Frage: Regulationsproblem

Hallo Dr. Posth, Baby 9 Mo. beruhigt sich nie beim Schlafenlegen- macht sich ständig wieder wach, schreit. Nur abends mit Flasche ruhiges Einschlafen. Diagnose des KiA: frühkindl. Regulationsstörung. Ist auch so nie zufriedenzustellen außer bei ständigem Angebot. Problem: Renommiertes Klinikum behandelt Problem über Schreienlassen. Tuch übers Bett (keine opt. Reize), Körperkontakt per Hand halten, Singen, wiegen. Hat bei 1. Behandlung 15 Min geschrieen. Bin unsicher ob trotz Körperkontakt nicht nachteilig für Bindung. Daheim stattdessen auf dem Arm, wehrt sich u schreit trotzdem:-( Bessere Alternative oder genauso schlecht? Wie kann ich liebevoll helfen zur Ruhe zu kommen? Trinkt nachts bis zu 4! Flaschen, ständig wach, kaum beruhigbar. Eigtl guter Esser u Trinker inkl große Port. Abendbrei. Körperl topfit, intelligent, Zähne derzeit kein Problem

Mitglied inaktiv - 13.10.2014, 07:04



Antwort auf: Regulationsproblem

Hallo, Sie dürfen nicht vergessen, dass der Status jetzt im Verhalten Ihrer Tochter/Ihres Sohnes das Ergebnis einer monatelangen Entwicklung ist. Daher reagiert sie/er nicht mehr in gewünschter Weise. Aber das Problemverhalten jetzt auf eine angeborenen Selbstregulationsschwäche zurückzuführen, wie es die Regulationsstörungstheorie macht, hieße Stress-bedingte Kopfschmerzen auf eine falsche Schmerzverarbeitung im Gehirn zurückzuführen. Das ist so nicht haltbar. Daher arbeitet die Bindungstheorie mit Beziehungsstörungen und geht davon aus, dass sich ein Säugling überhaupt nicht selbst regulieren kann und sich seine Störungen in der Beziehung zu der oder den Bindungsperson(en) aufbauen. Das heißt, jeder Säugling braucht immer Ko-Regulation und das nicht nur bis zu einem halben Jahr. Das führt zu unterschiedlichen Behandlungsempfehlungen: die Regulationsstörung soll durch ein reizabschirmendes und konditionieres Umgebungsverhalten, womit personell die Bindungspersonen gemeint sind, beseitigt werden. Die Methode, zu der Ihnen dazu in der Klinik geraten wurde (mich würde interessieren, welche Klinik das ist), ist aber eine, die schon ein gewisses Selbstregulationsverhalten voraussetzt und es nicht etwa erzeugt. Daher ist dieses Konzept für dieses Alter überfordernd und wenn, dann erst im nächsten Lebensjahr sinnvoll. Die Bindungstheorie rät hingegen zu einer intensiv kontakterhaltenden, auf das kindliche Bedürfnis eingehenden Behandlungform, die die Selbstregulation über die Regulation durch die Bindungsperson erzeugt. Das gelingt auch ziemlich zuverlässig, wenn sich nicht schon Beziehungsstörungen eingeschlichen haben. Hinderlich bei Ihnen ist auch das ständige Trinken in der Nacht, was in diesem Fall wahrscheinlich auf Seiten des Kindes den unbedingten Kontaktwunsch zum Ausdruck bringt. Daher die Frage, wo hat denn Ihre Tochter/ Ihr Sohn bisher geschlafen? Wie lange waren die Verzögerungszeiten, bis sie oder Ihr Mann am Bettchen bei Ihrem Kind waren? Wie viel Angst ist da schon entstanden? Wie sind Sie am Tag mit ihm oder ihr ungegangen? Einschlafen durch Trageprinzip oder ins Bettchen gelegt und gewartet? Was man Ihnen aus bindungstechnischer Sicht jetzt raten würde, wäre die Herstellung eines noch engeren Kontakterhalts als bisher, also vorübergehend sogar das Familienbett. Das nächtliche Trösten soll dann nur über den Körperkontakt erzieht werden, was notfalls das Herumtragen mit einschließt. Dabei zu singen, zu wiegen oder leise Musik hören ist in Ordnung. Ein Fläschchen sollte aber nur 4 Stunden nach der Einschlafzeit gewährt werden und beim endgültigen Erwachen am Morgen. Ab 10 Monate kann dann mit der kompletten Flaschenentwöhnunung begonnen werden. Wenn das alles funktioniert, ist es sinnvol, wieder getrennte Betten zu benutzen, aber einstweilen das Kinderbett noch als Beistellbett. Das Trösten wird aber bis weit ins 2. Lebensjahr hinein nur durch Tragen oder enges Aneinanderkuscheln gelingen. Viele Grüße und nennen Sie mir bitte die Klinik.

von Dr. med. Rüdiger Posth am 13.10.2014