Wie Baby an andere Bezugspersonen gewöhnen?

 Katrin Simon Frage an Katrin Simon Ausbilderin von Kinderkrankenschwestern

Frage: Wie Baby an andere Bezugspersonen gewöhnen?

Hallo, ich habe mit meiner 6 Monate alten Tochter das Problem, dass sie, seit sie etwa 2 Monate alt ist, eine extreme Vorliebe für mich entwickelt hat. Zweitweise durfte sie nicht mal der Papa (der die ersten 2 Monate komplett mit zu Hause war) sie auf den Arm nehmen. Nach den Weihnachtsferien hat sich das zwar gebessert, er kann sie aber noch immer nicht schlafen legen, weshalb ich doch ständig verfügbar sein muss. Sie wird wegen extremen Spuckens nicht mehr voll gestillt und der Papa gibt alle Mahlzeiten, die möglich sind, auch nachts ein Fläschchen zu meiner Entlastung. Nun muss ich mach einem halben Jahr "nur Baby" doch mal ein paar Arzttermine wahrnehmen, ohne Kind und muss auch mal wieder raus und etwas Zeit für mich haben. Es war ja nur mit viel Geschrei möglich, dass ich wenigstens 6 Mal zu Rückbildung konnte. Die Großeltern kommen jede Woche mindestens einmal vorbei und wollen mir die Kleine abnehmen, aber sie schreit, sobald sie sie auf den Arm nehmen. Sie dürfen sich nur eine Weile neben sie setzen, wenn sie spielt, irgendwann schreit sie aber wieder. Entlastung sieht anders aus und weggehen kann ich so natürlich auch nicht. Sie steigert sich immer mehr rein und beruhigt sich auch nicht irgendwann wieder. Solange sie bei mir auf dem Arm ist, lächelt sie alle freundlich an und nimmt auch Kontakt auf, aber darüber hinaus geht nichts. Mein Mann und ich haben natürlich so auch noch keine Minute ohne Baby verbracht, da wir sie nicht mal der Oma geben können. Diese ist Kinderkrankenschwester und wirklich sehr babyerfahren. Was kann ich nur tun, um meine Tochter an andere Bezugspersonen zu gewöhnen? Ich habe das Gefühl, ich drehe bald durch, fühle mich total gefangen! Für einen Rat wäre ich sehr dankbar. Bei der langen Dauer handelt es sich wohl nicht um eine Phase, die man abwarten kann...

von readhead am 09.03.2017, 16:19



Antwort auf: Wie Baby an andere Bezugspersonen gewöhnen?

Liebe Readhead, die intensive Bindung zur Mutter und das Verwehren des Vaters bzw. nächster Bezugspersonen kommt nicht selten vor. Für alle beteiligten liegt eine hohe Irriation vor, da es alle "gut" mit der kleinen meinen, alle im Einverständnis miteinander sind und es im Wohlwollen füreinander ist... nur das Kind zeigt eindeutig ein absoutes Desinteresse an seiner Betreuung ;). Es weint und schreit und zeigt: ICH WILL DAS SO NICHT. Warum? Dies bleibt uns zunächst nur als eine Ahnung zu interpretieren. Der Anfang des Ganzen kann in der Geschichte von Schwangerschaft und Geburt liegen. Gab es anfangs ggf. Stressmomente, wie einen Umzug o.ä., welche Ihrem Kind ggf. eine Unsicherheit gegeben hat? Um andere Bezugespersonen akzeptieren zu lernen; heisst dies, das ein wirklich konsequentes Vorgehen nowendig ist. Zunächst bleibt zu entscheiden, welche Person angebahnt werden soll... Dann muss man sich bewusst darauf einlassen und täglich! zunächst üben. Quasi, wie eine Brücke in ein Fremdbetreuung zur Tagesmutter oder in die Krippe. Täglich sollte die selbes Zeit, das selbe Tun etc. erfolgen, bei dem die andere Person dabei ist und ihr Aufgabe hat. Das Miteinander mit der kleinen sollte eher "nebenbei" laufen, also nicht im Focus sein... Langsam können sich dann die Bezugsperson und das Kind annähern. Sie als Mutter sich ggf. laaangsam jeden Tag ein wenig zurückziehen. Erst auf einem Stuhl sitzend im Raum; ganz dicht, dann weiter weg... möglichst mit einer Tätigkeit. Irgendwann können Sie mit der Verbindung von Stimme ( singend, summend, erzählend...) den Raum verlassen etc. Die Dauer wird von Treffen zu Treffen länger bzw. der Radius größer. Wenn SIe sich entfernen wollen, ausser Haus, dann verabschieden Sie sich immer! Nicht wegschleichen o.ä. Schauen Sie einmal, wie Ihre Tochter diese Kontinuität und Gelassenheit akzeptieren kann. Berichten Sie einmal. Bis ganz bald und liebe Grüße von Katrin

von Katrin Simon am 12.03.2017



Antwort auf: Wie Baby an andere Bezugspersonen gewöhnen?

