Quengeln am Esstisch - Erziehung ohne Erfolg

Dipl.-Soz.päd Sylvia Ubbens Frage an Dipl.-Soz.päd Sylvia Ubbens Diplom Sozialpädagogin

Frage: Quengeln am Esstisch - Erziehung ohne Erfolg

Guten Tag Frau Ubbens, ich beschäftige mich gerade mit dem Thema Hochsensibilität und bin einerseits erleichtert, weil ich nach gut zwei Jahren mit meinem Sohn endlich eine Erklärung habe, warum er in so vielen Situationen immer anders ist als die meisten anderen Kinder. Andererseits ist der Alltag mit ihm so anstrengend, dass ich so oft an meine Grenzen komme und überfordert, verzweifelt und mit den Nerven fertig bin. Unsere nahezu tägliche Situation, wenn wir zu dritt am Esstisch sitzen: Mein Sohn quengelt und quengelt und quengelt. Er kann es 1. gar nicht haben, wenn mein Mann und ich uns unterhalten. 2. stört ihn immer irgendetwas, Brot ist falsch geschnitten, falscher Belag, anderer Belag als Mama oder Papa, sobald irgendwelche Gegenstände auf dem Tisch stehen, muss er die UNBEDINGT haben und untersuchen und so geht es weiter. Ich finde die Mahlzeiten zu dritt oft unerträglich obwohl mir so viel daran liegt, dass wir zumindest einmal am Tag zusammen am Tisch sitzen. Alles was wir ausprobiert haben, funktioniert nicht. Entweder versuchen wir es ihm Recht zu machen, wir sind aber leider oft total überfordert, weil wir nicht wissen, was er will (er quengelt glaube ich oft einfach wirklich, weil er unzufrieden ist, weil er nicht im Mittelpunkt steht). Manchmal, wenn wir zufällig das richtige raten (er redet nämlich dann auch nicht mehr wenn er im Quengel-Modus ist, obwohl wir ihn mehrfach dazu auffordern uns zu sagen, was ihn stört und was er möchte), z.B. dass das Brot anders geschnitten werden soll, wird es ruhiger. Mein Mann ist davon überzeugt, dass das alles Theater sei und wir richtig konsequent sein müssen und strengere Regeln einführen müssen. Ich dagegen finde, dass wir seit etwa einem Jahr fast ununterbrochen konsequent sind. Wir haben eine lange Zeit z.B. jede Mahlzeit, wenn dann irgendwann nicht mehr gegessen, sondern herum gematscht und mit der Flasche auf den Tisch gehauen wird etc. die Mahlzeit beendet, da er nullkommanull auf uns hört und ihn vom Tisch weg genommen und gesagt, dass er spielen gehen soll. Leider seit einem Jahr ohne Erfolg, es ändert sich nichts. Es gib dann einen Riesen Schrei-und Wutanfall und wir müssen unser Brot neben einem schreienden Kind, dass dann auch gerne noch ankommt und sich an mich hängt und zerrt, zuende essen. Und bei der nächsten Mahlzeit ist genau das gleiche Theater. Ich bin richtig hin- und hergerissen und überfordert mit der Erziehung in diesem Fall. Ist Konsequenz der richtige Weg? Ist es richtiger, auf mein Kind einzugehen, warum es so viel quengelt, was ihn stört? Kann das Gequengel Theater sein um Aufmerksamkeit einzufordern? Oder ist mein Kind überfordert (ich weiß allerdings nicht womit, wir haben schon nichts mehr auf dem Tisch stehen und machen das Brot in der Küche fertig, damit er nicht Käse, Wurst und Salami alles haben will und doch am Ende nichts) und braucht mich, dass ich ihm helfe damit umzugehen? Mein Ziel ist es, einfach ruhige Mahlzeiten zu dritt am Tisch zu haben (wenn man mit meinem Sohn alleine ist, ist es übrigens deutlich ruhiger) und ich möchte auch dass er lernt, dass mein Mann und ich uns auch mal unterhalten. Aber ich bin mit meinem Latein am Ende. Alle endlosen Erklärungsversuche und/oder konsequentes Verhalten scheinen erfolglos zu sein. Ich bin für jeden Tipp und Rat dankbar. Ich finde die Situationen jetzt auch durchaus "normal" mit Kind, es läuft halt nicht am Schnürchen und schon gar nicht so, wie man es sich selber vorstellt. Aber es kommt mir bei uns alles immer so extrem vor. Nicht mal ein bisschen quengeln und dann redet man etwas und dann schlägt man dies oder das vor und das Kind ist irgendwann zufrieden oder abgelenkt, sondern eine halbe Stunde gequengel, Unzufriedenheit und ich probiere alle aus aber kann es nicht ändern. Ich danke Ihnen/Euch! Viele Grüße von MaMo2015

