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Geschrieben von Murmeltiermama am 13.04.2016, 8:03 Uhr

Juristische Einordnung der Causa Böhmermann

Hier mal eine klare, unaufgeregte, juristische Einordnung. Genau so ist es und genau so wird (falls es dazu kommt) ein Gericht entscheiden. Das ist jedem Verfassungsrechtler sonnenklar, denn alles andere wäre eine krasse Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung:

http://verfassungsblog.de/erlaubte-schmaehkritik-die-verfassungsrechtliche-dimension-der-causa-jan-boehmermann/

 
35 Antworten:

Re: Juristische Einordnung der Causa Böhmermann

Antwort von Leena am 13.04.2016, 8:52 Uhr

Danke für den Link!

Ich mag vor allem die Passagen mit dem edukatorischen Gesamtkontext. :-)

Ansonsten hoffe ich, das mit dem "kein sachlicher Bezugspunkt contra nicht völlig anlasslos" würde sich in einem eventuellen Urteil, wenn es denn dazu käme, auch so wiederfinden... für die armen Ziegen z.B. gibt es ja wohl keinen sachlichen Bezugspunkt, reicht da der von Erdogan gelieferte Anlass in jedem Fall auch aus..?

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Re: Juristische Einordnung der Causa Böhmermann

Antwort von Murmeltiermama am 13.04.2016, 9:14 Uhr

Auch wenn es aus Tierschutzsicht vielleicht wünschenswert wäre, genießen Ziegen (noch) keinen Grundrechtsschutz, also auch kein Persönlichkeitsrecht.

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Re: Juristische Einordnung der Causa Böhmermann

Antwort von Babsorella am 13.04.2016, 9:23 Uhr

Das ist eine schöne Begründung und Abwägung, warum Böhmermanns Beitrag zulässig ist. Auch wenn ich meine Zweifel habe, würde es mich freuen, wenn ein Gericht so urteilen würde aufgrund der Strafanzeigen bzw. die Bundesregierung ihre Ermächtigung nicht erteilt. Dass Erdogan sich in deutsche Rechtsprechung und Werte einzumischen versucht, geht einfach gar nicht. Und auch wenn ich denke, dass Gedicht ist über die zulässige Grenze hinausgegangen, würde ich mich freuen, wenn ein deutsches Gericht Erdogan klar macht, dass Kunst- und Meinungsfreiheit weiterhin gilt.

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Re: Juristische Einordnung der Causa Böhmermann

Antwort von Pauline2 am 13.04.2016, 9:40 Uhr

Danke, tolle Ausführung.

Wie schade, dass meine Lieblingssendung heute ausfällt. Und wie traurig, dass jetzt Polizeischutz nötig ist.

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Danke für den Link

Antwort von Ralph am 13.04.2016, 9:50 Uhr

Nichts anderes habe ich in meinen Beiträgen versucht zu vermitteln... bin halt nur nicht so geschliffen und im Saft wie die Profis. Danke für den Link. Dadurch bin ich auch wieder auf das legendäre Urteil des BVerfG aus den 50ern gestoßen, dessen Inhalt mir zwar bekannt, die genaue Bezeichnung der Fundstelle ("Lüth-Urteil") mir jedoch entfallen war (nach weit über 30 Jahren wohl verzeihlich).

Achja und schön festzustellen, daß meine juristischen Schienen offenbar doch noch nicht völlig eingerostet sind. (Sorry, diese Spitze gegen eine Userin hier kann ich mir nicht verkneifen hinsichtlich fachlichem Hintergrund usw. ...).

Und ich habe ebenfalls keine Sorge, daß es genau auf einen Freispruch hinauslaufen wird. Alles andere wäre eine Zäsur in der bisherigen Rechtsprechung, die eine klare Veränderung dieser Republik zur Folge hätte, auch wenn der konkrete Tatbestand wohl tatsächlich einmalig ist und deshalb durchaus eine grundsätzliche richterliche Beurteilung wünschenswert ist. In ein Urteil wird definitiv einfließen, was ein Schuldspruch für Folgen hätte, auf die Presse, auf die Kleinkunst, auf die freie Rede.

