Frage: Kleinkind provoziert

Hallo! ich bin momentan wirklich ein bisschen am verzweifeln und hoffe, sie können mir helfen. Meine Tochter ist jetzt 22 Monate alt und sie ist wirklich sehr temperamentvoll. Da mein Mann oft erst spät abends nach Hause kommt bin ich fast nur mit ihr allein und das Problem ist, sie nimmt mich absolut nicht ernst. An manchen Tagen habe ich das Gefühl, sie provoziert mich absichtlich, zB stellt sie sich auf ihr Bobbycar und zieht an der Rolladenschnur und dabei schaut sie mich ganz genau an und grinst. schimpfe ich dann mit ihr, ignoriert sie mich oder lacht sogar. wenn ich sie nehme und vom bobbycar runterhole geht sie sofort wieder drauf oder sie schlägt und tritt nach mir! setze ich sie als Konsequenz dann in den Laufstall, meckert sie kurz aber beruhigt sich schnell und wenn ich die dann wieder raus hole, tut sie genau das gleiche wieder. Das war jetzt nur ein Beispiel von vielen. Sie hüpft auch während des Essens über die Eckbank, kippt den Trinkbecher aus, und ähnliche Dinge, wo sie halt genau weiss, sie darf es nicht. und das eben alles irgendwie so provozierend. Will ich mich mit ihr hinsetzen und was spielen, ist sie nur ganz kurz interessiert und steht dann einfach auf und geht weg. Wir sind viel draussen, wo sie sich austoben kann und im Kinderturnen, ich denke nicht, dass sie sich untergordert oder zu wenig beachtet fühlt aber warum verhält sie sich so (übrigens fast ausschliesslich bei mir!) und was kann ich tun? Vielen Dank!

von amy2107 am 20.11.2015, 14:00



Antwort auf: Kleinkind provoziert

Liebe Amy Ihre Tochter befindet sich gerade inmitten der Trotzphase besser: in der Willensbildungsphase. Diese geht einher mit den kindlichen Reaktionen auf die Fragestellung: - was muss ich tun, damit Mama etwas sagt? - wie reagiert sie eigentlich, wenn ich etwas tue, was ich nicht darf? - wie reagiert sie, wenn ich nicht aufhöre? - was darf ich überhaupt? - ich bin groß und will abgucken und nachmachen! Diese Vielfältigkeit in der Trotzphase macht es Eltern nicht immer einfach gelassen und freundlich zu reagieren. Ungeduld, Ideenlosigkeit, sogar das Gefühl von Ablehnung durch das Kind oder Aggression in sich selbt gegen das Kind sind normale Gefühle bei den Eltern. Warum? Die Symbiose der harmonierenden Mutter/Kind Beziehung löst sich langsam insofern auf, dass das Kind ein "Ich" entwickelt. Es bekommt seine Ich Identität und aus " Emma will machen" wird " Ich will das machen". Es wirkt fast so, als würde eine kleine Metarmophose stattfinden und mit recht roher Gewalt ans Tageslicht kommen. Das eigene Kind zeigt nunmehr Reaktionen, die man nie geglaubt hätte ;). Es ist nun an der Zeit, die Fragen des Kindes mit einer Antwort zu begleichen. Also: Grenzen zu setzen und damit zum Ausdruck zu bringen, dass etwas so nicht geht, aber vielleicht anders oder auch gar nicht. Ein zweijähriges Kind versteht keine langen Erklärungen. Kurze und knappe Einwände und dann das "Führen" des Kindes vom Ort des Geschehens weg oder den Gegenstand wegstellend, der Grund zur Grenzsuche ist. Bitten Sie Ihre Tochter z.B vom Bobycar herunter. Wenn sie nicht geht, dann nehmen Sie das Bobbycar zur Seite und stellen es weg. Und ja: es wird Protest geben. Aber- Ihre kleine erlebt die Grenze nun fühlbar. Das heisst nicht, dass ein Kind damit allein gelassen wird. Sondern, dass es durch das gefühlte Erleben nur verstehen kann. Bleiben Sie bei ihm und führen nun das weiter, was ursprünglich geplant war. Ich vergleiche die Trotzphase/Willensbildung gerne mit der Pubertät bei Teenis. Warum? Die Paralelle ist, dass auch hier geschaut wird, was man kann, wie man gesehen wird oder auch nicht. Was ist gut und was nicht so? Es werden immer wieder "Fenster" gesucht, in denen man sich beweisen kann und zeigen, wer man ist und wie fühlt es sich an? Der Jugendliche sucht die Ich Identität als Erwachsener, das Kleinkind die Ich Identität als solches. Aber beide Lebensphasen sind besetzt von der Grenzsuche und dennoch dem Hunger nach elterlicher Geborgenheit und viel Verständnis und Anerkennung. Auch wenn es nach aussen oft nicht so ausschaut ( wir erinnern uns :)): Daher ist die Rolle der Eltern für diese oft anstrengend, aber sehr wichtig und wurzelgebend! Die Erfahrung, die das Kind macht ist: ich werde geliebt, obwohl ich manchmal Blödsinn mache oder Mama/ Papa wütend auf mich sind. Also, geben Sie insb. als Mutter den Rahmen vor! Sie grenzen ein und weiten aus, wenn es möglich ist. Dies gelingt dann gut, wenn es feste Strukturen im Tag gibt, in der Familie, damit ein Kind sich orientieren kann und sich wiederfindet, wenn es ein Zuviel gibt am Tag. Seien Sie ehrlich in ihren Gefühlen. Sie dürfen alle Gefühle äussern und benennen. Ihr Kind wird auch dies mit großer Aufmerksamkeit wahrnehmen und lernen damit umzugehen. Es lernt: vertiefende Empathie. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Ruhe und Konsequenz! Sie geben vor! Vorbild und Nachahmung :). Bis bald und liebe Grüße von Katrin

von Katrin Simon am 20.11.2015