Was bedeutet "Willen brechen"?

 Katrin Simon Frage an Katrin Simon Ausbilderin von Kinderkrankenschwestern

Frage: Was bedeutet "Willen brechen"?

Hallo Kartrin, Was bedeutet eigentlich, den "Willen zu brechen "? Breche ich schon den Willen meines Kleinen (fast 22 Monate) wenn ich ihm Schuhe anziehe, er eigentlich nicht will, wir aber los müssen? Oder er ständig seinen Trinkbecher über dem Essen ausgießt und ich ihm den dann weg nehme? Danke dir und liebe Grüße

von Knatti am 06.09.2015, 23:27



Antwort auf: Was bedeutet "Willen brechen"?

Liebe Knatti, es gibt einen Unterschied zwischen " Willen brechen" und " Grenzen setzen".... Die Tatsache, dass es Dinge gibt, die erledigt werden müssen.... Regeln, die wichtig sind, damit eine Struktur entsteht und ein soziales Miteinander passieren kann... sind eine Notwendigkeit, damit das Kind selbst und die soziale Gemeinschaft um sich herum seine Grenzen kennt und innerhalb dieser Grenzen sein ICH entfalten kann... Die Grenzen braucht ein Kind, damit es sich reiben kann und Lösungsprozesse innerhalb dessen herausfinden kann. Werden die Grenzen nicht angeboten, so "tastet" es sich immer weiter vor, damit es seinen Verhaltensradius einschätzen kann. Manchmal werden Grenzen von Eltern sehr weit gesteckt, manchmal sehr eng und mit unterschiedlichen Prioritäten. Dies kann man prima in sozialen Gemeinschaften wie Kindergruppe, Spielplatz, Kindergeburtstag etc. beobachten. Die Prioritäten der Grenzen erfolgt i.d.R. durch den biographischen Verlauf der Eltern und des Selbsterlebtem; als auch der gesellschaftlichen " Werte und Normen". Und genau an dieser Stelle entsteht u.U. der Konflikt zwischen Begleiten/Erziehen und Überstülpen/ Nichtachtung der Persönlichkeit. Zu diesem Thema habe ich Dir einen Beitrag hier aus dem RUB kopiert, den ich samt der Literaturempfehlung, sehr passend und treffen finde: "wenn Kinderpsychologen wie Jesper Juul davor warnen, den Willen eines Kindes zu brechen, ist damit ganz sicher NICHT das Setzen von nötigen Grenzen gemeint. Ich finde dabei Jesper Juuls Definition zum Grenzensetzen sehr gut und hilfreich. Er sagt: Wir sollten beim Setzen der Grenzen nicht danach gehen, was "man" nicht macht oder "man" nicht tut. Sondern nur UNSERE persönlichen Grenzen wahren. Wir sollen also auch nicht das Kind mit einer Grenze aus Maßregeln "umzäunen", sondern das Kind nur dort stoppen, wo UNSERE Grenze verletzt wird. Wenn ein Kind zum Beispiel ständig kreischt oder seine Kindermusik-CD zu laut stellt - dann kann man sagen: "Das ist mir zu laut, meine Ohren tun weh, sei etwas leiser!" Den Willen zu brechen heißt für Juul (dessen Bücher ich genial finde) dagegen: Dass man das Kind danach drillt, was "man" nicht macht, nach irgendwelchen überkommenen gesellschaftlichen Regeln, ohne zu schauen, ob die überhaupt wirklich wichtig sind und Sinn machen. Zum Beispiel: "Wenn Erwachsene reden, hast du Sendepause!", "Du bist nur ein Kind, deshalb treffe ICH hier alle Entscheidungen", "Du kannst das nicht selbst, du bist dafür zu klein!" "Ich mache alles für dich, denn bei dir geht mir das nicht schnell genug, du hältst mich auf". In den von Dir beschriebenen Fällen könnte das heißen: Lass Deinen Sohn soviel wie möglich selbst tun (auch wenn das länger dauert) und selbst entscheiden. Nimm ihm möglichst wenige Entscheidungen ab und nur dort, wo es wirklich nicht anders geht. Wenn er morgens trödelt, kann es sein, dss DU einfach zu hastig bist. Kinder haben noch keine Einsicht darüber, wofür Eile gut sein soll. Sie ist ja eine Erfindung des 20. Jahrhunderts, die in unserer Seele nicht wirklich verankert ist. Deshalb würde ich morgens etwas früher aufstehen, damit Dein Sohn Zeit hat, sich selbst (aus zwei Möglichkeiten!!!) seine Klamotten auszusuchen, sich möglichst selbst anzuziehen, selbst zu frühstücken, die Zähne zu putzen usw. Wenn Du Dich für das Thema interessierst und möchtest, dass der Wille Deines Sohnes wirklich nicht gebrochen wird, dann lies doch mal das wunderbare Büchlein "Das kompetente Kind" von Jesper Juul. Man hat unheimlich viele Aha-Erlebnisse. Es ist der einzige Erziehungsratgeber, der bei uns wirklich etwas verändert und unheimlich viel Stress und Konflikte aus dem Alltag herausgenommen hat." Und... nichts ist perfekt. Alle Eltern machen ihre Fehler und werden immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt. Wichtig zu wissen ist, dass unsere Kinder uns als ELTERN möchten und wir ihnen keine Kumpel oder Freunde sein sollen.... Mit Elternliebe, Respekt und Reflektion unseres Tuns begleiten wir unsere Kinder in ihr Leben. So wie es das schöne Sprichwort sagt: "Wenn die Kinder klein sind, gib ihnen Wurzeln. Wenn sie groß sind, gib ihnen Flügel"... Liebe Grüße von Katrin

von Katrin Simon am 08.09.2015



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