Ralph, der darauf wartet, daß der deutschlandweite Softwareausfall bald vorbei ist...

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Re: Juristische Einordnung der Causa Böhmermann

Antwort von lotte_1753 am 13.04.2016, 11:20 Uhr

Die Meinung eines (sic) Privotdozenten (sic) wird jetzt also als allgemeingültig für repräsentativ für die deutsche Staatsrechtslehre erklärt. Irgendwo fehlt mir hier manchmal die kritische Auseinandersetzung bei Themen zu denen man eine feste Meinung hat. Vielleicht hat er ja recht, vielleicht auch nicht, wir zunächst mal die Strafgerichtsbarkeit beantworten müssen. Die Argumentationsführung ist jedenfalls nicht immer klar (z.B. ob man tatsächlich davon ausgeht, das vorgetragene sei wahr, kann wohl nur schwer relevant sein).

Lustig auch der Hinweis auf die "krasse Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung" wenn der Aufsatz selbst davon ausgeht, dass wir was den Sachverhalt angeht juristisches Neuland betreten.

Wir warden es sehen. Im Endeffekt wird es viel Lärm um nichts sein.

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Naja, juristische Kompetenz...

Antwort von LiLiMa am 13.04.2016, 11:31 Uhr

...hat nicht wirklich was damit zu tun, ob man irgendwo jemanden findet, der dieselbe Meinung vertritt.....

Sie zeigt sich vielmehr darin, dass man erkennt, ob sich etwas in einer rechtlichen Grauzone bewegt und in der Lage ist die verschiedenen Seiten zu beleuchten, um am Ende zu einem ausgewogenen Urteil zu kommen.

(Sorry, diese Verteidigung einer Userin hier konnte ich mir nicht verkneifen...)

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Sonnenklar? Eher ziemlich dunstig...

Antwort von LiLiMa am 13.04.2016, 11:46 Uhr

Interessanter Artikel.
Im Ergebnis stimme ich nicht zu, aber das soll dann in ein paar Jahren das Verfassungsgericht klären.


"Wohl unzulässig wäre es aber, die Ermächtigung zu erteilen, obwohl das zu Grunde liegende Verhalten verfassungsrechtlich als von der Meinungsfreiheit gedeckt und damit zugleich als notwendig straffrei anzusehen wäre."
Diese Passage halte ich für grundfalsch. Und wenn das so zutreffen sollte, finde ich es höchst bedenklich. Denn darin läge ein klarer Verstoß gegen das Prinzip der Gewaltenteilung.
Angela Merkel ist nicht qualifiziert, eine Vorentscheidung zu treffen, ob der Beitrag von Böhmermann verfassungsrechtlichen Schutz genießt oder nicht. Und das kann, nach meinem Verständnis, auch nicht ihre Aufgabe sein.

Das erhöhte Strafmaß des § 103 StGB im Verhältnis zu § 185 StGB rechtfertigt sich, mit den politischen Verwerfungen, die die Beleidigung eines Staatsmannes, im Gegensatz zu der einer Privatperson, mit sich bringen kann. Und nur nach diesen politischen Gesichtspunkten kann und darf Merkel, meiner Meinung nach, entscheiden.

