Habt ihr euch von euren Eltern eigentlich richtig abgenabelt?

Ich glaube, richtig abgenabelt hat man sich dann, wenn man einen entspannten Kontakt auf Augenhöhe miteinander pflegen kann. Aus meinem engeren Bekanntenkreis (also dort, wo ich es einschätzen kann) kenne ich niemanden, wo das wirklich so wäre. Es gibt bei allen Bereiche, die entweder konsequent ausgeklammert oder immer wieder zum kritischen und zermürbenden Streitthema werden, und ich kenne auch sehr viele, die absichtlich eine weite Kilometerdistanz zu ihren Eltern wahren.

Meine Mutter ist vor 8 Jahren gestorben, vorher hatten wir ein sehr ambivalentes bis distanziertes Verhältnis, weil wir ein ziemlich unausgeglichenes Geben-Nehmen-Verhältnis hatten. Die Beziehung zu meinem Vater war schon immer problematisch, er hat in unserer Kindheit keine wirklich große Rolle gespielt und war eher (zu tyrannischen Ausfällen neigende) Randfigur. Mein Vater ist seit knapp zwei Jahren dement, weshalb zwischen uns keine wirkliche Auseinandersetzung auf Augenhöhe mehr stattfinden kann.

Eine richtige "Abnabelung" in dem Sinne, dass man sich voneinander löst und dann wieder auf einer erwachseneren Ebene einander annähert, hat es bei mir also nicht gegeben und wird es auch nicht geben. Ich fand und finde das schade, habe aber zumindest insoweit für mich damit abgeschlossen, als ich die Vergangenheit ruhen lasse und meiner Mutter auch vieles von dem verziehen habe, was ich ihr lange vorwarf. Bei meinem Vater werden die Gefühle automatisch weicher, weil er immer hilfsbedürftiger wird. Ich sehe ihn aber nur relativ selten (ich wohne über 500 km von ihm und seiner neuen Lebensgefährtin entfernt) und empfinde ihm gegenüber weniger töchterlich als fürsorglich. Eine richtige "Vaterfigur" ist er für mich nie gewesen.

LG

Nicole