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Geschrieben von marit am 13.07.2004, 9:51 Uhr

Mal ganz provokativ gesagt... (und auch mal eine neuen Thread)...

Hallo Ralph,

hm, ich denke da haben wir gründlich aneinander vorbeigeredet. Wenn du dir meine Beiträge im Thread gründlich durchliest, vor allem die ersten, wirst du sehen, daß ich mir meine langen Arbeitszeiten erstens so nicht gewünscht habe (ich wußte tatsächlich während meiner Ausbildung nicht, wie am Ende mein Job aussieht, das ist in der Wissenschaft leider so) und zweitens sogar einen Vorschlag gemacht habe, wie man Familienanrbeit gerechter verteilen kann. Ich habe gesagt, daß ich nicht 42 Stunden-wochen eine Zumutung finde, sondern eher die Tatsache, daß einige Leute 60-80 Stunden verfügbar sein müssen oder meinen zu müssen. DIES, habe ich gesagt, sollten die Gewerkschaften viel eher bekämpfen, weil es dazu führt, daß gerade Männer sich aus der Familienverantwortung stehlen können, und daß bei Frauen "Karrieren" häufig gleichbedeutend sind mit Kinderverzicht. Ich habe gefordert, daß es VERBOTEN sein sollte, länger als 9 Stunden täglich zu arbeiten, daß ich im Gegenzug den Streit um 38 oder 40 Stunden pillepalle finde. Ich wurde liebend gerne "nur" 9 Stunden täglich arbeiten, und ehrlich gesagt könnte ich dasselbe auch in kürzerer Zeit erledigen. Aber warum sich mit der Arbeit beeilen, wenn man um 20 Uhr noch einen Vortrag halten muß, es gerade mal 18 Uhr ist und die Zeit nicht lange genug, um zwischendurch nachhausezufahren.

Auch was die Mobilitätsanforderungen angeht, habe ich keineswegs verlangt, daß man alle 3 Jahre umziehen muß (ich bin oft umgezogen und habe die Erfahrung gemacht, daß das, wovor auch ich anfangs Angst hatte mehr als wettgemacht wird durch die neuen Chancen (gerade auch private), die sich dadurch ergeben).Aber wie gesagt, nicht jeder muß das mögen. Aber daß sich jemand in einer ausweglosen beruflichen Lage nicht einmal überlegt EIN MAL im Leben seine Stadt zu verlassen - DAS kann ich eben nicht verstehen. Wenn man das nie getan hat, WEISS man doch gar nicht, ob es so schrecklich ist, wie man es sich vorstellt. Unten hab ich zum Thema Obdachlosigkeit in München gepostet, über eine Reportage, die ich da gesehen habe: Da gingen die Leute lieber mit der kompletten Familie in die Obdachlosigkeit, statt ihre Heimatstadt zu verlassen. Muß ich das wirklich verstehen??? Ja, es mag arrogant klingen, aber ich denke es ist für jeden Menschen gut, sich einmal so richtig (und eben auch örtlich) vom Elternhaus und Freundeskreis gelöst zu haben. Das heißt ja nicht, daß man nie zurückkommen kann - aber es gibt soviel Kraft, wenn man spürt, daß man irgendwo ganz alleine zurechtkommt und ich bedaure wirklich alle, die diese Erfahrung nie gemacht haben. Wenn man ein nettes offenes Elternhaus hat, mag diese Nähe ja noch angehen- Aber viele Menschen bleiben ihr ganzes Leben lieber in vollkommen ungesunden selbstzerstörerischen Bindungen verquickt (durch ein fieses Gemsich an Schuldgefühlen und Selbstgerechtigkeit gefesselt)- und das tut mir weh, wenn ich es sehe. Das Leben ist doch so lang, daß man verschiedene Lebensmöglichkeiten ausprobieren kann und sich nicht schon mit 18 nach der ersten Lehre für immer festlegen muß. Was an meiner Einstellung menschenfeindlich und unternehmerfreundlich sein soll, kann ich nicht feststellen. Mir ist es an sich egal, ob ein "Unternehmen" große Gewinne macht, Hauptsache die Gewinne reichen aus, um den Standort und die Arbeitsplätze zu halten. Viele Unternehmen sind im Umgang mit ihren Mitarbeitern und Zulieferern reichlich dubios - ich boykottiere auch eine ganze Menge Unternehmen - z.B. habe ich wegen der Verstrickung des Reemtsma-Konzerns in schlimmste Ausbeutung der Tabakbauern (und aus der Vermutung heraus, daß das mit anderen Firmen in dieser Branche nicht anders ist) aufgehört zu rauchen, ich habe noch NIE im LEBEN jemand in Schwarzarbeit beschäftigt (auch wenn wir monatlich nach Miete und Schuldentilgung nur noch 600 Euro übrig haben)ich kaufe kein Obst und Gemüse aus Spanien, weil dort Marockaner und Rumänen ausgebeutet werden und ich bin sehr dafür, daß sich Unternehmer-Gehälter nicht nur an den Aktionkursen, sondern auch an den Mitarbeiter-Gehältern in ihrem Betrieb orientieren (da könnte man sicher einen Quotienten entwicklen). Auch muß man sich von einem Unternehmen nicht alles bieten lassen. Mein Mann hat seinen Job wegen dem unzumutbaren Betriebsklima und den Beleidigungen seiner Chefin gekündigt - wir haben die dreimonatige Sperrzeit in Kauf genommen. Niemand muß sich bieten lassen, mies behandelt zu werden und es ist prima, daß unser Staat in solchen Fällen das Existenzminimum sichert. ABER: es kann doch keine Zumutung sein, wenn ein Unternehmen den Standort wechselt und dem Mitarbeiter anbietet, mitzukommen. Daß die Menschen dorthin gehen, wo sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können, ist auf der ganzen Welt so und war schon immer so. Du kannst doch nicht so tun, als wäre es eine ganz neue Errungenschaft neuerer Zeit. Natürlich wird es auch wieder Wechselwirkungen geben. Wenn z.B. im Osten Deutschlands durch diese Wegzüge Wohn und Büroräume so billig geworden sind, daß es ein Riesenvorteil ist, sich dort anzusiedeln, dann wird es auch wieder eine Welle zurück geben. Vorstellbar ist auch, daß die Unistädte im Osten jede Menge Studenten ziehen, da die dort vom Bafög sehr gut leben können. Mit dem Ergebnis, daß dort in 10 Jahren eine junge innovative Agentur nach der anderen aus dem Boden schießt und die Städte auf ganz neuen Ebenen florieren. Das kann man z.B. in fast jeder Unistadt mit vormals "verschriehenen" Stadtteilen beobachten.

 
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