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Auch von mir: danke für den Link

Antwort von Sille74 am 13.04.2016, 11:47 Uhr

Eine wirklich interessante Besprechung des Falles mit einer sehr einleuchtenden und verständlichen (damit tun sich doch viele gerade schwer) juristischen Argumentation. M.E. zeigt aber gerade dieser Beitrag, dass eben nicht alles so sonnenklar ist. Es ist, wie man an der Länge des Beitrags sieht, schon ein gewisser Argumentationsaufwand nötig und es wird im Beitrag ausdrücklich gesagt, dass dieser Fall im Vergleich zu früheren einige Besonderheiten und Neuheiten aufweist. Auch finde ich einige Fragen/Überlegungen aus dem dortigen Diskussionsforum recht interessant, z.B. ob man nicht, ggf. zu Lasten von Böhmermann (dies kommt jetzt von mir), auch berücksichtigen muss, dass lediglich das "Gedicht" türkisch untertitelt war. Und ganz profan: auch, dass der Autor den Fall als mögliche, zukünftige Examensklausur sieht, spricht gegen "sonnenklar". Denn Examensklausuren sind im Öffentlichen Recht/Verfassungsrecht ja (fast) immer so konzipiert, dass das Ergebnis letztlich offen ist, man aif dem Weg dorthin aber die wesentlichen Punkte erfasst und diskutiert.

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Woher willst Du meine juristische Kompetenz bewerten?

Antwort von Ralph am 13.04.2016, 11:51 Uhr

Meine Einschätzung, die ich bereits sehr früh hier hinterlassen habe, wird in den Medien landauf landab von den verschiedensten Experten geteilt. Nenne mir eine einzige ernstzunehmende Quelle, die die Lage so einschätzt, daß der Gesamtbeitrag nicht als erlaubte Satire anzusehen ist.
Alle, die eine strafbare Beleidigung sehen, stellen allein auf das Gedicht ab. Nur ist das ja unstreitig, es geht um den Gesamtbeitrag, und da habe ich bisher keine Stimmen gehört, die die gegenteilige Meinung vertreten, ausgenommen der Rechtsanwalt von Herrn Erdogan. Nur, der wird dafür bezahlt, ist also für mich kein objektiver Jurist. Der würde den größten Unsinn bis zur letzten Instanz vertreten, solange die Kohle stimmt. Das aber ist letztlich sein Job, wenn der Klient es so will (und zahlt).

Ich habe zum Gesamtbeitrag eine eindeutige Meinung, die Grauzone, in die sich dieser bewegen soll, ist für mich sehr übersichtlich.

Lesenswert, nur mal so als Einstieg und nicht einfach zu lesen, das legendäre "Lüth-Urteil" des Bundesverfassungsgerichts:

https://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%BCth-Urteil#Zusammenfassung_des_Urteils

Zwar fast 60 Jahre alt, dennoch ein bis heute bestehendes bedeutendes Fundament für die gesamte Rechtsentwicklung hinsichtlich der Grundrechte. Der Bezug zum Fall Böhmermann erschließt sich allerdings nicht auf den ersten Blick.

Ralph

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Danke

Antwort von LiLiMa am 13.04.2016, 11:54 Uhr

...das Lüth-Urteil ist mir in meinem Studium schon das ein oder andere Mal übern Weg gelaufen ;)

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Re: Sonnenklar? Eher ziemlich dunstig...

Antwort von Strudelteigteilchen am 13.04.2016, 11:56 Uhr

Und mit Deinem letzten Absatz hebst Du die von Dir so hochgelobte Gewaltenteilung dann doch wieder auf.

Es kann nicht Aufgabe der Justiz sein, politische Verwerfungen zu verhindern - genausowenig wie es Aufgabe der Politik ist, juristische Entscheidungen vorwegzunehmen oder zu beeinflussen.

Ob etwas justiziabel ist oder nicht darf nicht davon abhängen, ob der einer der Prozessbeteiligten gerade politisch genehm sind oder nicht.

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Re: Juristische Einordnung der Causa Böhmermann

Antwort von butterbemme am 13.04.2016, 11:57 Uhr

Danke für den Link. sehr interessanter Beitrag.

Im Übrigen sind die darunterstehenden Kommentare auch lesenwert, weil hier einige Foristen einige Absätze kritisieren. In denen erklärt sich nochmals der Autor.

sonnigen Tag noch

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Re: Sonnenklar? Eher ziemlich dunstig...