Liebe Katrin, vielen Dank für Ihren Rat. Wir werden es mit der Oma erstmal so probieren, dass sie möglichst oft kommt und wir das wie beschrieben, langsam angehen. Zur Ergänzung: Wir hatten im Großen und Ganzen eine schöne Schwangerschaft, beruflich zwar viel Stress, aber 10 Wochen vor der Geburt dann nur noch zu Hause entspannen, dem baby vorsingen, schwimmen, eine sehr schöne Zeit. Die Geburt war spontan und natürlich im Geburtshaus, danach gleich nach Hause zum sehr gemütlichen Wochenbett. Mein Mann war dann die ersten 9 Wochen zu Hause, wir haben uns beide gleichermaßen um die Kleine gekümmert, das war auch okay für sie. Ich kann mir also nicht vorstellen, was sie so irritiert hat. Wir haben sie von Anfang an der Familie auf den Arm gegeben und anfangs war das auch okay. Kaum hat mein Mann eine Woche wieder gearbeitet, fing sie langsam an, sich nur noch von mir beruhigen zu lassen. Anfangs ging auch noch eine Stunde beim Opa auf dem Schoß, jetzt wird das immer weniger. Wenn die Großeltern da sind, gebe ich sie erst dann auf deren Arm, wenn sie sie freundlich anlächelt, nach den Brillen greift und wirklich sehr zufrieden wirkt. Wenn sie dann aber bei Oma oder Opa auf dem Arm ist, schaut sie schnell panisch zu mir und fängt immer mehr an zu schreien. Bei mir ist es dann wieder gut. Auf dem Boden mit ihr spielen dürfen sie, solange die Laune gut ist, wird sie müde, ist Schluss. Das geht manchmal ganz plötzlich. Ich habe sehr viel Erfahrung mit Babys, habe 20 Jahre babygesittet, aber so ein Problem hatte ich noch nie.

von readhead am 12.03.2017, 20:04



Antwort auf: Wie Baby an andere Bezugspersonen gewöhnen?

