Frage: Ersatzbezugsperson

Hallo,welchen Raum sollte die Ersatzbezugsperson idealerweise im ersten Lebensjahr einnehmen?Für ein Gelingen der Loslösung ist die häufige und frühe Einbeziehung des Vaters ja wichtig.Da sich der Säugling jedoch körperlich und emotional eins mit der primären Bezugsperson fühlt und die Objektpermanenz noch nicht versteht,müsste die primäre Bezugsperson doch im ersten Lebensjahr stets in unmittelbarer Nähe zum Kind sein,oder?Wie empfindet der Säugling,wenn er von einer vertrauten Ersatzbezugsperson betreut wird,aber die primäre Bezugsperson nicht in Sicht- oder Hörweite.Ist das in Maßen tolerierbar oder sogar unbedenklich?Oder sollte die Betreuung durch eine Ersatzbezugsperson nur im Beisein der Mutter erfolgen?Und noch etwas wg. uns. 6jährigen Sohn: Können Sie die Erziehungsmethoden aus dem Buch „Kinder fordern uns heraus“ vertreten oder kollidiert es mit Ihren Vorstellungen von Erziehung?Oder können Sie einen anderen Erziehungsratgeber empfehlen?

von 9999lebkuchen am 26.05.2014, 07:11



Antwort auf: Ersatzbezugsperson

Hallo, zwei Fragen, die in ihrer Beantwortung sehr schnell den Unterschied aufzeigen, der zwischen einer sozial gemäßigt gelenkten Erziehung und einer auf Bindungsprinzipien basierenden Erziehung besteht. Sozial gelenkt wäre das, was R. Dreikurs empfielt und bindungsbasiert ist das, was ich verusche , in meinen Büchern auszuarbeiten (ein 4. Buch dazu ist in Bearbeitung). Es gibt aber bislang meines Wissens kein pädagogisches Buch, das eine klare Verbindung zwischen Bindungstheorie und Erziehung herstellt. Die Ersatzbezugsperson kann, wenn der Säugling ohne Bindungsperson vorübergehend auskommen muss, die Betreuung beim Kind ohne Stress auszulösen übernehmen. Dazu muss sie allerdings langsam in ihrer Rolle aufgebaut worden sein. Das heißt, es muss genügend Kontaktzeit im Beisein der Bindungspersone stattgefunden haben, und der Säugling muss seine Bereitschaft gezeigt haben, sich auch in Gegenwart der Mutter oder vielleicht schon Vaters trotzdem von der Ersatzbezugsperson beruhigen, versorgen und trösten zu lassen. Denn das signalisiert, dass der Säugling sein Urvertrauen auf diese peson ausgedehnt hat. Die primäre Bezugsperson ist also durch die Ersatzbezugsperson eine Zeitlang zu ersetzen. Zumindest solange, solange nicht irgendwelche Ereignisse stattgefunden haben, die das Zurückkehren der Bindungsperson verlangen. Um noch einmal auf "Kinder fordern uns heraus" und Dreikurs zurückzukommen: Bindung bedeutet immer Verinnerlichung der positiven Beziehung zu dem Eltern oder sie dauerhaft ersetzenden Personen. Das erwünschte Gehorchen im Allgemeinen ist dann ein freiwiiliges Ergebnis von Identifikation mit den Bindungspersonen durch spontane Übereinstimmung mit ihren Ansichten oder Einsicht in vorgegebene Notwendigkeiten. Es ist nicht ein Gehorchen durch regulierte Anpassung. Natürlich bleiben Konflikte nicht aus, aber Kompromissfähigkeit, Selbstzurücknahme, positive Motivation und innere Überzeugung beim Kind lösen den entstehenden Knoten und ermöglichen so prosoziales Handeln und Verhalten. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 27.05.2014