Antwort von LiLiMa am 13.04.2016, 12:05 Uhr

"Ob etwas justiziabel ist oder nicht darf nicht davon abhängen, ob der einer der Prozessbeteiligten gerade politisch genehm sind oder nicht."
Doch, denn genau das erklärt den erhöhten Strafrahmen des 103. Ansonsten macht der ganze Paragraph (den ich irgendwie eh für bedenklich halte) keinen Sinn.
Das ist sozusagen eine Erweiterung des Opportunitätsprinzips.

Schau mal in 104 a. Da wird das ganze noch deutlicher.

"Es kann nicht Aufgabe der Justiz sein, politische Verwerfungen zu verhindern - genausowenig wie es Aufgabe der Politik ist, juristische Entscheidungen vorwegzunehmen oder zu beeinflussen."

Ganz genau.

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Re: Auch von mir: danke für den Link

Antwort von Murmeltiermama am 13.04.2016, 12:19 Uhr

Zum Thema Examensklausur:

Ich habe als wissenschaftliche Hilfskraft jahrelang Klausuren und Hausarbeiten sowie Probeexamen korrigiert (ein ätzender Job übrigens) und jemand, der hier nicht den Gesamtkontext, sondern nur das Gedicht als isolierte Beleidigung besprochen hätte, der hätte von mir irgendwas zwischen 0 und 2 Punkten bekommen.

Vielleicht gibt es eine nachvollziehbare Argumentation mit dem Gesamtzusammenhang und den vorliegenden Urteilen, ich habe aber bisher keine gelesen. Alle juristischen Bewertungen, die ich bisher gelesen habe, kamen zu diesem Ergebnis. Den konktreten Beitrag habe ich nur ausgewählt, weil er es ziemlich gut auch für Laien erklärt.

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Jetzt sind wir bei einer anderen Fragestellung angelangt...

Antwort von Ralph am 13.04.2016, 12:25 Uhr

Wir sind uns darüber einig, daß es sich bei §§ 103 StGB um eine lex specialis zu § 185 StGB handelt, für deren Anwendung es einer Ermächtigung der Bundesregierung bedarf (§ 104a StGB).

Ich frage mich gerade, ob die Gewaltenteilung tatsächlich berührt ist. Im Zweifel sieht die Bundesregierung Belange der Bundesrepublik berührt (Türkei darf nicht vergrätzt werden, wir können auch jede andere Nation als Beispiel nehmen) und möchte gerne ein Verfahren eingeleitet wissen. Damit handelt sie eigentlich nicht anders als Herr Erdogan oder jeder andere Bürger, der eine Anzeige erstattet.
Der Unterschied besteht darin, daß bei der Ermächtigung durch die Bundesregierung die Staatsanwaltschaft handeln muß, während bei Herrn Erdogan oder einem anderen Anzeigenden die Eröffnung eines Verfahrens noch vom öffentlichen Interesse abhängt.
Gehört die reine Ermächtigung zur Verfahrenseröffnung nur zur Staatsanwaltschaft? Und welcher der drei Mächten ist letztere eigentlich zuzuordnen? gehört die Staatsanwaltschaft schon zur Gerichtsbarkeit? Ich gebe zu, daß ich da nicht ganz im Bilde bin.

Aber: Selbst wenn die Bundesregierung das Verfahren veranlaßt, nimmt sie im Anschluß ja keinen Einfluß auf die Beweisaufnahme oder gar auf das Urteil. Insofern wäre die Gewaltenteilung doch gewährleistet, oder übersehe ich gerade etwas?

Ralph

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Re: Sonnenklar? Eher ziemlich dunstig...

Antwort von lotte_1753 am 13.04.2016, 12:27 Uhr

Interessante Geschichte hat der 103 auch. Der Kontrollrat hat ihn 1945/46 für nichtig erklärt und der BT dann 1953 wieder eingefügt. Der politische Hintergrund wird ja dadurch mehr als deutlich, dass er nur gilt wenn Deutschland mit dem Staat diplomatische Beziehungen unterhält. Das ist eine dieser Altlasten die man irgendwann einmal mitentrümpeln kann.

