. Was dabei entsteht, ist eine sichere Bindung. Auch die benötigt zwar im Einzelfall Hilfen und Beratung, macht aber keine konditionierenden Therapien erforderlich. Beraten und behandelt werden immer Eltern und Kind im Zusammenhang und nicht Kinder allein zwecks Anpassung an die Bedürfnisse ihrer Eltern. Ich hoffe, ich konnte mich ausreichend verständlich machen. Ich denke, die Antwort auf Ihre persönliche Frage, ergibt sich aus der allgemeine Erklärung. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 10.06.2014