von MaMo2015 am 08.06.2017, 08:49



Antwort auf: Quengeln am Esstisch - Erziehung ohne Erfolg

Liebe MaMo2015, hat Ihr Sohn genügend Hunger oder quengelt er u.a. aus Langeweile, da er gar nicht wirklich etwas essen möchte? Lassen Sie für ein paar Tage die Nachmittagsmahlzeit weg und essen ggfls. etwas früher zu Abend. Lassen Sie Ihren Sohn entscheiden, was er auf dem Brot essen möchte. Er darf sich die Auflage in der Küche aussuchen und seinen Teller alleine zum Tisch tragen. Er wird stolz sein, helfen zu können und womöglich auch zufriedener an der Mahlzeit teilnehmen. Mag er dann am Tisch nicht essen, muss er nicht. Quengelt er, stellen Sie den Teller zur Seite. Ignorieren Sie sein Quengeln anschließend, ohne auf ihn einzureden. Nach ein paar Minuten können Sie ihn fragen, ob er doch noch essen möchte. Mag er nicht, dann nicht. Versuchen Sie nicht, ihn zu überreden. Probieren Sie es mindestens eine Woche lang aus, damit sich Ihr Sohn an das neue Vorgehen gewöhnen kann. Viele Grüße Sylvia

von Sylvia Ubbens am 09.06.2017



Antwort auf: Quengeln am Esstisch - Erziehung ohne Erfolg

Wollte nur etwas anmerken, was mir aufgefallen war: Du und Dein Mann fragt bisher eher wenig nach der Ursache für das "anstrengende" Verhalten Deines Sohnes. Ihr habt bisher entweder viel auf ihn eingeredet und erklärt - womit kleine Kinder aber wenig anfangen können, da sie Dinge nicht kopflastig analysieren, sondern ihre Bedürfnisse oder Probleme nur durch ihr Verhalten zeigen können. Oder Ihr habt Konsequenzen versucht - die aber gar nicht funktionieren können, wenn niemand versteht, WARUM Dein Sohn sich so verhält, wie er das tut. Kleinkinder kommunizieren mit uns ausschließlich über ihr Verhalten. Dass sie mit Worten sagen können, was sie stört, kommt erst viel später. Grund: Sie wissen es selbst nicht recht, sie analysieren sich und ihre Emotionen ja nicht, das gibt ihre Hirnreife noch nicht her. Sie fühlen nur: Etwas ist nicht so, wie es sein sollte. Sie können es aber nicht artikulieren. Von daher erzieht Ihr ein wenig an Eurem Kind vorbei - das ist normal, das passiert wohl allen Eltern, wenn sie entnervt sind, mir auch. Es lohnt sich aber nach meiner Erfahrung, sich zurückzunehmen und wirklich einmal genauer hinzusehen, anstatt das Verhalten des Kindes sofort als negativ zu bewerten. Ich weiß nicht, was Euer Sohn mit seinem Verhalten sagen will, dazu kenne ich Eure Situation zu wenig. Klar ist: Er ist unzufrieden mit seiner kleinen Welt, deshalb klagt und quengelt er viel. Er möchte Eure Aufmerksamkeit - aber nicht um Euch zu provozieren, sondern damit Ihr ihm dabei helft, dass es ihm besser geht. Für sein inneres Unwohlsein gibt es mehrere mögliche Ursachen. Eine besonders häufige ist diese: Er ist ja jetzt im sog. Selbständigkeitsalter. Viele Eltern finden dieses Alter aber anstrengend, weil das Kind ständig alles selbst machen will, selbst entscheiden will, sich verweigert, seinen eigenen Kopf entdeckt. Wir Eltern bremsen das starke Bestreben des Kindes, Dinge selbst zu tun, oft aus, ohne das zu merken - einfach weil wir wenig Zeit haben oder uns das Ergebnis nicht perfekt genug ist. Dies aber frustriert ein Kleinkind unendlich. Immer wieder sagt Mama: "Lass mal, ich mach' das schon", "Geh du solange spielen, bis ich hier fertig bin", oder "Das kannst du noch nicht gut, gib mal her!" usw. Die Folge: Das Kind wird unleidlich. Doch auch wenn etwas Anderes dahintersteckt, mein Tipp: Mir selbst hat das Buch "Das kompetente Kind" von Jesper Juul bei meinen Kindern unheimlich geholfen zu verstehen, warum sie in diesem Alter für mich so anstrengend waren. Ich habe die Welt auf einmal mit ihren Augen gesehen, ihre Bedürfnisse viel besser verstanden. Man bekommt wirklich viele Aha-Erlebnisse, aber auch typische Beispiele aus dem Alltag mit Vorschlägen für eine neue Heransgehensweise. Mein eigener Sohn wurde beinahe sofort viel zufriedener, das war eine Riesenentlastung. LG

von Banu28 am 08.06.2017, 09:45



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