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Re: Jetzt sind wir bei einer anderen Fragestellung angelangt...

Antwort von Strudelteigteilchen am 13.04.2016, 12:40 Uhr

Die Staatsanwaltschaft gehört zur Judikative, wobei es da auch Diskussionen gibt. Ich las kürzlich einen Artikel darüber - ich meine, das war im Zusammenhang mit dem Schirach-Theaterstück (das ich unbedingt sehen möchte - leider gab es bei meinen letzten Besuchen in Berlin keine Karten mehr).

Im Grunde geht es um die Bewertung des "Öffentlichen Interesses". In einem Fall beurteilt das die Regierung, im anderen die Staatsanwaltschaft. Insofern mMn doch eine Frage der Gewaltenteilung - zumindest dann, wenn man diese Beurteilung als Teil des juristischen Prozesses betrachtet.

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Und ergebnisoffen können auch Klausuren anderer Disziplinen sein...

Antwort von Ralph am 13.04.2016, 12:41 Uhr

ich entsinne mich an eine Klausur, der der Fall zugrundelag, daß eine Sekretärin ihrem Chef die neu angekommene Bankkarte vom Schreibtisch nahm, 10.000,- DM abhob und anschließend die Karte wieder zurücklegte.

Ergebnis war damals "Freispruch!", mit den damaligen Normen nicht zu packen. "Allenfalls..." so die Dozentin damals, "Allenfalls können Sie noch Diebstahl hinsichtlich der Karte selbst prüfen, aber auch das ist nicht einschlägig, da es bereits an der Zueignungsabsicht fehlt!"
Das beste war damals ein Ausreichend, hatten drei oder vier Leute, alle anderen, auch ich, sind mit all ihren Ausführungen und Theorien mit fliegenden Fahnen untergegangen.
Heute wäre das sicherlich ein Lacher, damals brauchte man den Mut, auf Freispruch zu plädieren...

Ralph

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Re: Auch von mir: danke für den Link

Antwort von lotte_1753 am 13.04.2016, 12:53 Uhr

Wenn es so viele gibt, kannst Du bitte eine andere verlinken?

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Re: Jetzt sind wir bei einer anderen Fragestellung angelangt...

Antwort von LiLiMa am 13.04.2016, 12:57 Uhr

"Gehört die reine Ermächtigung zur Verfahrenseröffnung nur zur Staatsanwaltschaft? Und welcher der drei Mächten ist letztere eigentlich zuzuordnen? gehört die Staatsanwaltschaft schon zur Gerichtsbarkeit?"

Das ist ein richtig schwieriges Feld, über das es schon endlose Diskussionen gab. Da kannst du also gar nicht wirklich "im Bilde" sein ;). Die Staatsanwaltschaft gehört wohl zur Exekutive, jedenfalls ist sie nicht in Art. 92 GG erwähnt. Allerdings ist sie auch ein "Organ der Strafrechtspflege". Das ist ein Problem, weil ein Staatsanwalt eben nicht, wie ein Richter, unabhängig ist in seinen Entscheidungen (also auch nicht darin, ob er z.B. die Eröffnung eines Strafverfahrens beantragt oder nicht), sondern weisungsgebunden. Das führt dazu, dass die Staatsanwaltschaft eben nicht vor politischer Einflussnahme geschützt ist.
Was für die Staatsanwaälte in der Praxis teilweise sehr unangenehm sein kann.
Es gab schon lange Bestrebungen, an diesem System etwas zu ändern. Bisher ist nichts grundlegendes geschehen.


"Aber: Selbst wenn die Bundesregierung das Verfahren veranlaßt, nimmt sie im Anschluß ja keinen Einfluß auf die Beweisaufnahme oder gar auf das Urteil. Insofern wäre die Gewaltenteilung doch gewährleistet, oder übersehe ich gerade etwas?"

