Frage: Unglücklich

Verehrter Herr Dr. Posth, ich liebe meine 18 mt. alte Tochter über alles. Nichts desto Trotz komme ich mit meinem neuen "Job" als Mutter nicht klar. Die Arbeit der Kindererziehung empfinde ich als äussers anstrengend. Immer der gleiche Alltag, immer für Jemanden da sein, vollumfänglich Pflege bieten und die riesige Veratwortung, die man trägt, ist für mich sehr kräftezerrend. Ich bin sehr oft unglücklich, gereizt, nervös und so weiter. Nun ist meine Tochter auch ein sehr unzufriedenes Mädchen, dass dauernd quengelt und jammert. Sobald jemand uns besuchen kommt oder wir zur Oma in die Ferien gehen, oder Papa abends heimkommt, ist dem viel weniger so. Ich frage mich also sehr ernsthaft, ob ich meine Unzufriedenheit, die ich aber meist zu verbergen versuche, was mir aber immer weniger gelingt, auf meine Tochter übertrage? Wieviel ist dran an dieser "Übertragungs-Theorie"? Ich habe sehr Angst, dass sich demnach meine Tochter unerwünscht vorkommen könnte. Danke!

von mamana am 16.06.2014, 07:59



Antwort auf: Unglücklich

Hallo, es ist schon richtig. dass man viel von seinen eigenen Empfindungen und Stimmungen an das Kind überträgt. Messbar sind solche Vorgänge nicht, aber die Erfahrung lehrt, dass sich beim Kind schnell etwas ändert, wenn sich eine Beziehungsperson, insb. die Bindungsperson in ihrer Einstellung verändert. Auf dieser Grundlage basieren eigentlich alle Formen der Bindungs- und Beziehungstherapie, die sich ja fast ausschließlich an die Eltern richten. Das Kind ändert sich, in diesem Alter, das muss dazu gesagt werden, dann, wenn sich sein psychosoziales Umfeld ändert. Insofern kommt man als Mutter oder Vater dann am besten zurecht, wenn man seinen eigenen psychischen Haushalt in Ordnung bringt. Dafür gibt es hauptsächlich zwei Wege: zum einen macht man sich klar, dass man etwas sehr Wichtiges tut, wenn man ein Kind zu Hause betreut und großzieht. Es ist richtig, dass es die Anforderungen an einen selbst eher das Verständnis und die Geduld fordern als die intellektuelle Auseinandersetzung. Es gibt unendliche Wiederholungen und der geistige Level ist erst einmal niedrig. Aber was einem selbst beinahe öde vorkommt, ist ja für professionelle Betreuerin(nen) Berufsalltag. Leider hat unser gesellschafltiches System es bis heute nicht verstanden, dass man Mütter genauso zu entlohnen hat für diese Tätigkeit wie Erzieherinnen. Zum anderen begreift man, dass es sich um einen Entwicklungsabschnitt beim Kind handelt, der begleitet werden muss und der die Grundlagen für den späteren Wissenserwerb schafft und die Eingliederung in die Gesellschaft ermöglicht. Um das nicht ganz allein bewältigen zu müssen, sucht man sich ein soziales Netz, mit dem zusammen man agiert. Sprich, man sucht sich gleichermaßen betroffene Frauen, mit denen man sich zusammentut. In mütterlicher Begleitung funktionieren dann auch die Kinder mit ihren ersten Sozialerfahrungen schon recht gut. Auf jeden Fall sollte man verhindern, mit seinem Kind ganz alleine den ganzen Tag in der Wohnung zu verbringen. Das tut auch den Kindern nicht gut, denn Kinder lieben neue Herausforderungen. Muttersein ist dennoch kein Job im üblichen Sinne. Muttersein und dasselbe gilt auch für das Vatersein kann immer nur eine Leidenschaft sein, die weit über die Profession hinausgeht. Die Kraft, die man dafür gewinnen muss, ergibt sich aus derErkenntnis, dass man einen Menschen großzieht, also das Wichtigste tut, was es auf der Welt gibt, und aus der Liebe zu diesem Menschen, der das eigene Kind ist. Und trösten Sie sich, es gibt so viele Jobs, die stumpfsinnig sind und einen öden Arbeitsalltag bereit halten. Die wollte man nicht haben, auch wenn sie bezahlt werden. Das größte Problem für Mütter ist doch nur die mangelhafte Anerkennung für das Bedeutsame, was sie leisten. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 19.06.2014