Hallo readhead, Deine Frage ist zwar bereits vom 09.03., aber vielleicht liest Du meine Nachricht trotzdem noch. Du beschreibst Situationen und Verhaltensweisen, die wir hier ähnlich erlebt haben. Deshalb: Hut ab! Ihr habt bereits das erste halbe Jahr geschafft. Es wird anders, definitiv, nur vielleicht nicht in dem Tempo, welches Du Dir erhofft hast. Meine Tochter ist jetzt dreieinhalb Jahre alt und möchte seit einem Monat in der Kita lieber noch spielen als abgeholt werden. Trennungen von mir fallen ihr immer noch schwer, aber lange nicht mehr so sehr wie noch bis vor einem halben Jahr. Es wurde langsam besser, mit der wachsenden Mobilität (sitzen, krabbeln, laufen) und dem Sprechen! Seitdem sie sprechen kann, kann ich mit ihr z.B. besprechen, dass ich einen kurzen Moment brauche. Und sie nimmt extrem viel Rücksicht – so viel sie eben schafft. Klar, dass Du keine Erfahrungen als Babysitterin mit solch sensiblen kleinen Wesen gemacht hast. Wer so ein liebebedürftiges Baby hat, nimmt sich vermutlich keinen Babysitter, wenn es nicht sein muss. Zumindest ging es mir so. Vielleicht hat sich die kleine Kinderseele Euch als Familie ausgesucht, eben weil Du so viel Erfahrung mit Babys hast und nun vielleicht mehr Verständnis für dieses kleine Wesen hast als andere. Was ich gemacht habe: - Buch „Das 24 Stunden Baby“ von William Sears gelesen - Im Internet über High need Babys (und Kleinkinder) recherchiert - LaLecheLiga Stilltreffen besucht – da hat man die Chance, Mütter mit ähnlich nähebedürftigen Kindern zu treffen, in allen anderen Kursen war ich die Einzige, die ihr Baby nicht ablegen konnte (und hatte immer das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben) - Akzeptiert, dass jede Trennung von mir, die nicht von ihr ausging, einen Preis hatte (und hat) – das half mir abzuwägen, ob das, was ich benötigte, den Preis wert war. - Blog „das gewünschteste Wunschkind“ gelesen - Trennungssituationen vermieden (notwendige Termine soweit es ging nach hinten verschoben) - Wenn Trennung wegen z.B. Arzttermin, dann in der Schlafenszeit (mein Mann oder Schwiegermutter schoben den Kinderwagen) - Auszeiten im Beisein wahrnehmen und genießen, Schwiegermutter kam ab fünf Monaten zweimal wöchentlich für eine Stunde. Ich musste zwar immer anwesend sein, konnte aber in Ruhe einen Kaffee trinken. - Weil Schwiegermutter zweimal die Woche kam und schon eine gute Bindung entstanden ist, gab es ab Kitabeginn einen Omatag in der Woche: Oma holt meine Tochter bis heute einmal die Woche eher ab (direkt nach der Vesper) und sie gehen auf den Spielplatz oder in ein Café. Dadurch gibt es keine „Zwischendurch“-Trennung von mir. - Kitaeingewöhnung mit 11 Monaten, da ich nach einem Jahr wieder arbeiten ging – leider hat mir niemand zu einer Zeit, in der ich noch hätte etwas ändern können, gesagt, dass es mit so einem Baby besser wäre, noch zu Hause zu bleiben (2-3 Monate hätten wir finanziell noch überbrücken können). Alle meinten nur, dass sich meine Tochter bis dahin noch ändern würde. Mit Laufalter fing ihr die Kita an Spaß zu machen. Eingewöhnung klappte, nachdem wir die Zeit in der Kita in Anwesenheit von mir bzw. meinem Mann ohne Trennungsversuche verlängert haben. Die üblichen drei Tage waren viel zu kurz! Sie brauchte einfach mehr Zeit als andere Kinder, um der Bezugserzieherin zu vertrauen und sich von ihr mit ihrem Trennungsschmerz auffangen zu lassen. - Mit meinem Mann am Laptop mit Kopfhörern Filme geschaut, während meine Tochter dicht dran schlief. - Als sie anfing, Puppen ins Bett zu bringen, ließ ich auch mich von ihr ins Bett bringen (auf dem Arm von meinem Mann Gardine zuziehen, Küsschen geben). Entweder habe ich dann tatsächlich geschlafen oder einfach einmal etwas gelesen. - Und ja: Niemals einfach wegschleichen. Sonst wagt sich ein Kind nicht mehr richtig ins Spiel hinein. Wenn ich irgendwann einmal auf mein Leben zurückschaue, werde ich mir das erste Babyjahr nicht zurückwünschen (mich hat dieser kleine Karamellbonbon komplett gefordert). Dafür ist es jetzt unglaublich schön und ich kann mich hundertprozentig auf sie verlassen. Ich musste sie noch nirgendwo suchen. Bei Familienfeiern fragt sie von sich aus, ob sie mit Opa nach draußen darf. Mit dem Laufrad fährt sie vor, hält an den entsprechenden „Stationen“ an und wartet auf mich. Sie ist bis heute ein vorsichtiger, sensibler und sehr fröhlicher kleiner Mensch und ich bin in vielen Situationen so unglaublich stolz auf sie. Wie ein Akku hat sie sich in den ersten drei Jahren mit Liebe und Nähe vollgesogen und kann jetzt gut die Welt um sie herum entdecken. Freu Dich auf den Sommer (bald könnt ihr buddeln und im kleinen Pool planschen) und all die Zeit danach. Und bis dahin wünsche ich Dir und Deiner Familie viel Kraft und Energie! LG, Milena

von Milena16 am 24.03.2017, 13:30



Antwort auf: Wie Baby an andere Bezugspersonen gewöhnen?

Für alle, die das lesen und vielleicht ein ähnliches Problem haben, wollte ich jetzt, wo die Kleine 22 Monate ist, noch einmal berichten, wie es weiter gegangen ist. Das extreme Fremdeln blieb unverändert bis zum 10. Monat, trotz aller sanften Versuche. Dann war es plötzlich okay, dass die Omi sie auf den Arm nahm und dann wurde es jede Woche ein bisschen besser. Mit ca. 12 Monaten konnten wir abends wieder weggehen und die Omi passte auf. Als sie 11 Monate alt war, war ich alleine 3 Tage auf einem Festival und der Papa hat aufgepasst, war kein Problem. Hart war die Kita-Eingewöhnung mit 12 Monaten, sie hat 4 Monate beim Abschied total geschrien und saß dann wohl auch eher still in der Ecke, was ihr nicht ähnlich sieht. Ich denke jetzt, das war zu früh, aber ich musste wieder arbeiten. Nach 4 Monaten war es dann okay und seitdem geht sie total gern, hat sich toll entwickelt, redet wie ein Buch, löst Konflikte, hat freunde, total toll. Seit sie 16 Monate ist, geht sie an einem Nachmittag die Woche zu den Großeltern, sie holen sie ab und es ist überhaupt kein Problem. Auch ein ganzer Tag mit Mittagsschlaf hat schon geklappt. Fazit: Manchmal lösen sich die Probleme nach einer Weile von selbst auf, man muss den Kindern nur Zeit geben. War bei ihr bei vielen Dingen so, auch komische Essgewohnheiten etc lösten sich einfach von alleine.

von readhead am 22.06.2018, 16:33