Nein, das sehe ich ganz genauso. Nur finde ich, geht genau das in der medialen Berichterstattung und auch in dem Artikel oben eben etwas durcheinander. Da wird es so dargestellt, als müsse Merkel vorweg schonmal entscheiden, ob die Sache strafbar ist oder nicht. Und genau das, muss und darf sie meiner Meinung nach nicht.

Sie entscheidet, ob der erhöhte Strafrahmen des § 103 StGB Anwendung finden könnte, wenn es denn eine Beleidigung wäre. Und diese Entscheidung ist, das finde ich wird aus § 104a ganz deutlich, eine politische. Das kommt einem irgendwie komisch vor, ist aber, wie ich oben schon geschrieben hab, letztlich glaube ich eine Erweiterung des Opportunitätsprinzips.

Die Entscheidung, ob eine strafbare Beleidigung vorliegt, die trifft danach ein Richter völlig unabhängig (wobei ich nicht in dessen Haut stecken möchte). Wenn man es so handhabt ist die Gewaltenteilung, würde ich sagen, gewahrt.
Ein komischer Beigeschmack bleibt aber irgendwie...

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Ja, natürlich ...

Antwort von Sille74 am 13.04.2016, 12:58 Uhr

... können auch Klausuren in anderen Gebieten ergebnisoffen sein, wobei doch gerade der Fall in Deinem Beispiel nicht ergebnisoffen war, wenn laut Dozentin nach damaliger Rechtslage kein Tatbestamd erfüllt war und sie bei Bejahen eines Tatbestands schlecjte Noten verteilt hat ...

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Re: Jetzt sind wir bei einer anderen Fragestellung angelangt...

Antwort von lotte_1753 am 13.04.2016, 13:11 Uhr

Hab jetzt nicht im Kommentar nachgelesen aber auch die Entscheidung zur Verfahrenseröffnung ist doch Sache der StA. Das Fehlen der Ermächtigung ist doch nur ein Verfolgungshindernis oder sehe ich das falsch?

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Re: Jetzt sind wir bei einer anderen Fragestellung angelangt...

Antwort von lotte_1753 am 13.04.2016, 13:11 Uhr

Hab jetzt nicht im Kommentar nachgelesen aber auch die Entscheidung zur Verfahrenseröffnung ist doch Sache der StA. Das Fehlen der Ermächtigung ist doch nur ein Verfolgungshindernis oder sehe ich das falsch?

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"Das kommt drauf an" ;)

Antwort von LiLiMa am 13.04.2016, 13:17 Uhr

Die Eröffnung des Ermittlungsverfahrens ja.
Die Eröffnung des Hauptverfahrens ergeht durch richterlichen Beschluss

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Re: "Das kommt drauf an" ;)

Antwort von lotte_1753 am 13.04.2016, 13:38 Uhr

Immer richtig, 18 Punkte. Dann stellt sich das Gewaltenteilungsproblem ja nicht.

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@LiLiMa: Ach, der komische Beigeschmack kommt doch eigentlich nur...

Antwort von Ralph am 13.04.2016, 14:24 Uhr

... dadurch, daß Merkel sich durch ihr voreilig geführtes Telefonat in die Türkei letztlich bereits festgelegt hat. Ohne dieses Gespräch könnte sie das jetzt, nach ein paar Tagen, sehr viel selbstbewußter handhaben. Jetzt kommt sie m.E. gar nicht darum herum, das Verfahren anzustreben.
Andererseits, wenn man so manche ältere Artikel dazu liest, war Merkel wohl davon ausgegangen, daß durch ihr Telefonat die Angelegenheit von der politischen Ebene gezogen wurde. Sie hat nicht damit gerechnet, daß Erdogan ihr im Anschluß eine Nase dreht.

Ja, in der Berichterstattung ist so manches mangelhaft. Da wird unsauber formuliert oder die Dinge werden nicht sauber auseinandergehalten, und zwar nicht nur in der Boulevardpresse.
Das Merkel die Strafbarkeit in einem solchen Verfahren nicht vorab feststellt, ergibt sich für mich eigentlich lupenrein aus dem Gesetzestext des §104a StGB: "... wenn ... die Bundesregierung die Ermächtigung zur
Strafverfolgung erteilt." Das läßt m.E. absolut keinen Interpretationsspielraum. Lediglich das "Ob" kann sie beeinflussen.

Nun, warten wir das Verfahren mal ab. Wenn Erdogans Anwalt tatsächlich bis zur letzten Instanz gehen will, kann ich dem Ganzen sogar etwas Positives abgewinnen. Es werden einmal mehr, dann aber mit "frischem höchstrichterlichen Urteil", alte und neue Aspekte der in der Verfassung verbürgten Grundrechte behandelt und klargestellt.

Ralph

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Re: Auch von mir: danke für den Link

Antwort von Murmeltiermama am 13.04.2016, 14:44 Uhr

So, habe jetzt tatsächlich noch etwas recherchiert. Hier ein paar Meinungen, die es auch so sehen.

http://www.lhr-law.de/magazin/das-schmaehgedicht-oder-presserecht-a-la-boehmermann

http://www.neues-deutschland.de/artikel/1008286.boehmermann-koennte-fall-fuers-verfassungsgericht-werden.html

http://www.volksfreund.de/nachrichten/region/rheinlandpfalz/rheinlandpfalz/Heute-im-Trierischen-Volksfreund-Trierer-Rechtsprofessor-raeumt-Strafanzeige-gegen-Jan-Boehmermann-keine-Chancen-ein;art806,4463677

http://www.horizont.net/medien/nachrichten/Medienrechtlerin-zur-Causa-Boehmermann-Man-darf-das-Erdogan-Gedicht-nicht-isoliert-betrachten-139662

http://www.derwesten.de/politik/jurist-regierung-koennte-fall-boehmermann-einfach-beenden-id11724996.html


Da ich aber aktuell weder Hausarbeiten schreiben noch korrigieren muss, möge man mir nachsehen, dass ich nicht zu jedem Autor und zu jeder Quelle ausführlich recherchiert habe. Insofern bitte keine ausführliche Replik auf meine Quellen schreiben, denn ich werde mich ohnehin nicht mehr ausführlicher damit befassen, weil mir dafür einfach die Zeit fehlt. Solche Recherchen sind unglaublich zeitaufwendig, wenn man sie ernst nimmt.

Was ich eingestehen muss, ist die Tatsache, dass ich durch die Recherche doch auch zahlreiche andere Meinungen, auch von Juristen, gelesen habe. Ich sehe es zwar immer noch als absolut eindeutig an, aber offensichtlich kann man doch auch fundiert darüber streiten. Insbesondere der Ansatz, dass es für das Beispiel, dass Böhmermann geben wollte, auch 1-2 Zeilen etwas harmloserer Text getan hätten, und alles darüber hinaus Gehende nicht mehr durch die Kunstfreiheit gedeckt ist, ist durchaus überlegenswert.

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????

Antwort von Sille74 am 13.04.2016, 15:14 Uhr

Diesen Einwurf verstehe ich nicht.

Natürlich würde jemand, der in einer Klausur nur das Gedicht isoliert betrachtet, eine ziemlich schlechte Note bekommen. Er/sie käme dann ja gar nicht zum Knackpunkt. Ich denke, das steht außer Diskussion, dass der gesamte Böhmermann-Sketch (oder wie nennt man so etwas?) gesehen werden muss. Das wurde ja auch hier in einem Faden unten bereits längs und bereits erörtert.

Vielleicht kann man ja tatsächlich sogar das Lüth-Urteil heranziehem, um zu einer anderen Bewertung zu kommen. Glaubt man Wikipedia (ich muss zugeben, ich musste nachlesen, da mir nur noch das Schlagwort ein Begriff war und bin Ralphs Link gefolgt), nahm das BVerfG Lüths Motive für den Boykottaufruf ins Visier und nahm dann eine eine Art Verhältnismäßigkeitsprüfung vor, also ob er bei der Verfolgung seiner Ziele verhältnismäßig vorgegangen sei. So könnte man in der Böhmermann-Sache ja auch vorgehen und ich finde, da kann man durchaus dazu kommen, dass die Beschimpfungen in ihrer Massivität und Fülle unverhältnismäßig waren etc.

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Re: ????

Antwort von Leena am 13.04.2016, 16:04 Uhr

Na ja, aber mussten sie nicht gerade absolut übertrieben und jenseitig sein, um zu verdeutlichen, dass man Erdogan eben gerade kein Verhältnis mit seiner Ziege oder irgendwelchen Kinder oder was auch immer andichten wollte, und auch, dass niemand an seinen "Klöten" gerochen und sich über den Geruch beschwert habe, sondern stilistisch "Schmähkritik" demonstrieren wollte an einem quasi zufälligen, aber eben nicht beliebigen Opfer..?

Die Übertreibung wäre somit quasi systimmanent unverzichtbar gewesen.

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Re: ????

Antwort von lotte_1753 am 13.04.2016, 16:42 Uhr

Ja, aber nicht unbedingt (gefühlt) 27x und den Schuss Rassismus hätte es auch nicht bedurft. Letzterer würzt zwar, aber naja. Das Riesenbohei in den Medien war es dann aber auch nicht wert. Gehe jede Wette ein, dass dauernd irgendeiner irggendeinen wegen Beleidigung drankriegen will und sich das in 99% aller Fälle im Sande verläuft.

Spielte halt in diese aufgeheizte Stimmung rein. Unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung hängt nicht daran.

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Re: ????

Antwort von Babsorella am 13.04.2016, 16:43 Uhr

Das wäre natürlich auch noch eine mögliche Verteidigungsstrategie von Böhmermann: In dem Gedicht geht es um Tatsachenbehauptungen, die alle wahr und zutreffend sind. Dann kommen wir gar nicht erst in den Bereich der Kunstfreiheit, wobei dann allenfalls noch die vulgäre Sprache kritisch sein könnte. Ich fürchte nur, es wird nicht gelingen darzutun, dass es sich um Tatsachenbehauptungen handelte - oder vielleicht doch

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Re: ????

Antwort von Sille74 am 13.04.2016, 17:53 Uhr

Hört sich für meine Wenigkeit gut an als Argument pro Meinungsfreiheit bzw. contra Beleidigung. Auf Sachen kommt Ihr hier! Alle zusammen kämen wir bestimmt auf eine wahre Musterlösung bei einer Klausur

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Re: ????

Antwort von Leena am 13.04.2016, 19:52 Uhr

Klarer Fall von Schwarmintelligenz!

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Ich erlaube mir noch eine kurze Anmerkung

Antwort von Sille74 am 13.04.2016, 23:06 Uhr



Offenbar kommt ja auch ein Gutachten des Auswärtigen Amtes zum Schluss, dass möglicherweise eine Strafbarkeit vorliegt. Nun sind ja im AA auch nicht gerade die dümmsten aller Juristen beschäftigt bzw. wenn das AA das Gutachten von auswärts eingeholt hat, werden da ja auch renommierte Experten herangezogen ...Natürlich spielt hier auch die politische Lage eine Rolle und das Ergebnis geht tendenziell in die Richtung, wie es politisch opportun zu sein schein, aber blamieren (und das würden sich die entsprechenden Gutachtenverfasser ja, wenn es wirklich so eindeutig wäre und das jeder Feld-Wald-Wiesen-Jurist oder gar Laie erkennen würde) wollen und können die sich ja auch nicht gerade ...

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